Alles neu macht der Juni

Diese Überschrift ist so ziemlich alles, was von meinem eigentlich Blog Post zum Köln Pfad 2018 und zum Streak Running übrig geblieben ist. Als ich das letzte Mal schaute, war ich bei 1100 Wörtern. Hatte mir die Seele frei geschrieben und am Ende kullerten sogar ein paar Tränen. 

Es ist müßig zu fragen, warum die automatische Sicherung nicht funktioniert hat. Ich könnte auch das Laptop aus dem Fenster werfen. Es würde sich nichts ändern…

Ich habe 3h Zeit versenkt. Und trotzdem fühle ich mich befreit, als ob ich dem Wirt an der Theke morgens um Drei mein Leben erzählt hätte.

…fange ich halt von vorne an.

Anders, vielleicht besser. 

Was mich wundert, ist diese Gelassenheit und Ruhe in mir. Ich kenne mich eigentlich ganz anders. Hat vielleicht mit dem zu tun was ich eben dem Wirt erzählt habe.

Gelassenheit ist schon was cooles, das wünsche ich Dir für heute!!!!

Ich geh jetzt erst mal einen Milchshake trinken…

Glück auf

 

Trepp trepp hurra

In dieser hoffentlich kurzweiligen Folge soll es um den Mt. Everest Treppenmarathon #METM im beschaulichen Radebeul bei Dresden gehen, wo seit 14 Jahren die Höhe des Mt. Everests bestiegen wird- und das nicht aus einem 4500m hohen Basislager sondern aus Meeresspiegelhöhe. Gut, die Luft ist deutlich dicker als auf dem realen Gipfel und auch Yetis und tibetanische Gottheiten stellen sich einem bei dem Aufstieg nicht in den Weg. Um diese Höhe in unseren Gefilden zu realisieren benötigt nur einen Bauunternehmer der die Möglichkeit hat, eine Treppe mit 39700 Stufen zu bauen. Jeder Statiker wird jetzt abwinken und jeder Mathematiker wird sagen: dann lauft doch eine Treppe mit 397 Stufen 100x rauf und runter, dann habt ihr es doch schon.

Das dachte sich wohl auch ein gewisser Ulf Kühne der in seiner ursprünglichen Heimat aus dem Küchenfenster sah, die Spitzhaustreppe zwischen idyllischen Weinbergen betrachtete und genau dieses Abenteuer erfand. Und da der Ulf so ein Zahlenjongleur war verlängerte er die Strecke auf ein Maß von gut 84km. Also 84km in der Horizontalen und dabei 8848m in der Vertikalen. Fertig ist der #METM.

2017 hatte ich schon einmal das Vergnügen in einer Dreier Gruppe mit Daniel @endurange und André @andre_No von Twitter diese Besteigung zu wagen. Es war ein tolles Erlebnis, was uns drei mächtig zusammen geschweißt hat.

Wir spielten alle schon mit dem Gedanken der Alleinbesteigung in diesem Jahr, doch hatten wir alle nicht Recht den Mumm es auch durchzuziehen. Wie es aber dann doch passierte ist eine kleine eingeschobene Geschichte wert: Ich weiß es noch genau, das ich auf dem Bett saß und mit dem Laptop spielte und sich das Anmeldefenster zum #METM 2018 erst abends um 22:00 Uhr öffnen würde. Doch um 21:40 Uhr konnte ich warum auch immer schon meinen Namen eintragen. Hm. Ein Klick weiter meine Adresse und weitere Daten. Hmmmmm. “…kann ja nichts schiefgehen” dachte ich mir, ist ja noch nicht 22:00 Uhr. Der nächste Klick dann “VIELEN DANK DAS DU DICH BEIM MT. EVEREST TREPPENMARATHON AM 21.04.2018 ANGEMELDET HAST…” Ach! Du! Sch….e!!! Mir zog es mein Bett unter den Füßen weg und ich meldete mich bei meinen Freunden. Und echte Freunde reagieren selbst in brenzligen Situationen wohl gesonnen und machen genau das Richtige. Keine 10min später waren André und Daniel auch angemeldet….

Die Vorbereitungen gingen ins Land, wir treppten und trainierten hier und dort. André musste auf Grund zu großer beruflicher Belastung leider zurück ziehen, bot sich aber als Supporter an um uns beide den Berg hoch zubringen. Jeder Alleingänger darf und sollte einen Edelhelfer mitbringen, der auf einen Acht gibt, aufpasst das man trinkt und isst, vllt ein bisschen ruht und der Seelenmülleimer sein muss. Meiner war und ist Christian @_Trailtiger, mit dem ich schon häufiger “Blödsinn machen konnte” und den ich bei seinem Versuch des 160km Laufs als Nachtbegleiter unterstützen werde.

Der Tag war gekommen: Christian und ich fuhren am Samstag morgen auf einer mal wieder sehr kurzweiligen Fahrt Richtung Radebeul um unser Camp Bereich herzurichten uns mit vielen alten und ein paar neuen Gesichtern zu treffen und das Briefing um 14:30 Uhr mitzumachen. Nacheinander wurden wir aufgerufen und mussten unsere Teilnahme (oder besser die Vollbeklopptheitsklausel) unterzeichnen und dann ging es um 16:00 Uhr bei traumhaftem Wetter für die Zuschauer los. Die Sonne knallte auf unsere Köpfe, Teile der Strecke waren windstill und der Sandstein der Spitzhaustreppe reflektierte die Wärme wieder nach oben. Meine Überlebenstaktik die ich mir zur Recht gelegt vor Folgende: Ich laufe nicht 100 Runden, sondern ich laufe immer 10 und mache dann eine Pause im Zelt, ich esse und trinke bei jeder Runde etwas um nicht in ein Loch zu fallen und vom unteren Wendepunkt zurück zur ersten Treppenstufe gehe ich anstatt zu laufen so uncool gehen ist. 

Die Sonne bemühte sich leidenschaftlich uns Teilnehmern den Akku so schnell wie möglich zu entleeren. Zum Glück wehte ein angenehmes Lüftchen und mit der Sonnencreme Lichtschutzfaktor 30 sollte auch nicht viel passieren. 

Nach 40 Minuten der erste (unfreiwillige) Boxenstop: durch die Wärme hatte ich in meinen FiveFingers Zehenschuhen so ein feuchtes Klima, das ich Sorge hatte mir schnell Blasen zu laufen.

Mein Edelhelfer Christian zeigte sich beeindruckt von meiner Konstanz. Ich lief immer ähnliche Zeiten. Manchmal hängt man einfach wie 6 LKWs auf der Autobahn hinten dran und kann nicht überholen, weil von oben zu viel Gegenverkehr ist. So schaut man seinem Vordermann oder Frau auf den Allerwertesten oder eben auf die Schuhe. Da ist wirklich alles vertreten: der geneigte Ultraläufer zeigt sich gern mit Hoka OneOne, sehr leichten Schuhen mit übermäßig dicker Sohle. Andere laufen in Salomon Speedcross, die auf harten Boden toll dämpfen, deren Profil nach einem Treppenwettstreit aber wohl glatt sein mögen. Einer lief in weißen Turnschuhen, wohlmöglich aus später DDR Fertigung. Und Kurt Hess, mit 65 Jahren ältester Teilnehmer und Zweitplatzierter über alles (124 Runden in 24h) lief mit zwei unterschiedlichen Schuhen. Er muss es ja wissen…

So verging Runde um Runde, die Sonne ging langsam unter und es kühlte sich auf angenehme Temperaturen ab. Die Nacht sollte trocken und klar werden, war es doch letztes Jahr das Vergnügen teilweise bei Schnee- und Graupelschauern zu laufen. Jetzt sollten also meine Sternstunden kommen. Ralf @ribscher sagte zu mir, wer die Nacht übersteht, hat gute Chancen die 100 Runden voll zu machen. Ich sagte ihm, das ich die Nacht ja lieben würde und er antwortete nur mit einem “wir werden sehen…”. Ich bin schon mehrmals mit dem Trailtiger durch die Nacht gelaufen, habe den #SCHLEM allein in der Nacht bewältigt und freute mich auf dieses Monotone auf und ab in der Nacht. Ich habe mich sogar mehrmals dabei erwischt irgendwelche Lieder zu summen, wenn das passiert ruhe ich in mir.

Über dem Wendepunkt lief eine große Stoppuhr mit dem Countdown zu Sonntag 16:00 Uhr herunter. Das war das einzige, was ich an Zeit wusste. Mir war es schlicht egal, ob es nun 01:45 Uhr, 02:27 Uhr oder wann auch immer war. 10 Runden, dann Pause. Das war der Deal. Die Pausen sahen dann so aus, das Christian genau passend wartete und mich aus dem laufenden Verkehr abholte, mich fragte wie es mir ging und was ich denn gern hätte. Auch da immer das gleiche Prozedere: ich holte mir einen Kaffee, smalltalkte kurz mit den durchweg unglaublich lieben und hilfsbereiten Versorgungshelfern, setzte mich dann ins wohl beheizte Teilnehmerzelt, nahm jeweils 3 Salz- und Magnesiumtabletten, eine herzhafte Brühe mit Nudeln, einen halben Becher Malzbier. Zurück ging es am Versorgungszelt vorbei um noch ein paar Krümel Sandkuchen zu vertilgen. Leider hat meine Pulsuhr mich zweimal im Stich gelassen, aber Ralf sagte mal das dieser Lauf ungefähr 9000-10000 kcal verbraucht (meine Uhr meinte sogar für die gemessene Teilstrecke von 65km sogar 11000 kcal zu bemessen).  Theoretisch könnte man also immer essen. Nur muss es leicht verdaulich sein, Energie bringen und dann auch noch schmecken. Ich habe mich während der 10 Runden immer mal wieder von einer Handvoll salziger Erdnüsse und ein paar Gummibärchen ernährt – man kann das irgendwann nicht mehr sehen. Aber was sein muss, muss sein…

Um die Nacht herum zu bekommen, habe ich mich die ganze Zeit auf das erste Vogelgezwitscher gefreut. Die Piepmätze können gerade im Frühling ja auch laut und nervig sein, aber das ist eine so wunderbare Melodie wenn man irgendwann den Ersten hört. Das ist dann DAS Zeichen, das es bald wieder Tag wird. Und dann war es wirklich soweit: erst Einer, dann viele. Das ist Musik in meinen Ohren gewesen. “Junge noch ´ne halbe Stunde, dann dämmert es (mir).” Und dann ging wirklich am oberen Ende der Spitzhaustreppe wieder das Licht an. Ein so toller Moment…

Viele der TeilnehmerInnen haben nachts auf den super bequemen vom Veranstalter zur Verfügung gestellten Feldbetten mal kurz geschlafen um sich zu erholen. Warum ich das nicht gemacht habe, weiß ich nicht. Irgendwie ging es. Was dieses Mal auch ging war mein Kopf. Der Trailtiger weiß es zu Genüge: wenn ich jammere und hadere bin ich in meinem Element. Diesen Wunsch konnte ich ihm dieses mal nicht erfüllen. Einer der Teilnehmer hüstelte und räusperte sich nachts immer wieder auf Treppe. Normalerweise konzentriere ich mich darauf und finde das irgendwann so nervig das mich alles “ankotzt”. Jetzt aber dachte ich mir nur er macht es ja nicht um mich zu ärgern, sondern weil er ein Problem hat. Ich habe es an einfach als sein persönliches Geräusch wahrgenommen und so wusste ich ob er gerade vor oder hinter mir war.

Als der Tag dann endlich angebrochen war gibt es diesen “lichten” Moment, wo die Straßenbeleuchtung abgeschaltet wird. So etwas kann man dann feiern, wie einen tollen großen Moment und den vollbrachten Beweis, die Nacht überstanden zu haben. 

Man sagt, das man bei Ultraläufen irgendwann nicht mehr denkt, weil es einfach nichts mehr zu denken gibt. Probleme hast du angegangen und entweder eine Lösung gefunden oder halt nicht. Das Gehirn schaltet auf Schongang und so kann ich mich einfach nicht an jede Runde erinnern. Aber es waren immer wieder die tollen Momente die einen gepusht haben: ein Lächeln von den Helfern oder die das Schmunzeln über die eigene Blödheit weil man die in der Hose gebunkerten Erdnüsse bei dem Versuch der Entnahme im Treppe abgehen neben seinen Mund führt und sie kullern zu Boden oder sich mit der Faust so verheddert das man den Taschenbeutel einfach auf links zieht und gar nichts mehr hat. Aber eine Runde später hat man neue Möglichkeiten…

Zum Vormittag gab die Sonne wieder Gas, nur der Wind bleib aus – es wurde merklich wärmer und es sollten laut Wetteraufzeichnung bis zu 24 Grad gewesen sein. Ich war sehr froh über das mitgebrachte weiße Laufshirt und die weiße Mütze, die regelmäßig in das Becken mit den Schwämmen tauchte und mir Kühlung brachte. Irgendein Engel verteilte zwischenzeitlich Eiswürfel. Eiswürfel im Mund und unter der Mütze können ein tolles Gefühl sein…

Als die achtzigste Runde anbrach, kam mir erstmalig das Gefühl auf, dieses Ding wirklich zu rocken, was aber gleichzeitig die Ungeduld heranzieht und mit der Wärme eine gewisse Zähigkeit in den Runden aufkommen lässt, die einen verzweifeln lassen. Es gibt bei Youtube den Filmemacher Billy Yang der mit seiner eindrucksvollen Art Ultraläufe in den USA filmt und selbst läuft. In  seinem Film “The Why” läuft er selbst einen 100 Milen Lauf und sagt bei einer Verpflegungsspause zum Team: “Give me 60 seconds to feel sorry for myself” (16´29″). Dieses Gefühl musste auch bei raus. Ich saß nach 90 Runden in meinem Gartenstuhl, setzte die Brille ab, zog meinen Buff über die Augen und die Tränen kullerten. Eine Runde Selbstmitleid. Der Trailtiger ganz nah, wahrte die Distanz und wartete einfach ab. Nach 90  Sekunden war der Spuk vorbei, ich zog den Buff ab, setzte meine Sonnenbrille wieder auf. Kaffee, Brühe, 3 Salz- und Magnesiumtabletten, ein halber Becher Malzbier und am Versorgungszelt ein paar Kuchenkrümel. Weiter geht es.

Die ersten Läufer kamen mir mit ihren Medaillen und traditionell mit einem Kirschblüten Sträußchen, die sie am unteren Ende von #METM Maskottchen Clara bekommen. Das pusht, das will man auch. Und so wie man diesen Läufern gratuliert und sie abklatscht will man das GENAU SO!! Nur leider ist das Gehirn auf Schongang. Und so habe ich mich mit der letzten Runde vertan und es war meine Vorletzte. Also nochmal alles mobilisieren und die wirklich aller aller allerletzte Runde, die sog. Lächelrunde angehen. Bedanken bei den THWlern die die ganze Nacht aufgepasst haben, bedanken bei Clara, die mir das Sträußchen und die Medaille übergibt. Clara ist übrigens 15 und wohnt mit Ihren Eltern direkt an der Treppe. In den ersten Jahren war sie das Maskottchen in einer Wiege, später dann wohl an der Hand ihre Eltern bei der Medaillenvergabe dabei. Mittlerweile so groß, das sie die Übergabe selbst macht. Viele der Wiederholungstäter kennen sie von klein auf.

Du kommst also mit deiner Medaille die letzten 300 nochwas Stufen hoch, die anderen Teilnehmer gratulieren dir international und oben warten die Zuschauer und deine Freunde und feiern dich. Über die Lautsprecher hörst du Deinen Namen und alle freuen sich. Herz was willst du mehr. Mehr geht wahrscheinlich nicht. Ein unbeschreiblicher Moment. Gut 20h, 39700 Stufen runter, 39700 Stufen hoch, dazu 84km in der Horizontalen. Nicht in Worte zu fassen und wahrscheinlich der Grund für die Wiederholungstäter. Stand heute: ich nicht.

Ich muss mich jetzt erst einmal erholen, Kraft tanken, Emotionen einsortieren und werde wohl noch etwas an Zeit benötigen um dieses Abenteuer zu verarbeiten.

Das hab ich gut gemacht 🙂

 

 

Learning by doing – Der ERWEL

Der Emsradweg ERW ist ein Fernradweg von 375km Länge beginnend in Hövelhof in der Senne und endend in Emden, wo die Ems dann in die Nordsee fließt. 

Was wäre also, wenn man den ERW nicht mit einem Fahrrad und Muskel- oder Elektrokraft sondern per pedes erläuft oder erwandert…?

Wie lange sich diese Idee wohl schon in meinem Kopf aufhält musste ich selbst schmunzelnd erfahren, nachdem ich im Internet gesurft habe und recherchierte, ob es schon jemand vorgemacht hat. Dabei stieß ich in einem Unterpunkt eines Radforums auf einen Eintrag aus dem Jahr 2014, bei dem ein gewisser Chrissi1 genau diese Frage stellte. Spannend las ich seine Beiträge und die etwas misslungenen Antworten der Forumsteilnehmer. Und so langsam graute es mir: Chrissi1 war ich selbst :-). Verdrängt durch Antworten “warum sollte man das tun etc…” betrat ich das Forum nicht mehr und vergaß. Das Internet vergisst allerdings nicht und so weiß ich jetzt das die Idee aus dem Jahr 2014 stammt…

Irgendwann in Frühjahr 2017 grub ich also die Idee wieder aus und plante und formte an den Basics. Große Dinge der Welt brauchen ein Schlagwort oder neudeutsch Hashtag unter dem alles vereint wird. Und so war #ERWEL17 (Ems Rad Weg Etappen Lauf 2017) geboren.

Ich experimentierte zunächst mit dem Equipment welches ich mittlerweile über die Laufjahre zusammen gesammelt hatte. Unter anderem einen 25l Deuter Bike Rucksack mit spezieller Zirkulation im Rückenteil. Gefüllt mit ca. 5kg Gewicht lief ich los. 1,8km! weiter brach ich das Experiment ab.  Ein schmerzendes und brennendes Gefühl machte sich auf den Schulterblättern breit. Der Blick im Spiegel verriet Wundstellen. Krass! Nach nicht mal 2km war mein Rücken k.o. Fein, dachte ich mir: brauche ich wohl einen neuen Rucksack. Nichts ist schöner neues Equipment zu kaufen wenn es einen wirklichen Grund dafür gibt. Später wurde ich bei Salomon mit dem Peak 20 fündig…

Nächster wichtiger Punkt war die Überlegung der Bleibe: Möglichkeit 1 ein Tarp (ein Zelt ohne Boden verspannt zwischen 2 Bäumen oder auf Trailstöcken) oder Möglichkeit 2 ein Bivy (ein wetterfester Schlafsacküberzug). Ich habe mich länger mit der Möglichkeit eines Tarps beschäftigt und in der Folge aus Neugier und Wissenshunger ein Tarp selbst genäht und darunter im Garten übernachtet. Letztlich habe ich mich aber doch aus Gewichtsgründen für ein Bivy von Millet entschieden. Als Isomatte kam nur die Thermarest Zlite in Frage. Unkaputtbar gegen Glut, Dornen etc. hat sie sich bei mir etabliert. Feintuning blieb dann bei den restlichen Sachen wie Pro/contra Kocher, Powerbank, Ersatzklamotten etc. Wer da Fragen hat, kann sich gerne melden…

Meine Ausrüstung komplett inkl. diverser Riegel und 1,5l Wasser lag dann bei 6200gr. Ob das viel oder wenig ist muss ein jeder selbst beurteilen. Leichter geht immer habe ich gelernt. Besonders leicht wird dabei das Portemonnaie.

Und dann kam endlich der Tag der Tage: der Schnupperkurs #ERWEL17 begann. Meine Frau setzte mich nachmittags in Telgte (dem nächsten Punkt der Ems zu unserem Heim) ab. Die Sonne und das Wetter konnten nicht besser sein und so war ich auf mich gestellt. Wow!!! Ich setzte mich erst einmal auf eine Bank, atmete tief durch und sammelte mich. Jetzt sollte es also losgehen! Die ersten Meter wandernd, schaltete ich irgendwann auf Laufschritt um. In Ultralauf Tempo ging es langsam stadtauswärts und ich genoss die Freiheit.

Erstes wirkliches Highlight (so ein “da wollte ich schon immer mal hin!”) war die Kanalüberführung der Ems. Unten Ems, oben drüber im rechten Winkel der Dortmund Ems Kanal. Man kann quasi unter dem Kanal herschauen und die Ems sehen, Wahnsinn dass das immer so geht, hält und funktioniert.

Gegen Abend kam ich dann 26km später in Greven an. Als Unwissender hatte ich mir zu wenig bzw. zu spät Gedanken über meine nächtliche Bleibe gemacht und mehr und mehr übermannte mich die Dunkelheit. Als ich einen tolles Plätzchen gefunden hatte stellte ich fest, das es eine Zufahrt zum örtlichen Golfplatz war. Schmuntzelnd stellte ich mir vor, wie mich morgens ein älterer Herr in Bonbon farbigen Carohosen in seinem Caddy aufgegriffen und mir mit seinem Eisen3 Schläger Beine machen würde. Hier konnte ich also auch nicht bleiben. Letztlich fand ich eine Stelle an einem Maisfeld, halbwegs Sicht geschützt. Aber! neben einem leckeren Apfelbaum. Ich baute mein Nachtlager auf und schlief bald ein. Es war eine unruhige Nacht. Bei jedem Rascheln lauschte ich und wartete darauf ob eine Wildschwein Rotte meinen Weg kreuzen würde…

Ich überlebte. Der Sonnenaufgang war toll und ich kochte mir einen Kaffee auf meinem Esbitkocher. Hmmmm. Die Edelstahltasse war so knall heiß das ich mir gleich mal die Lippen verbrannte. Jetzt war ich wach! Ich packte meine Sachen zusammen und machte mich bald auf den Weg zum erstbesten Supermarkt. Frühstück im Backshop und Getränke bunkern. Dann ging es auch endlich los.

Einen erlebnisreichen Ort erreichte dann mit dem sog. Sachsenhof. Eine Rekonstruktion eines Hofplatzes aus dem 6. – 8. Jhd n. C. mit einem unglaublichen schönen Kräuter- und Nutzpflanzgarten. Hier wächst u.a. Hirse, Linsen, Buchweizen und Emmer. Endlich konnte ich mal die Pflanzen die sehen die teilweise morgens im Müsli habe. Aus Ton gebaute Öfen, Schmiedestellen, Webhäuser uvm. rundeten das Bild ab. Toll!

Auf dem Weg zur nächsten Ort nach Emsdetten durchquerte ich eine wunderschöne zugewachsene Hügellandschaft mit vielen Kiefern. Auf einem Schild war zu lesen, das ich mich auf Binnendünen befände. Sand, die der Wind am Ende der Eiszeit vor ca 10.000 Jahren hier her gepustet hatte, hatte Dünen von bis zu 20m Höhe aufgetürmt. Warum also ans Meer fahren, wenn das Schöne ist so nah. 

In Emsdetten selbst sprach mich eine Frau an, die wohl beobachtete, wie ich etwas hilflos auf mein Telefon starrte. Sie erklärte mir, das ich gerade in Emsdetten wär (aha!) aber viel wichtiger, wo der nächste Supermarkt zum Wasser auffüllen wäre. Sehr freundlich von ihr.

Den Emsradweg Organisatoren muss ich hier einmal ein großes Kompliment machen. Toll ausgeschildert mit einem ineinander verschachtelten “E” kann man sich auf dem Emsradweg auch quasi ohne Karte oder Navi nicht verlaufen. Ich schon! In Träumer Modus hatte ich eine Abbiegung verpasst und war vom Weg abgekommen. Zum Glück gibt es die Karte in Offline Modus als App fürs Handy. Diese hatte ich mir schon vorab runter geladen und konnte den nächsten Wiedereinstieg finden. 

Ich hatte mir in meiner Fantasie ausgemalt, wie ich an der Ems entlang laufe und immer wieder den Fluss sehe. In der Realität ist das (zumindest auf meinem Teilstück) eher weniger der Fall. Man läuft vielfach landwirtschaftliche Wege gesäumt von hoch stehendem Mais und tollen westfälischen Höfen. 

Auf dem Weg nach Rheine fing es dann an zu regnen. Ich schlug mich in einen Wald, schaltete das Handy vom stromsparenden Flugmodus in den normalen Betrieb und schaute in einer Wetter App. 30min. sollte es dauern. Ich setzte mich auf meinen Isomatte und kochte mir einen Tee. Der Becher war heiß, das wusste ich jetzt und so stand der Becher Tee vor mir und kühlte erst mal wieder ab. Tee kochen und dann nicht trinken – kann ich. Und auch über die linke Wade kippen. Autschi…

Ich juckelte weiter. Mal laufend mal marschierend kam ich Reine immer näher. Dort angekommen kaufte ich neues Wasser im DM und zwei ca. 12 Jahre  alte Jungs beobachteten mich, wie ich aus allen möglichen Rucksacköffnungen Flaschen rausholte, umfüllte und mischte. Dann gab es Eis. Eis kann nie schaden, NIE!

Mein Wunschziel innerhalb dieses “Ausflugs” war es die niedersächsische Landesgrenze zu erreichen. Als Zielpunkt setzte ich mir also Salzbergen. Weitere 11km Strecke, würde ich also heute die 50km voll machen… Etwas schlecht in Gänge kommend kam ich an der Klosteranlage Bentlage vorbei. Ich stellte mir vor wie dicke Mönche mir bemitleidenswerten Rastlosen ein Mahl mit Klößen und Braten reichen würden. Ich wartete. Und wartete. Aber nichts. Es kam weder Mönch noch Braten. Statt dessen die Information dass das Kloster ein Kulturportal sei. Mist!!

Auf dem Weg nach Salzbergen haben die findigen Gastronomen immer wieder Schilder aufgestellt: “Hunger? Noch 5,6km bis in unsere gemütliche Altstadt.” Oder “Lust auf Kuchen? Noch 4,2km bis in unsere gemütliche Altstadt”. Das ist eine Frechheit. Wenn man den ganzen Tag von energiereichen Riegel und Iso Getränken lebt ist das Folter pur…

2,7km vor Salzbergen fand ich eine gemauerte Schutzhütte die mein Nachtlager sein sollte. Ich merkte mir die Stelle genau, hier könnte ich bleiben… Weiter Richtung Ortskern kam ich an einem Sole-Pumpenhäuschen vorbei – daher hat Salzbergen wohl seinen Namen. 

Als ich endlich den Ortskern Salzbergen erreichte drückte ich gegen 16:30 Uhr meine Uhr ab; 54km mit 6kg Gepäck. Ich gratulierte mir und suchte mir eine Gastronomie mit Außeneinheit aus um schwer verschwitzt zu rasten. Bei einer großen Spezi und einem kühlen Alster kam die Müdigkeit. Irgendwie war die Luft raus. Ich hatte mein Ziel erreicht! Ich genoss meine Pause und überlegte lange, wo ich denn die nächste Nacht bleiben sollte. Schlussendlich ging ich den direkten Weg zur Schutzhütte zurück und saß da nun rum. Und genau hier wurde mir bewusst, das die Idee einen Emsradweg zu erlaufen keinen Sinn ergibt. Entweder läuft man ca. 4-5h pro Etappe und langweilt sich die restlichen 8h des Tages herum (natürlich kann man sich etwas ansehen oder bummeln, dann sind es noch 6h zur Überbrückung) oder man läuft so wie ich 7,5h, ist abends total alle und hat keine  Kraft für den nächsten Tag. Vielleicht sieht das zu zweit oder in einer Gruppe ganz anders aus, alleine ist das schon sehr speziell. Und man muss Ziele haben ähnlich wie Pilger auf dem Jacobsweg, die am Abend an einer speziellen Bleibe sein wollen. Dort angekommen sind dort andere Pilger und Unterhaltung. Essen, Duschen und Verpflegung.

Ich hatte noch gute 3h bis es dunkel sein würde und so saß ich also in einer gemauerten Schutzhütte darauf wartend das es Dunkel würde. Etwas geknirscht. 

Ich googlete ob es möglich sei, von Salzbergen mit dem Zug nach Hause zu kommen. Bingo: für 14,40 EUR käme ich noch diesen Abend nach Hause. So packte ich all mein Kram wieder zusammen und machte mich auf zum Bahnhof. Müde vom Tag, müde eine andere Bleibe zu finden war ich mit mir im Reinen. Um 22:00 Uhr stand ich unter der besten Dusche seit langem.

Was bleibt ist die stolze Erkenntnis, mal wieder etwas in Angriff genommen zu haben; eine “spinnerte” Idee umzusetzen und viel, sehr viel, zu lernen. Das was ich hier alles aufgesogen habe, kann ich sicher noch mal gebrauchen. Das Equipment habe ich jetzt, wenn ich eine neue Idee bekomme: ich bin dabei. Auch wenn ich mir das Finish zugegebener Weise deutlich glücklicher vorgestellt habe: 82km (26 + 54km) sind eine mega Leistung mit dem ganzen Gepäck. Ich habe tolle Sachen erlebt. 

Und ein Wort an Euch: macht mal was blödsinniges! Seit ein bisschen wie Kinder die vor der Herdplatte stehen und die Mutter sagt “es ist heiß!”. Und trotzdem ist diese Lust da, dieses Verlangen da drauf zu fassen und sich wahrscheinlichst zu verbrennen. Es ist einfach zu viel öder Alltag da draußen. Man muss ja nicht gleich nach Uganda um ein kleines Abenteuer zu erleben. Kommt und gebt eurem Leben einen Spritzer Farbe. Was habt ihr zu verlieren? Im nachhinein werdet Ihr stolz sein auf das Geleistete. So wie ich mit dem ERWEL. Es war spannend und ein bisschen aufregend!

Auf die Plätze, fertig, LEBT!!!!

Nachtrag: 20min später Twitter ich dem @trailrunnersdog: “Jetzt wo ich weiß wie es geht, kann ich jederzeit “ausbrechen” und mir ne 24h Auszeit nehmen”. DAS IST ES WOHL!!!!!

 

Unsinn macht Sinn

Eigentlich wollte ich nur über abschlossene bzw gelaufende WKs bloggen, da ich aber gleichzeitig Chefredakteur und Finanzier bin kann, ich machen was ich will. Zumindest hier. 

Auslöser des neuen Blogeintrags war folgendes: Irgendwann im Frühjahr wollte ich mich mental etwas auf den Mt. Eveest Treppenmarathon #METM vorbereiten und überlegte mir was ich dafur tun könnte. Etwas eintöniges sollte es sein. Und so lief ich die Einfahrt (eines Restbauernhofs, wo wir zur Miete wohnen) auf und ab und nahm noch gleichzeitig die Außentreppe zur Stiege mit. So kamen Runde um Runde zusammen und auch ein paar Stufen. Das schaukelte sich dann so hoch, das entweder eine schöne Rundenzahl oder eine schöne Km Zahl zusammen kam, aber nie irgendwie etwas gleichzeitig. So brach ich dann nach 30 oder 35km ab und witzelte mit den #Allebekoppten vom #Twitterlauftreff über diesen Unsinn. Chefbekloppter Daniel @endurange rief gleichsam den “Schluppes Einfahrt Marathon” #SCHLEM aus.

Alles war vergessen, nur der #SCHLEM nicht…

Da ich mich aktuell auf die “Kölsche Naaachschicht”, einen 75km Nachtlauf rund um Köln vorbereite, bleiben auch längere Strecken nicht aus, nach Möglichkeit unter Realzeiten. Da kam mir wieder dieser #SCHLEM in den Kopf. Ich würde etwas für die mentale Stärke tun, einen langen Lauf haben, mein Equipment testen und die Einladung zu einem Geburtstag nicht ausschlagen müssen.

So machte ich mich Pfingstsonntag abende gegen 21:00 Uhr auf den Weg. Das tolle ist, das jegliche Verpflegung und auch die Toilette greifbar sind, auch frische Anziehsachen, auch Wärmeres, in Reichweite. Das Blöde ist, das man jederzeit reingehen könnte und sich zur Gattin ins Bett legen könnte. 

Aber ich kam gut vorran. Wendepunkte waren ein Holzscheid und eine Kreidemarkierung, die ich nutzte. Ich hatte keine genauen Vorstellungen mehr, wie lang eine Runde ist, doch das Hörbuch “7 Jahre in Tibet” auf dem Ohr bringt Unterhaltung.

10 Runden = 1820m, yeah mein Kopf fing schon mal an zu rechnen, ich kam für einen Marathon auf irgend was jenseits der 200 Runden…

40 Runden, es läuft wie am Schnürchen. Genieße den Sonnenuntergang.

60 Runden, mir wird langweilig

80 Runden, icb besorge mir ein Langarm Shirt und weiter gehts.

100 Runden, sieht toll aus auf der Uhr. Strecke 18,2km. Hm, das ist ja eher “übersichtlich”.

115 Runden, Halbzeit. Ich schreibe kurz Daniel, jetzt gehts nach Hause.

120 Runden. 121 Runden. 122 Runden. 123 Runden. Ich mache mir Deichkind an. Die Musik pusht.

135 Runden, denke über Gott und die Welt nach. Freue mich darüber das ich gesund bin und so einen Blödsinn machen kann. Denke auch an Maty @urbanyogimaty, die sich gerade mit aller Kraft aus ihrem Dreck zieht und an einen Lauffreund von Thomas @running-podcast, den es bei einem medizinischen Routineeingriff ganz schwer getroffen hat und vermutlich nie wieder der sein wird, der er war. Ich werde demütig und dankbar, das es mir so gut geht.

141 Runden, trällere “… der Mond ist aufgegeangen”, mache den Halogen-Hof-Fluter an und markiere die Wendepunkte mit Knicklichtern.

Irgendwann drücke ich die 200ste Runde und muss mir Evanescence aufs Ohr geben. Es ist doof, es ist dunkel, ich will nicht mehr…

Die nächsten Runden quäle ich mich dadurch, um 02:15 Uhr drücke ich die 231ste Runde. Der Marathon ist im Sack, der erste #SCHLEM Geschichte. Ich bin stolz und glücklich, betreibe Nachsorge, dusche und gehe ins Bett.

Was bleibt:

Erst Stunden später wird mir mir, nicht nur durch die Likes auf Twitter und Strava, klar, was ich für einen Blödsinn da gemacht habe. Viel mehr ist mir aber mal wieder bewusst geworden, das es nicht selbstverständlich ist, was wir hier so treiben. Es muss gar nicht Marathon, Ultra, Super oder Duper sein. Der achtsame und dankbare Umgang mit unserem Leben sollte uns viel mehr wert sein. Es ist in keinster Form  selbstverständlich so fit und gesund zu sein. Wir jammern eigentlich viel zu schnell und zu häufig. Ich eingeschlossen… !

UND: wir sollten viel häufiger einmal sog. sinnloses Zeug machen und an uns glauben. Was hätte mir den passieren können wenn ich in der Einfahrt einen DNF erlebt hätte? Nichts, man hat einfach nur seinen Allerwertesten hoch bekommen und es probiert. 

Ich wünsche Euch ein bisschen Mut zu Euren verückten Projekten, gebt Euch einen Ruck! Und seid dankar. Gesundheit ist ein Geschenk, was wir viel zu wenig würdigen und zu schätzen wissen.

Passt auf Euch auf!

 

In eigener Sache

Wer meint das Leben sei langweilig, darf gerne einige Tag zu mir zu Besuch kommen. Hier ist gerade nichts langweilig:

Menschen trennen sich, Menschen verlieben sich, Menschen öffnen sich, Menschen feiern sich, Menschen sterben, Menschen opfern sich, Menschen erkranken, Menschen trauen sich, Menschen haben Ängste, Menschen leben.

Zu all dem könnte ich jetzt en Detail Stellung beziehen, aber ich denke jeder von euch findet in den oben genannten Situationen sich oder andere wieder.

Dieses ist ein kleiner Appell an das Leben. – In meinem Falle hatte ich mir Mitte Dezember 2016 vorgenommen, meinen Mauern und Schutzwälle einzureißen, mich weniger hinter ihnen zu verstecken, das Leben intensiver zu gestalten und mich ein Stück weit zu öffnen. Der Januar war krass und der Februar folgt ihm auf Schritt und Tritt. Es ist nicht immer rosig, antastbarer zu sein. Ja im Laufe eines Tages durchlebe ich aktuell Gefühlsschwankungen der heftigen Art: von Weinen aus Traurigkeit bis Rührung, von Lachen vor Glück, von Wärme aus Liebe und Dankbarkeit. Ich hoffe diese Achterbahnfahrten relativieren sich im Laufe der Zeit wieder. Es ist rasant…

Ich hätte nie gedacht, das ich mich so zeigen kann, offen(er) über meine Gefühle schreibe und spreche aber es ist einfach ein tolles Gefühl so intensiv zu leben. Und ich fordere Euch auf, Euch auch (wenn auch nur ein kleines Stück) zu öffnen. Niemand muss die tiefsten Ängste und Nöte, jegliche Empfindungen über die social media Kanäle blasen. Die gehören da eh nicht hin. Die gehören endlich mal! real gesagt am Küchentisch, bei einem Kaffee oder auf einer Parkbank in der Sonne.

Wenn Ihr jetzt einen Schritt auf die Menschen zu macht, werdet ihr feststellen, das es dort draußen so viele gibt nur darauf warten das man sich zeigt. Sie kommen hinter ihren Mauern hervor und leuchten und strahlen, eventuell auch nur für einen Augenblick. Das ist dann das Glück was man spürt. Und wenn es nur die dankbare Oma, die gestresste Kassiererin, die Büroreinigungskraft ist… Wenn man den Menschen achtsam begegnet, mit Respekt, nachfragt und lauscht, wenn man sie einfach nur ehrlich anlächelt wird man fantastische Sachen erleben. Nur zu, es gar nicht so schwer!

In diesem Sinne, geht raus und macht die Welt ein klitzeklitzekleines Stückchen besser. Vielleicht steckt ihr damit sogar jemanden an!

Danke für Eure Zeit

 

 

Rodgau, mein Rodgau

Es war also mal wieder so weit. Dieses ominöse Rodgau stand auf dem Plan. Vor einem Jahr habe ich dort meine Ultrapremiere erlebt, bin das Erste Mal überhaupt weiter als die Marathondistanz gelaufen. Der Hammer. Was war ich stolz…

Und diese Jahr? Abermals durch einen Rundkurs quälen? Hallo? Bestimmt nicht. Also schmiedete ich einen grandiosen Plan: Ich beschloss einfach nur Fan vom #Twitterlauftreff zu sein. Anzufeuern, motivieren und vielleicht die letzte Runde mit jemanden gemeinsam zu laufen der sich gerade quält. So der Plan…

Es kam wie eigentlich immer bei meinen Plänen etwas anders. Tage zu vor hatte mich Nina @la_loupina gefragt ob ich mit ihr 3 oder mehr Runden in ihrem noch postoperativen Bummeltempo laufen wolle. Das konnte ich natürlich nicht ausschlagen. Also kamen die Laufsachen doch ins Auto…

Frederic @lexusburn, Thomas @running_podcast und ich trafen uns Freitag Nachmittag und fuhren zuerst zu Freunden, eine 1/2h entfernt von Rodgau, um dort unser Nachtlager aufzuschlagen und dann weiter zur #Twitterlauftreff Pastaparty die Michael @MagicMike2311 wieder dankenswerter Weise organisierte. Zu 25 Leuten, alle bestens gelaunt und Vorfreude auf den Lauftag genossen wir das, was die Speisekarte hergab. Ein toller Abend mit vielen klasse Personen, teilweise unbekannt, doch überwiegend persönlich bekannt war es ein großes Hallo…

Der Morgen begrüßte uns in Frederics Auto mit fröhlichen -8,5 Grad. Au Backe!! das konnte heiter werden. Wir fuhren also los, parkten, ich zog mit meinem extra für diese Veranstaltung gekauften Pavillion los, um ein standesgemäßes Headquarter zu errichten. Frederic und Thomas besorgten mir meine Startnummer. Zwischenzeitlich ergaben sich immer wieder neue Konstellationen mit wem ich den laufen oder gehen könnte. Frederic und ich witzelten, das wir eigentlich 15 Runden benötigen würden, um allen Gerecht zu werden.

Punkt 10:00 Uhr ertönte die Startfanfare und ca. 1000 stark vermummte Ultrabekloppte zogen von dannen. Einer der Letzten war Sven @svnkswttr, der sich einige Tage vor Rodgau so verletzte, das er nicht laufen konnte. Aber doch gehen. So gingen Johannes @werwolftamer, Karo, die Freundin vom @_ Trailtiger, Sven und ich die erste Runde. Er genoss es. Wir genossen es.

Toll!

Nach 2,5km wurden wir von den ersten Führenden überrundet. Unfassbar wie schnell ( wie langsam wir) die waren. Gegen Ende unserer ersten Runde fegte auch Isabell @laufspatz an uns vorbei. Ich hatte mir ihr vorab gesprochen das auch wir eine Runde laufen wollten. Also schmiss ich Jacke und Handschuh davon und ballerte mit Isabell durch Runde 2.

Toll!!

An unserem Headquarter angekommen traf ich weitere laufverrückte Nichtmitläufer tratschte, quatsche und jubelte zu.

Und dann zog Nina @la_loupina, gebeutelt von Ihrer noch fast frischen OP an uns vorbei. Und ich hing mich dran. Deutlich langsamer und entspannter ließen wir uns treiben und redeten über Dinge 😉 Es war eine schöne Runde, hatte ich Nina doch quasi genau vor einem Jahr auf dieser Strecke kennen und schätzen gelernt.

Toll!!!

Ich wartete wieder und traf mich derweil mit Katrin @katitria, die leider Bronchitis geschwächt auch nicht mitlaufen konnte aber ihren Freund Holger @runfirefight auf der Strecke zujubelte. Naja. Als Holger so daher kam, merkte man ihm schon an, dass das heute kein Spaß für ihn war. Also hing ich mich an ihn dran und lief mit ihm seine letzte Runde (30k) und lenkte ein wenig ab. Wir redeten über Männerspielzeuge in allen Größen und Facetten.

Toll!!!!

Ich kehrte abermals ins Headquarter. Und kaum später zogen Bert @trailgrip und Isabell im Schlepptau vorbei. Isabell deutlich unentspannter als in Runde 2, Bert immer noch das blühende Leben. Ich vereinbarte kurzer Hand, ihre letzte Runde mit zu laufen und sie ins Ziel zu begleiten. Was eine Runde später dann passierte war der Kracher: wie konnte Isabell noch so schnell laufen, so fit und brutal zu sich selbst sein und ein Tempo angehen, wo mir das Reden schwer viel. Wir ballerten wie die Wahnsinnigen durch ihre letzte Runde und Isabell war in 04:20:26 im Ziel, was ihr ein Podiumsplatz in ihrer Altersklasse einbrachte. Ihr brachte ihr noch Tee als der Christian @_trailtiger an uns vorbei lief, mit dem ich ja auch eigentlich laufen wollte.

Puh, nicht mehr so toll!!!!

Aber was soll´s, Christian war noch ein paar Sekunden schneller als Isabell unterwegs und an reden war schon lange nicht mehr zu denken. Ich wollte ihm doch Gesellschaft leisten, statt dessen zog er mich fast mehr durch die Runde, Heidewitzka, war das kein Spaß. Aber wir fegten durch die Wälder und wir liefen gemeinsam in sein Ziel. Ganz schön hart.

Puh, nicht mehr toll! Wirklich!!!! Was die für Tempo können. Respekt!

Abermals am Headquarter angekommen passierte Unglaubliches: Nina immer noch unterwegs war in ihrer neunten Runde. Sollte Sie diese Runde wirklich noch vor Zielschluss nach 6 Stunden schaffen, wäre sie weiter in der Wertung und dürfte ihre letzte Runde auch noch laufen. Also hing ich mich an sie und gab mein möglichstes sie davon zu überzeugen, wie herrlich sinnfrei ihr Tun sei und das es eine große Ehre wäre, unter der Cutoff Zeit das Ziel zu erreichen. Wir schwiegen. Gaben uns die Hand. Nina biss und kämpfte. Aber sie schaffte es und kam 15min vor Cut off rein und ihre Familie geleitete sie auf ihre letzte Runde.

Unglaublich Toll!!!!

Ich drückte also meine Uhr, mit dem ganzen Hin und Her kam ich auf 37 glückselige Km. Ich habe heute so viele Menschen glücklich gesehen, Menschen die gekämpft haben, Menschen deren Augen leuchteten. Das wird mir noch lange in Erinnerung bleiben. Und nicht zuletzt die unfassbar gute Zeit von Thomas mit 04h41 (-13Minuten zum letzten Jahr) und Frederics klasse 35 km nach so viel Verletzungspech. Das Ultra Debut von Svens Freudin Elli @lauf_lou unter 6 Stunden, der brutal starke Wille von Nina und der grandiose Podiumsplatz von Isabell.

Man muss nicht Ultra laufen um Ultra glücklich zu sein. Heute war ich es. Ein grandioser Tag! Danke und Chapeau Euch Allen!!!

 

 

Gewagt! Gewonnen!

Heute soll es um ein besonderes Laufabenteuer gehen, in der ich eigentlich nur die Nebenrolle bin. Trotzdem hat mich die ganze Sache so begeistert und gekickt das ich sie hier erzählen möchte.

Ich bin als Schluppenchris der Marke Luna Sandals ja schon irgendwie verbunden und so bekomme ich (vielleicht eher oder besonders) mit, wenn sich etwas Tolles um diese Sandalen entwickelt. So geschehen in den letzten Tagen:

Es gäbe da einen Typen, der sich als Ziel gesetzt hat, vom Nordkap bis nach Gibraltar in Schluppen zu laufen. Und dieser Kerl würde in geraumer Zeit deutschen Boden betreten, nachdem er durch Schweden und Dänemark gelaufen wäre. Bitte was???? Krank. Aber auch irgendwie interessant.

So habe ich mich ein wenig informiert und konnte via Live Tracking System immer wieder online verfolgen, wo sich dieser Aleks, so sein Name, gerade befände.

Es formierte sich schnell eine deutsche hilfsbereite Gruppe, die online versucht(e) Aleks den Weg durch Deutschland ein wenig einfacher zu machen. Als dann klar war, das seine Rute quasi meine Heimatregion kreuzte, war ich noch mehr Feuer und Flamme, ihn irgendwie zu supporten. Aleks´ “hochwissenschaftliche” einseitige handgeschriebene Dissertation besagte, an welchen Tag er (wohlmöglich) bei mir sein würde.

So nahm ich dann via Twitter mit ihm Kontakt auf und bot an, ihn in der Nacht vom 01.12. 16 auf 02.12.16 bei mir übernachten zu lassen. Das war vorab häuslich besprochen und für gut befunden worden.

Ich traf mich also mit Hilfe des Trackers am 01.12. abends um 19.00 Uhr in einem örtlichen Schnellimbiss mit einem Typen, von dem ich nur seinen Namen kannte. Dort saß in einer Ecke Aleks Kashefi, Strom für sein Handy abzapfend und wartend.

Wir begrüßten uns kurz und etwas distanziert, luden sein Transportgefährt (einen dreirädrigen Kinderwagen in mein Auto) und fuhren los zu mir nach Hause. Schon unterwegs war das Eis gebrochen. Auf der etwa 30 minütigen Fahrt, scherzten und lachten wir und ich versuchte mit meinem Schulenglisch alles zu geben. Laufen und Bier sind Themen die Männer zusammen bringen.

Aleks erzählte mir, das er einen iranischen Vater und eine polnische Mutter habe und in England geboren sei, 37 Jahre jung unverheiratet und kinderlos. In seinem Kinderwagen seien Schlafsack, Isomatte, Zelt, Lebensmittel, Wechselzeug usw. Wir beschnupperten uns wortwörtlich. Wer jeden Tag an die 40km läuft und nicht das Glück hat irgendwo unterzukommen, schläft in seinen muffeligen Laufsportsachen in einem Zelt im Wald, riecht nicht unbedingt wie der frische Morgentau und war schon länger nicht mehr Besucher einer Dusche. Kein Problem. Dann ist das so.

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Zu Hause angekommen, nahm Aleks erstmal eine warme Dusche und genoss in vollen Zügen, den Rotz der Straße von sich abzuspülen. Dann saßen meine Frau, Aleks und ich lange Zeit in der Küche und hatten unseren Spaß. Er erzählte von seinem Interview mit einem lokalen Radiosender am Vormittag und man merkte, wie unwohl er sich in dieser Rolle fühlen musste. Wir aber witzelten herum, lachten und ließen ihn die Kicktipp Fußballtipps für das folgende Wochenende tippen. Ohne das er jemals auch nur von “What is it? Offeneim?” oder Mönchenglädbäck gehört hatte. Bayern München war im ein Begriff, von “Läibsig” hatte er noch nicht gehört.

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Mir vielen seine wirklich schönen Tattoos am Unterarm auf und Aleks erläuterte, das die zackelige Linie seine erste Durchquerung durch England von Süd nach Nord gewesen sei. Die einzelnen größeren Kreise auf der Linie waren besondere Erlebnisse die er durchlebt hatte. Crazy!

Uns überkam irgendwann die Müdigkeit und so gingen wir alle zu Bett. Wir hatten Aleks eine Gästematratze im Wohnzimmer aufgebaut.

Am nächsten Morgen frühstückten Aleks und ich gemeinsam german dark bread und er bemerkte that it´s looks a bit like “Pompanickel”. Großartig! Unsere gute Laune vom Vorabend war immer noch da und wir hatten unseren Spaß. Ich packte ihm noch selbstgebackene Kekse sein, die, wie er mich Stunden später wissen ließ, samt Kaffee in seinem Bauch verschwunden waren.

Wir fuhren wieder zu seiner Ausgangsposition, luden sein “Kindawahgen” aus, lachten und umarmten uns zum Abschied und ich wünschte ihm alles Glück!

Und die Moral von der Geschicht´? Manchmal muss man mal etwas wagen, etwas tun, was vielleicht ungewöhnlich erscheinen mag. Es kann in die Hose gehen und man verwünscht seine Idee. In diesem Falle hat ein mir unbekannter Mensch so viel Wärme und Freundlichkeit, Höflichkeit und Witz und Spaß in mein Leben gebracht, das ich noch lange an diesen Typen zurück denken werde. Gewagt! Gewonnen!

Thank a million Aleks, it was a pleasure to meet someone like you! And now i knew some tricks for positive thinking. Even when it is just raining…

Aleks blogpage for following or support

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Aus! Aus! Aus! Der ZUT ist aus!!

Sich im Kopf von etwas zu lösen ist meist leichter als es zu verkünden. Und so sitze ich jetzt doch hier mit einem Kloß im Hals und versuche zu schreiben bzw. zu verarbeiten was eben noch so klar schien.

Am 24.04. habe ich erfolgreich meinen dritten Hermannslauf bestritten, mir allerdings bei km 20 von 31 den linken Fuß lädiert. Umkehren ging nicht, Aussteigen auch nicht. Also bin ich irgendwie ins Ziel geeiert und deprimiert mit Finishermedaille um den Hals Richtung Auto gehumpelt. Was genau der Auslöser war, kann ich im Nachhinein nicht sagen. Fakt ist nur der Hermann hat keine Schuld. Den werde wieder laufen. Ich glaube eher, das ich mir 4 Tage zuvor beim Treppentraining im lokalen Stadion eine Reizung unter dem linken Fuß an einer Sehne zugezogen habe und diese dann mit Voltaren im Zuge froher Wettkampfstimmung weggelächelt habe. Das ist also die Quittung!

Seit dem sind drei Wochen vergangen.

In der ersten Woche habe ich mich mit Dr. Google versucht, allerhand Homöopathisches genommen, Eisflaschen gerollt, Igelbälle gequält und meine Frau mit dem herum liegenden Krempel in den Wahnsinn getrieben.

In der zweiten Woche habe ich mich mit Prof. Google versucht, allerhand Chemisches genommen, Eisflaschen gerollt, mir eine Massagekiste mit Schotter gebaut und meine Frau mit den herum liegenden Steinchen in den Wahnsinn getrieben. Am Donnerstag dann der Einbruch. Es war der tiefste und schwärzeste Tag. Der physische Schmerz hatte sich tief in meinen Kopf eingenistet, die Gewaltherrschaft übernommen und mich zu einem mentalen Wrack werden lassen. Ja, ich würde sterben…

Zu Beginn der dritten Woche ließ Gevatter Tod weiter auf sich warten und ich so beschritt neue Wege. Ich grübelte. War es nicht dieser glücklich machende und friedliche Zustand im Kopf weswegen ich lief? Warum ich mich der Gewerkschaft #twitterlauftreff angeschlossen hatte und für eine bessere Welt kämpfte? Ich musste also beim Glücklich werden ansetzen und fand mich einen Morgen auf meiner Jogamatte wieder, aufrecht sitzend und konzentrierte mich auf meinen Atmen. Einmal-  zweimal-  dreimal. Dann nervte dieses bebend laute Tick Tack der Küchenuhr meine Sitzung. Ich war schon drauf und dran dieses Ding ruhig zu stellen. Aber Ich probierte weiter die Kunst des Nicht Denkens weiter. Manchmal erschruck ich weil ich dachte, das ich gerade nicht gedacht hätte. Ein holpriger Weg. Fast ein geistiger Traillauf. Nicht vom Weg abkommen, fokussiert sein auf das geistige Ziel die Entspannung zu finden. Nicht leicht für einen der  sich nicht immer so unter Kontrolle hat wie Bundeskanzlerin.

Mittlerweile habe ich die Muße gefunden, mich morgens eine halbe Stunde auf meine Matte zu setzen und mich auf meine Atmung zu konzentrieren. Mal schweife ich ab, mal denke ich über den Tag nach oder auch übers Laufen. Ich habe sogar probiert mich von außen zu beobachten. Sehr spannend…

Bei dieser ganzen “Nicht Denkerei” bin ich zur Einsicht gekommen meinen Zugspitz Ultra Trail ZUT über 39km DIESES JAHR sausen zu lassen. Ich löste mich von dem Gedanken und es fühlte sich irgendwie sogar gut an. Es nützt keinem und schon gar nicht mir halb fit den ZUT zu versuchen mich ggf. wieder oder noch mehr zu ruinieren. Mein Mantra in dieser Zeit kommt von meinem lieben TRRCRW Crewfreund Thomas der @lennetaler: “Geduld ist der schärfste Zahn des Tigers.” Da ist leider etwas wahres dran!

So gibt es ein paar Sachen über die ich mir auf meiner Matte im Klaren geworden bin:

  • ich bin doch noch jung, laufe ich das Ding halt das nächste Jahr
  • ich kann geduldig, was ich nie von mir gedacht hätte
  • ich kann tatsächlich eine 1/2 Std auf einer Matte hocken und entspannen
  • ein DNS ist das bessere DNF
  • ein DNS nimmt mächtig viel negativen Druck aus dem Rekonvaleszenzkessel
Ob ich diese Art der Entspannung weiter verfolge, wohlmöglich sogar vertiefe und etwas als einen Teil der zu mir oder zu meinem Tagesablauf dazu gehört weiß ich nicht. Was ich aber weiß ist die Tatsache, das mir mein ruinierter Fuß etwas Neues positives gebracht hat: 30Minuten morgendlicher Frieden auf meiner Matte. Und das ist doch nicht zu unterschätzen.
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P.S.
Wenn ich dieses Esoterikgequatsche einmal ausschalte, tut es mir echt! Leid um dieses Abenteuer. Katrin @katitria und Stephan @Rennmps, ich hätte Euch soo gerne endlich persönlich kennengelernt. Ich hätte die Berge wieder gesehen und hätte eine klasse Zeit gehabt. Wäre stolz wie Bolle nach Hause gekommen und meine Medaille wahrscheinlich eine Woche getragen. Aber et is wie et is…
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Und da ist er wieder der Kloß im Hals….

Hommage an Euch

Noch vor 3 Jahren war ich ein einsamer Werwolf, ein lonesome Cowboy. Ein einsamer Krieger in dieser läuferischen Welt. Mein damaliger einziger Laufkumpel hatte sich in einer alkoholseligen Nacht dermaßen auf die Schulter fallen lassen, das Laufen plötzlich nicht mehr in seinem Mittelpunkt stand. Also war ich allein. So manchen Wettkampf hatte ich angegangen, doch wusste ich nicht ob der Möglichkeiten, die das (Lauf-) Leben wirklich bunter machen könnte.

Doch dann habe ich von dieser verbotenen Twitterfrucht genascht. Erste sinnleere Tweets in die Welt gesendet und mich dem Sog der Twitterdroge hingegeben. Was solls… Mehr und mehr fand ich Follower die augenscheinlich auch gerne die Laufschuhe schnüren und sich über dieses Medium austauschen. Nicht nur Laufen stand und steht im Mittelpunkt. Tagtägliche Dabatten über Gesundheit, Technik und Lebensfreude finden sich dort. Ich wurde nach und nach Teil dieses Twitterlauftreffs, bei seinen Jüngern und Vertrauten eingeführt und aufgenommen, etablierte und platzierte Meinungen, war dankbar für jeden Tipp.

Heute bin ich Mitglied in der geilsten Laufcrew, der TwittRunnerRuhr TRRCRW, habe bei Twitter viele Gleichgesinnte und noch viel Wahnsinnigere in der Timeline,  freue mich über die ganzen Verrückten dort. Zwischen Bildern von Böden diverser Wartezimmer und Läufen über ganze Inseln bin ich wortwörtlich gelandet. Aber eines der besonderen Merkmale dieser Menschen ist der Respekt vor der erbrachten Leistung des anderen und sich selbst. JedeR feiert JedeN, alle freuen sich wenn die persönliche Bestleistung verbessert wird, Schmerz und Leid wird geteilt, Ratschläge und Tipps getauscht. KeineR wird auch nur ein bisschen abfällig behandelt. Eine wunderbare Interessensgemeinschaft.

Aus wagen Bekanntschaften über 140 Zeichen, bin ich bei so manchem hinaus. Freue mich wirklich die Menschen hinter den Nicknames persönlich kennen zu lernen oder zu kennen. Bei einigen ist man dicker, bei anderen nicht. So what… Aber alle teilen diese sportliche Leidenschaft, die Jagd nach PBs und Medaillen, den Kick etwas neues zu erleben.

Natürlich können diese Menschen nicht Beziehungen zu Freunden und Familien ersetzen, können nicht wirklich auffangen wenn man fällt. Und doch kann man seinen persönlichen Frust hinaus in die Welt blasen, man bekommt Zustimmung oder halt nicht. Professionelle Therapie geht nicht in 140 Zeichen.

Und eines verrate ich noch:  Vor dieser Zeit wäre ich wohl deutlich schwerer im Stande gewesen, mir quasi unbekannte Menschen zu herzen, umarmend zu begrüßen oder Glück zu wünschen. Mich mit Ihnen wirklich zu freuen oder mich mit ihnen zu ärgern. Ich habe mich wohl ein Stück weit geöffnet. Und es tat gar nicht weh…

Ach Ihr Twitterer, ihr seit mir ans Herz gewachsen. Gerne laufe ich noch den einen oder anderen Wettkampf mit Euch, mache #allebekloppt -heiten mit und freue mich schon auf ein Wiedersehen. Real oder elektronisch!!!

Das musste einfach mal gesagt werden 🙂

Die Sache mit der Uhr

Ja, ich hatte es angekündigt: sollte der Berlin Marathon 2015 halbwegs zu meiner Zufriedenheit ablaufen, würde ich meine Pulsuhr an den Nagel hängen und (wieder) nach gesundem Menschenverstand laufen. GESUNDER MENSCHE … WAS?

Genau! Gesunder Menschenverstand, Intuition, Bauchgefühl, what ever! Den Versuch wagen einfach zu laufen. Auf das Herz und das Gefühl zu hören!

Der BM15 fand ja bekanntlich ohne mich statt und so bleibt die Frage, die ich mir seit meinem Verletzungspech am 17. Sep. 2015 stelle: Wie geht es nun weiter, wie ist der Plan, mit Uhr, ohne Uhr?

Auf diese Frage hatte ich bis dato keine wirklich Antwort gefunden, bin hin- und hergerissen von neuer Freiheit und technologisierter Abgeschnittenheit. Schon der Gedanke daran, wie ich es meinen aktuell vier Analyzesoftwares (Jogmap, Runalyze, TomTom MySports und Vicsystem) mitteilen soll, (ein fröhliches “Gut, das Sie mal wieder etwas für sich getan haben!” oder der sachlich bürokratische Trendchart) das ich wohlmöglich ohne sie laufen gehen werde. Mir graut es. Traurige Programmieraugen werden mich anscheuen und mich via Email kontaktieren: ” Wir vermissen Sie Schluppenchris – 10€ für Sie!”

Getreu meinem blogschen Motto “von der Kunst es anders zu machen” sollte ich den Schritt wagen. Was habe ich zu denn verlieren? Wo soll die Reise hingehen? Werde ich vielleicht sogar besser ohne Uhr, entspannter, lockerer (longjogs without a limit)?

Einen ganz intensiven Impuls diese Frage aufs Neue anzugehen gibt mir mein zuletzt gelesendes Buch “42195” von Matthias Politycki (s. a. Bücherregal) in seinem Kapitel KM17. Der Autor zeigt mit dem Finger auf die Situation, mit der ich mich beschäftige: Trainingspläne legen sich wie ein Korsett um den Alltag des Läufers. Immer neue Pulsuhren, mit jüngst integrierten Activity Trackern, geißeln und kontrollieren immerwährend die Lebenszyklen. Jeder Uhrenhersteller programmiert eine angeblich global gültige strengst geheime Weltformel in seine jeweiligen Topmodelle um zu sagen, was das Beste für den Läufer ist. Krass!!! Selbst wenn nicht trainiert wird, wird überwacht, sollen Tage oder Stunden bis zur nächsten harten Einheit ausharrt werden. Polityckis entscheidener Punkt: … ohne das die Uhr auch nur ansatzweise etwas von Bodenbeschaffenheiten, Klima oder Gemütszustand weiß!

Ja, auch ich bin technikaffin. Auch nur ein Mann. Liebe Statistiken und Auswertungen, Rankings, Km Spielereien. Doch letztendlich stellt sich doch die Frage: Was soll das Ganze? War es nicht wundervoll einfach zu laufen? Schuhe (Verzeihung: Schluppen) an und los? Führt doch das Nicht Einhalten der Trainingsvorgabe doch gleich zu schlechter Laune, beginnt das innere Machtspiel es beim nächsten Mal besser zu machen. Um.. Ja, um was genau??? Sich besser zu fühlen? Anerkennung von der Laufclique zu bekommen? Sternchen in der Social Media Welt einzuheimsen?

Sucht nicht jeder von uns im tiefsten Inneren den Frieden, den Punkt und das Zentrum der Ruhe, der Ausgeglichenheit, quasi das läuferische Nirvana? Der einzige Mensch mit dem ich mich messen muss, messen sollte, bin ich selbst. Alles andere hat doch zu viele Faktoren, die jenseits dessen sind, objektive Vergleiche anzustellen. Und das wird wohl auch so bleiben, da ich aktuell nicht im WM Kader aufgeführt bin und mich messen muss.

Genau in diesem Punkt bin ich mir jetzt im Klaren, sozusagen im Reinen darüber, das ich mich lösen sollte von den/m ewigen Drücken einer Pulsuhr. Ich lasse mein Herz und mein Bauch entscheiden, was gut für mich ist. Dieses abtrainierte Gefühl werde ich jetzt wieder häufiger in meinen Laufplan einfließen lassen. Meine Gefühlsmuskel mobilisieren und trainieren. Auch das wird dauern. Wie jeder Muskel. Und einfach laufen gehen. So wie es früher war. “JUST RUN“.

 


Epilog: Minuten nach Herunterschreiben fühle ich mich befreit. Die Antwort auf die Frage, wie es nun weiter geht, scheint beantwortet. Zufrieden warte ich jetzt auf einen Rückfall. Der wird kommen. Bestimmt. Hoffentlich habe ich dann diesen Text präsent!