Mein Kopf ist voll mit Emotionen, Bildern, Adrenalin und ich liege wach. Nicht zuletzt als Memo und Ventil dient dieser Blog.
Wo fängt also diese Operation Wolfgangseelauf genau an? Und was ist genau der Wolfgangseelauf?
Ich lasse nach spontaner Buchung einer Ferienwohnung im Salzkammergut via Twitter Direktnachrichten bei meinen österreichischen Lauffreunden durchsickern, das ich in ihrem Land bin und prompt meldet sich der Gunter @GUracell, das ich ja mit ihm einmal Intervalle laufen könnte oder noch vielleicht besser einmal um den Wolfgangsse, bei dem er gemeldet sei. Er macht mir da schon den Mund wässrig, wie toll dieser 27km lange Lauf wäre.
Nach Rücksprache mit meiner Frau (Danke dafür 🙂 )melde auch ich mich an. Was soll schon sein: 27km um den See. Klingt flach und schön.
Die Tage gehen ins Land und wir fahren endlich Richtung Salzkammergut. Die vermutlich ultimativ beste Woche dieses Herbstes erwischen wir und es strahlt uns die Sonne die ganze Zeit über fröhlich an. Der goldene Herbst, dieses kitschig romantisch daher Gesagte, wird hier Wirklichkeit. Der blaue Himmel und die Berge, die Seen und die Eindrücke machen diese Woche zu etwas ganz besonderem.
Am Donnerstag laufe ich morgens um 6 Uhr mit Stirnlampe und elektronischen Track auf dem Handy los und erkunde unsere Gegend. Steil und verwurzelt geht es einen Kamm hoch bis auf 1350m. Mit Gipfelkreuz. “Mein” Gipfelkreuz. Auf der anderen Seite geht es die steileren und losen Geröllmassen wieder ins Tal. Welch ein Abenteuer. Später am Tag lese ich über diese Strecke in einem Guide: Ideal für Kinder…
Am Samstag treffen wir uns noch mit Chrstian @alpinextreme und seiner Frau Babsi @running_kitty im Kaffee Klimt am Attersee. Dort hat der berühmte Maler das Bild “der Kuss” gestaltet, werden wir aufgeklärt. Wir genießen die Stunden, lachen viel und meine persönliche Pastaparty ist ein Teller Kaiserschmarrn, den ich nur mit Hilfe meiner Frau auf bekomme. Christian brieft mich noch bezüglich Wolfgangseelauf: Es ginge durch den Ort, nach ca. 3km dann den steilen Falkenstein hoch. Steil denke ich – wenn man so wie er 1h 45min für die 27km benötigt, dann wird der Falkenstein steil sein. Naja… Auf der anderen Seit dann wieder runter, um dann die restlichen 21 malerischen Km zu nehmen. Ich bin sehr gespannt!
Sonntag morgen das übliche Race Prozedere, treffen wir uns dann etwas zu früh mit Gunter in St. Wolfgang. Er ist in der Tat alter Fuchs und erklärt uns vieles über den Ort und mir insbesondere über den Lauf. Bei noch kühlen 7 Grad warten wir an einem Fleckchen in der Sonne, das es losgeht. Er erklärt: Wenn die ersten Männer und Frauen den Falkenstein oben erreicht haben, ertönen Böllerschüsse, das ist so in der 46 Jahre dauernden Veranstaltung so entstanden.
Wir laufen uns warm, Gunter zeigt mir ein paar Ecken vom Ort und es geht eine Rampe zum See runter. Ich höre ihn sagen: so ist der Falkenstein, vielleicht noch steiler. Ich stutze. Kann ja nicht, ist ja ein Lauf um den See…
10:34Uhr – mein Block startet und wir laufen durch den Ort. Vorgenommenes Zeitziel zwischen 2h 15min und 2h 30min. Im Nachhinein so naiv eine Zeitvorgabe aufzustellen die auf der flachen Straße funktioniert. Blauäuig, aber so lernt man nie aus…
Ich lasse den 02:29:59 Pacemaker noch im Ort hinter mir und kurz vor dem Falkenstein höre ich die Böllerschüsse. Die scheinen noch gar nicht so weit gekommen zu sein. Ein Witz!!! Denn was jetzt kommt lässt jeden gut trainierten Hermannslauf Routinier erschaudern: es geht ca 1,5km einfach bergauf, wie eine Wand. Schnell komme ich ins gehen, will nicht überpacen. Die Schuhe rutschen durch, um mich herum wird geschnauft. Es wird stiller unter uns. Am Ende sehe endlich das Flachstück, da ist also oben.
Falsch! Da ist die Kehrtwende hoch, jetzt geht es richtig “zünftig” zu. Das ist wirklich beeindruckend, was dort abgeht. Wir quälen uns stillschweigend hoch und irgendwann oben angekommen geht es auf der anderen Seite genauso wieder herunter. Menschen rasen an mir vorbei, meist deutlichst unerfahrene Trailläufer die ohne Sinn und Verstand auf dem Laub den Berg runter laufen ohne zu wissen was unter ihnen ist. Ich halte mich bedeckt, jetzt nichts riskieren. Die Bergwacht an disponierten Stellen wartend, fängt dort so manchen auf, der doch den Schotter geküsst hat.
Unten wieder angekommen sehe ich die Markierung 6km. Jetzt beginnt der restliche Halbmarathon. Ich versuche meinen Puls und meine Oberschenkel wieder in den Griff zu bekommen. Die Strecke führt teilweise direkt am See entlang, so schön, so malerisch. es ist wirklich ein wunderschöner Lauf. Du kannst schauen und du findest immer wieder neue Eindrücke. Einheimische klatschen, Asiaten filmen… Alles wie immer!
Ungefähr bei km 13 überholt mich der zweieinhalb Stunden Pacemaker wieder mit seinem laufenden Anhang. Ich muss ihn ziehen lassen, kann das Tempo nicht halten. Da geht sie hin meine Mindestzeit, ich komme also noch langsamer ins Ziel als ich wollte.
Aber irgendwie reiße ich mich zusammen: dem See kaum Blicke schuldend, hänge ich mich an andere Läufer und Läuferinnen die etwas schneller sind als ich und so kann ich wieder langsam zum Pacemaker aufschließen. An den VPs stoppe ich jetzt immer kurz, ich halte es für besser: gescheit Wasser oder Iso aufzunehmen als es schwappend in mein Gesicht zu kippen. Wieder ist der Pacer weiter weg. Mich überholen zwei Jungs mit “Transalpin2017” TShirts. Wenn die es nicht können, dann keiner denke ich mir und hänge mich dran. Und wirklich: bei km 22 bin ich wieder dran. Mein Tempo und meine Atmung haben sich stabilisiert, die Pace ist gerade richtig angenehm. Es läuft und macht Bock. Ich merke die Pace gar nicht und ziehe bei km 24 an ihnen vorbei um noch ein paar Sekunden gut zu machen.
Im Ort selbst ist ordentlich was los: der Zieleinlauf ist gesäumt von jubelnden Menschen, die enge Gasse voll, der Schall sammelt sich zwischen den Häusern und ich erreiche in 02:24:34 mein Ziel. Wahnsinn! Ich freue mich so sehr, einmal wieder einen Lauf mit einer strammen Zeit abgeliefert zu haben, ohne spezifisches Seelauftraining.
Ich treffe Gunter wieder und auch meine Frau und wir analysieren gemeinsam den Lauf und die Strecke, während meine Frau tolle Fotos von Start und Ziel von uns beiden zeigt.
Der Tag geht in die vierzehnte Stunde, aufbrechen wollen wir alle nicht. Die Sonne, der See, die Emotionen. Wir sind so aufgeladen von alledem, doch leider ist unsere Urlaubszeit vorbei und wir haben noch 850km vor uns. Also verabschieden wir und voneinander und fahren heim. Mit Bildern des Urlaubs und des Laufs. Es war eine fantastische Woche!!
Danke Gunter, das du mich ermutigt hast beim Wolfgangseelauf mitzumachen. Danke für deine Erklärungen und die tollen Gespräche. Es war famos!
Meine Frau und ich werden wohl noch lange an diese gute Zeit denken. Gerade wenn sich der Herbst von seiner nassen und dunklen Zeit zeigen wird, kann man im tiefsten Inneren ein Fenster öffnen und das goldene Herbstlaub wieder leuchten lassen. DAS nimmt uns keiner. Danke Salzkammgut, es war mir ein Fest!
… und die wunderschön gestaltete zweifarbige Medaille an gelben Band nimmt mir auch keiner.