Berlin Marathon 2015 – einmal anders

Nachdem mein Berlin Marathon Plan 2015 zehn Tage zuvor wegen eines während der Arbeit erlittenen Muskelfasserrisses geplatzt war gab es zwei genau zwei Möglichkeiten: entweder den Kopf in den Sand stecken, die Pastaparty mit den Twitterbekanntschaften sausen lassen, traurig vor dem Fernseher sitzen oder:

Kopf hoch, hin fahren, alles mitnehmen was geht. Glücklich sein. Also “Ab dafür”!!!!

Aber eines nach dem Anderen.

FREITAG – Die Hinfahrt nach Berlin belastete die Nerven, Freitag nachmittag, mehrmals im Stau Zeit verloren. Erstes Highlight: eine kultige Berliner Currywurst bei der Stammbude. Die es dann aber nicht mehr gab. Statt dessen eine hippe Bio Bude mit Bio Currywurst, Bio Pommes, Bio Bier. Lecker war es- aber es war nicht die dunkle schmierige Bude, auf die ich mich gefreut hatte.

SAMSTAG – warum auch immer hatte die Gästepension in der ich war kein Frühstück. Also gab es bei einem der unzähligen Bäcker ein hervorragendes Frühstück, draußen in der Sonne sitzend mit den letzten Wespen der Saison. Ein Blick nach rechts und links verriert: Berlin ist im Marathonfieber. Bunte Laufschuhe, Hightech Uhren, Sportequipment welches ausgeführt werden wollte.

Und ab zur Messe: der ehemalige Flughafen Tempelhof bot sich in der Stadt wie Berlin dafür an, die Laufverrückten aus allen Herren Ländern aufzunehmen und mit den neuesten Kreationen auszustatten. Tempelhof1Auf dieser Messe hatte ich dann auch das erste Mal realen Kontakt zur Twitterwelt. Hinter den Nicks gpway, laufwelt und laufgazelle stehen liebe Menschen die mir sofort sympatisch waren. Man ist seinem Element über Twitter, Laufen und Gott und die Welt zu sprechen. Weiter ging es durch die Hallen. Auch unbekanntere Hersteller bietet die Messe eine Chance sich zu präsentieren.  Zwischenzeitlich kurz einen Tweet abgesetzt ob vielleicht weitere Twitterer auf der Messe zu finden wären. Und tatsächlich: auch GUracell, Pep909 und Matthias_Kunz habe ich dort das erste Mal getroffen. Draußen auf dem ehemaligen Roll In in der Sonne stehend, fachsimpelnd über das Große Ganze.

Am Nachmittg ging es dann noch zu einer Spezialaufgabe. Ich fuhr zu einer Hotellobby um quasi “konspirativ” einen weiteren Twitterer, den alpinextreme dort zu treffen. Ich hatte mich angeboten ihn auf Wunsch bei seinem sportlichen Höhepunkt ein kleines Stück weit zu unterstützen und ihm am Sonntag bei km35 ein in einer Getränkeflasche aufgelöstes Gel zu reichen. Sein Ziel war es unter der magischen 2h 30min zu bleiben. Ein Großes Hallo in der Lobby, Matthias_Kunz war auch wieder dabei. Matthias selbst erst vor 5 Wochen mit einem Muskelfaserriss ausgeknockt wollte am Sonntag “auf Ankommen” laufen. Sein Start war bis 96h vor Startschuss nicht sicher.

ich-alpin-kunz

Abends mein größtes Highlight und einer der Hauptgründe überhaupt nach Berlin gefahren zu sein: Die #Twitterlauftreff Pastaparty bei einem örtlichen Italiener stand an. Ein Gefühl aus mehrfachem Blinddate erfasst uns. Viele kennen sich nur von Twitter, manche hatten sich das erste Mal auf der Messe getroffen, andere kannten sich schon länger. So treffen sich also SunnysideNina, BeetleBibi, Runingmunich, Roha1087, XUSunni, Endurange, SaschaReetz, Pitztrailinchen, Matthias_Kunz, GUracell, Buechse67, SvnKswttr, FrauLangstrumpf, Teho, reiserad, Pep909, Shorcamp, und thorstenfirlus. Sollte ich jemanden vergessen haben, bitte ich dieses zu entschuldigen. Meldet euch, ich ändere das… Es ging natürlich ums Laufen, Laufen und ums Laufen. Und um eine kleine österreichische Süßspeise, die sog. Manner Schnitte. Dieses kleine Knusperstückchen hat sich im Laufe der Zeit zu einem propatem Dopingmittel gegen Laufmüdigkeit, Depressionen, Hungergefühl und Versagensängste entwickelt.  Aus einem Gag heraus wurde die “Taskforce des guten Geschmacks” die #Mannerarmy gegründet. 10 Bekloppte die mit Laufshirts von Manner ausstaffiert wurden um durch Berlin zu laufen. Ein rosafarbenes Shirt mit blauem M auf der Brust. Ein textiles Grauen – Stolz gehöre auch Ich dazu. SaschaReetz hatte in geheimer Mission seine Fühler zu Manner ausgestreckt und ein besonderes Leckerechen für all die Laufverrückten mitgebracht. 6kg! allerfeinster österreichischer Gebäcktradition ließ die Herzen aller höher schlagen.

Manger2

Die Mannerarmy im Rausch

DANKE MANNER FÜR EUREN SUPPORT!!!

SONNTAG Raceday – Da ich ja nun mal kein aktiv Beteiligter bei diesem Lauf bin, ging der Wecker erst um 08:00 Uhr. Viel später als die sicher vielfach gecheckten Handywecker aller Laufverrückten, die zu dem Zeitpunkt sicherlich schon nervös in ihren Startbereichen hin- und her hibbelten. Mein Wunsch war all die Spitzenläufer einmal real zu sehen – in ihren Manner Laufshirts. Natürlich auch die Kenianer und deutsche Topathleten. Los ging es mit dem Top Kenianer Kipchoge und seinen “Wunderschuhen”.Kipchoge1 und dann kam mein Job: Die Flaschenübergabe an alpinextreme. Ich war doch etwas nervös in meiner neuen Aufgabe. Aber es ist alles super abgelaufen.Flasche1Flasche2 Aufregung Pur!

Per App konnte ich wenig später wirklich erleben das er seinen sportlichen Traum endlich wahr gemacht hatte und mit 2h: 29min: 32sek gefinisht hatte. Phantastisch!!!  Die Läufermassen wurden mehr und mehr und es wurde immer schwerer überhaupt jemanden auszumachen. Und doch: Auch hier bewirkte das Manner Shirt wieder Wunder.

Endurange Hier der Endurange an km35. Dieses Shirt. Dieser Mann… Wenig später tauchten dann SaschaReetz (29120) und Matthias_Kunz (20841) auf. Für Sascha war es sein Marathondebüt, für Matthias eine Aufgabe des Durchkommens.  Als überaus fairer Sportsmann half Matthias Sascha durch seinen Lauf.Sascha und Mat

Aber der gemeine Schweizer zeigt sich mit Humor: wenn schon nicht auf PB laufen dann wenigstens mit Spaß. Und Stil.

Und noch einen habe ich entdecken können: Buechse67, der sich durch Berlin quälte.Buechse

Es gab keine Ausfälle zu verzeichnen, alle o.g .Twitterer haben gefinisht und ein unglaubliches Abenteuer erlebt. Und soweit ich weiß auch alle anderen des #Twitterlauftreffs.

Auch ich habe dieses tolle Wochenende genossen. Mit allen Highlights, den tollen Menschen die ich kennen lernen durfte, dem Spaß untereinander, dem Wetter. Ich habe meinen Frieden mit dem Berlin Marathon 2015 geschlossen. Und ganz bestimmt: ich komme wieder!

DANK(E) EUCH!!

PS.  – Auf dem Rückweg noch ein letztes tolles Erlebnis: es wurde das Shirt gezückt, gehupt und gelacht. Irgendwo auf der Autobahn A2…MannerAlle Bilder (c) schluppenchris, Lobbybild (c) Matthias Kunz

Ein Gedankenspiel

Eine Woche vor Berlin kann man sich auch mal seine Gedanken über dieses unglaubliche Mega-Event machen. Es werden 39.999 LäuferInnen (ich bin ja nicht dabei) aus aller Herren Länder in Berlin an den Start gehen um ihr sportliches Glück in Form der Finishermedaille im Zielbereich zu suchen und zu finden. Das klingt einfach fantastisch…

Und doch: je nach Wetterlage werden viele, die sich durch Berlin gequält haben, danach angeschlagen sein. Man nennt es auf Neudeutsch auch “Open Window Effect”. Das Immunsystem ist in den ersten 24 Stunden extrem anfällig gegen jegliche Störungen von außen und Viren und Bakterien haben ein Leichtes den geschundenen Körper in Mitleidenschaft zu ziehen. Das ist beim Karneval nicht anders. Der körpereigene Schutz ist durch den Alkoholexzess so ruiniert, das eine Erkältung gerne Einzug hält. Ich sage einfach mal:

Es bleiben 27.865 LäuferInnen über.

Geschätzt gut 20% der TeilnehmerInnen werden mit irgendwelchen Blessuren über die Berliner Zielliene laufen, humpeln, sogar eiern, die vorher so nicht einkalkuliert waren. Blasen wegen falscher Socken- oder Schuhwahl, vergessene Pflaster oder Vaseline Packungen an empfindlichen Stellen sind die kleinsten Übel. Krämpfe in den Beinen durch Dehydration oder Überanspruchung. Rebellierende Mägen durch das falsche Gel…

Es bleiben also 22.316 LäuferInnen über.

Schaue ich mir die Ergebnisliste des Jahres 2014 an, war ein gewisser Herr Dennis Kimetto aus Kenia der Erstplatzierte, der letzte Finisher Toni Emanuek Kjael aus Dänemark auf Platz 28.946. Es haben somit von 40.000 TeilnehmerInnen 11.054 SportlerInnen das Ziel aus welchen Gründen auch immer nicht erreicht.

Es bleiben also 11.262 LäuferInnen über.

Ein Teil des Feldes ist nur des Geldes wegen nach Berlin gekommen. WeltklasseläuferInnen, Pacemaker und Überatlethen wurden eingesetzt um Berlin im rechten, besser richtigem, Licht hinaus in die Welt strahlen zu lassen und durch sie zu sagen zu wollen: Ihr Völker der Welt! schaut auf diese Stadt! Uns ist eine neue Fabelzeit geboren und wir haben es wieder einmal geschafft. Denn dieses edle Grüppchen mit den Genen von Anthilopen und Gazellen gekreuzt, muss wohl auch abgezogen werden da ihr Herz zwar für den Langstreckenlauf aber noch ein bisschen mehr für das Geld schlägt. Es ist einfach ihr Job. Vermutlich würden die Kenianer auch bei den Bertlicher Straßenläufen im beschaulichen Herten zur selben Zeit teilnehmen, hätte der SUS Bertlich 1945 e.V. die finanziellen Mittel zur Verfügung. Was wäre das für eine Schlagzeile: “Kimetto läuft in Herten Weltrekord!”

So bleiben also 11.202 LäuferInnen über.

11.202 LäuferInnen die aus dem internationalen Mega-Event eine lokale Großveranstaltung machen.

Und mit lokalen Großveranstaltungen kann ich gut leben. Wenn ich den Berlin Marathon 2015 mit einem Marathon wie Köln, Münster oder Hannover vergleiche, verblasst auch irgendwie der Glanz um dieses Spektakel. Lass sie doch laufen die Kenianer und Äthiopier, sollen sie doch Geld für Ihre Familien verdienen, das tun wir doch auch Montags bis Samstags, Woche für Woche. Wir sind auch immer wieder Weltklasse, nur keiner bekommt es mit. Die allein erziehende Mutter mit 2 oder 3 Kindern, der Nachbar der sich mit einer chronischen Krankheit durch sein Leben kämpft…

Aber ich schweife ab. Soll es doch kein Appell gegen dieses Mega-Event sein. Ganz und gar nicht. Ich muss es mir und meiner Wade dieser Tage nur so einfach wie möglich machen. Es hat nicht sollen sein. Ende! Und ich komme um diesen Open Window Effect herum. Aber Herzschmerz ist schon da.  Nenne ich es doch Open heart effect. Verheilt spätestens 2016 in Berlin. Bei dem internationalen Mega-Event. Ich freu mich schon…

Wie alles begann…

Ich sehe diesen Blog aktuell als Multi Therapieversuch mich einerseits abzulenken, aber auch den Umgang mit diesem Medium kennen zu lernen. Anfängerfehler bitte ich zu entschuldigen.

Ich sitze also auf meinen Sofa und blogge das erste Mal über die letzten erlebten Tage:

Für alle die es nicht mitbekommen haben soll erwähnt werden, das ich im Oktober 2014 an der Startplatzverlosung für den Berlin Marathon am 27.09.2015 teilgenommen und und einen der begehrten Plätze ergattert hatte. Daraufhin wurde schnell ein preiswertes Hotel im Start – Zielbereich gefunden (nein, nicht das Adlon) und ein Zimmer reserviert um den Stress am Starttag möglichst gering zu halten.

Mitte Mai 2015 bin ich angefangen, mich mittels Online Trainingssystem auf das WK Highlight hinzuarbeiten und habe durch unterschiedliche Trainingsreize meine ultimative Wettkampfform gefunden. In den letzten Tagen war ich mir sogar sicher mein Ziel Sub 3h 39min deutlich zu unterbieten und an einer für mich unfassbar schnellen Zeit von 3h 34min zu kratzen. Alle Zeichen standen auf Grün.

Donnerstag, 17.09.2015 17Uhr 30 – Während der Aufbauarbeiten einer lokalen Fachmesse fängt es an zu regnen. Ich schwinge mich aus dem Messegebäude zu meinem Wagen um noch etwas zu besorgen. Wie jedeR von uns das schon 1000x gemacht hat. haste ich schnellen Schrittes ca. 50m zum Auto, als es auf halber Strecke in meiner linken Wade ein Knall oder Überspringen gibt und mir sofort Schmerzen in die Wade schießen. Diese Kombination ist mir vollkommen neu und mir ist sofort bewusst, das hier etwas “kaputt” gegangen ist. Gehen ist nicht mehr wirklich möglich. Frustiert, wütend auf wen und was auch immer, fahre ich nach Hause und verabschiede mental das erste Mal von meinem Traum Berlin Marathon.

Freitag, 18.09.2015 08Uhr 30 – ich komme aus der orthopädischen Praxis und habe das Ergebnis der Untersuchung: Muskelfaserriss im M. gastrocnemius, in einem der beiden großen Wadenmuskel. Ausheilzeit 4-6 Wochen. Mit einem Kommentar: ” Sie laufen Marathon, aber nicht diesen. Schönes Wochenende!” wurde ich entlassen und sitze jetzt wie ein Häufchen Elend in meinem Auto. Meine Sicht verwässert… Ich verabschiede mich endgültig von meinem Traum.

Dank des unglaublichen Zuspruchs meiner Frau, meiner lokalen Laufcrew, der TRRCRW, (s. rechts der Followerbutton) und vielen Twitterkontakten versuche ich mich zu fangen und werde aufgefangen. Der Lauf ist gelaufen. Ich erhalte super viel Mitleid und Genesungswünsche muss aber letztlich selbst mit dieser “A-Karte” klarkommen.

Einer der Tipps war ich solle Bloggen, das würde ablenken und man könnte seinen Frust herunter schreiben.

Samstag, 19.09.2015 11Uhr 10 – der Schluppenchris Blog ist geboren und ich schreibe…