Advent, Advent, die Sohle brennt

Was hat mich denn jetzt schon wieder geritten? Der Deal ist eigentlich ganz einfach: an jedem Adventssonntag einen Marathon zu laufen. So aus dem nichts heraus… Jetzt, wo ich die Zeilen schreibe, ist zumindest der 2. Advent herum und der Dritte in Lauerstellung. Und zum Glück kann ich von mir  nach der ganzen Streakrei bei denen ich die langen Läufe zur Vorbereitung eines Marathons vernachlässigt habe, behaupten, das ich es noch kann.

Mit ins Boot und zur Unterstützung habe ich mir die liebe Marina geholt. Kennengelernt erst persönlich beim 1. Baldeney Ultrasteig im November, scheint es aber zwischen uns zu passen. Ich muss mich eigentlich verbessern. Ich kann von “dem jungen Ding” noch viel lernen, wenn es darum geht fröhlich unbekümmert in ein Laufabenteuer zu gehen und jegliche Qual und Sorge einfach wegzulachen. Also Schluppe: Kopf aus!!!!

Wir schrieben uns ein paar mal und dann war die Sache klar: Marina macht mit. Für sie eher ein kleiner Trainingslauf am Wochenende, freute ich mich mit ihr zusammen den ersten Adventsmarathon zu laufen. 

Drei Tage zuvor geht mein Telefon. Marina. Was ich denn Samstag machen würde. Ich sage, nichts, ich müsste halt arbeiten. Ob es ihr nicht auskäme am Sonntag. “Doch, doch” sagte Marina, aber man könne doch am Samstag auch schon einen Marathon laufen, quasi als Doppeldecker. Meine Kinnlade fiel herunter. Womit hatte ich mich also bei dieser Person eingelassen…

So lief Marina schon am Samstag einen Marathon und am Sonntag halt noch einen mit mir. Kinderkram.

Marina verspätete sich am Sonntag etwas und dann ging es um 08:30 Uhr los. Bei Regen. Mal mehr Regen. Mal weniger Regen. Mal von links. Mal von rechts. Von oben oder von vorne. Es regnete eigentlich immer. Eine Eigenschaft, die Laufverrückte haben und teilen müssen, ist der Galgenhumor. Wir redeten uns ein, wie doof es bei Sonne wäre, Sonnencreme in den Augen, der Schweiß und überhaupt. Dabei liefen wir entspannt durch die westfälische Tiefebene, immer mal wieder an meinem Auto vorbei, welches als VP diente und uns zumindest bei den Pausen einen dann überflüssigen Wetterschutz  bot. Nass bis auf die Knochen tratschten und quatschten wir über vergangenes und zukünftiges. 

Nach gut 4,5 Std war der Spuk vorbei, Marina verabschiedete sich und unser erster Adventsmarathon war Sack.

Den zweiten Advent würden wir getrennt laufen. Marina zog es ins Siebengebirge zum Trailmarathon. Ich entschied mich auf Grund noch schlechterer Wetterlage ins örtliche Stadion. Runden laufen mal mit Gegenwind, mal mit Rückenwind. Hallali, regnete es nicht. Es schüttete. Meine oberste Kleidungsschicht war ein Regenponcho. Dicht gegen jegliches Wetter, so dicht, das sich darunter ein feuchtfröhliches Mikroklima bildete. Der Poncho klebte an meinen Sachen. Zum Glück war mir nicht kalt. 

Marina und ich schickten uns traditionell vorweihnachtliche Wetterflüche und Anfeuerungen per Sprachnachricht. So waren wir nicht ganz so allein. 

Nun lief ich Runde um Runde – bis ich auch den 2. Adventsmarathon erfolgreich beendet hatte. Schnell in etwas trockenere Sachen, zum Bäcker Brötchen holen und ab nach Hause….

Jetzt ist Donnerstag: Marina wird am Sonntag in Belgien den Bello Gallico laufen, also 80km durch den belgischen Matsch. Ich sage ja, die Frau hat ´nen Knall 😉 Ich für mich weiß noch nicht, wie ich genau meinen Lauf gestalten werde. Vielleicht laufe ich in den Advent hinein – durch die Nacht…

Eine Woche später, Freitag Abend und so langsam habe ich mich vom dritten Marathon erholt. Es war ein reiner Arbeitslauf, der mir noch bis Mittwoch in den Knochen steckte. Auf Grund von Terminüberschneidungen am Sonntag gab es für mich nur die Möglichkeit Samstag Abend loszulaufen und früh am Sonntag Morgen zu finishen. Damit wäre Marathon und Streak gerettet. Ich bin also um 20:30 Uhr los. Es war kalt (-2 Grad) feucht, dunkel, ungemütlich, einsam und launisch. Trotz Hörbuch, trotz Musik hat sich dieser Lauf wie Kaugummi gezogen und gefühlt war das der härteste Marathon, den ich je gelaufen bin. Ich habe keine guten Gedanken daran, war nicht stolz, nicht glücklich – einfach nur leer, müde – abgehakt. Wie ein Besuch bei nervigen Verwandten.

In zwei Tagen ist dann Nummer 4 an der Reihe. Ich freue mich schon jetzt drauf, nicht ein Etappenziel zu erreichen, sondern “nach Hause” zu laufen. Mit jedem Kilometer 1000m näher am Ziel. Das wird toll…

Samstag; der Countdown läuft. Es soll NICHT regnen. Das wäre mehr als phantastisch, sind wir doch die letzten drei Läufe mehr oder minder bis auf die Knochen nass geworden…

Sonntag morgen 08:00 Uhr: Marina trifft pünktlich ein und wir laufen wirklich bei Trockenheit los. Der Himmel ist grau und verhangen bei + 7 Grad, leichtem Wind. Laut Wetter App soll es erst um 13:00 Uhr anfangen zu regnen. So laufen wir beide um die Felder und reden und tratschen. Marina meint, man solle Männer immer bei einem Ultra daten, dann wüsste man wie sie sich in Extremsituationen verhalten, welche Schimpfwörter sie drauf haben und wie sie in (Not -(durft)- )Situationen mit dem Problem umgehen. Eigentlich keine so schlechte Idee. Und obwohl wir uns “nur” auf der Marathon Distanz beschnuppern, scheint die Wellenlänge doch ähnlich zu sein. Unsere Gespräche sind derbe und könnten verstörend wirken, deswegen gehe ich nicht ins Detail. Wir laufen und wir lachen, die Zeit läuft und die km ticken so runter. Und als ob der Himmel vor Glück weint, fängt es bei km 41 an zu regnen. Wir lachen darüber, klatschen uns ab und freuen uns über die letzten anstehenden Meter. Zum großen Finale laufen wir noch zwei Runden auf der #SCHLEM Traditionsstrecke und dann ist der vierte Marathon vollbracht. Ganz cool eigentlich!! Ich freue mich, Marina freut sich. Wir umarmen uns und dann ist sie auch schon wieder verschwunden.

Was bleibt: Nach dem #Kreuzberg50 im Oktober bin ich keine wirklich langen Strecken mehr gelaufen, bin vor mich hingestreakt, mal mit richtig vielen Wochen Kilometern, manches Mal vor mich hin dümpelnd. Als ich mich dazu durchgerungen habe vier Marathone an vier aufeinander liegenden Wochenenden zu laufen, wusste ich nicht, was mich erwartet. Zum Glück hatte ich mentalen Support von Marina und viel Raum und Zeit, die mir meine Frau gab um an einem Sonntag einfach mal 4-5 Std. fernzubleiben. Besonders deswegen, weil wir nur den Sonntag als gemeinsamen freien Tag haben. Danke Dir!!! 

Wieder einmal habe ich mir bewiesen, das ich etwas kann, auch wenn es kein monster weiter Ultra mit 70.000 Treppenstufen rückwärts mit verbundenen Augen gewesen ist, war es eine Herausforderung für den Kopf und zudem eine beeindruckende Regenerationsfähigkeit meines Körpers. Auch wenn die werte Leserschaft natürlich sagen wird: natürlich kannst du was – ab und zu muss man sich das halt auch selbst beweisen.

In diesem Sinne: bis zur nächsten Beklopptheit auf diesem Kanal.

 

 

 

 

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