Neumondlauf – wir bringen Licht ins Dunkle

Hallo zusammen,

danke, dass Ihr Euch die Mühe gemacht habt und den Weg auf diese Blogseite gesucht und gefunden habt.

Ich heiße Christian, laufe gern und wohne seit 2019 in Ascheberg. Während der Laufkilometer kamen und kommen mir immer wieder neue Dinge in den Kopf. Jetzt halt diese hier.

Folgende Idee:

Unter dem Titel “Neumondlauf – wir bringen Licht ins Dunkle” werde ich an den jeweiligen Neumond Kalendertagen abends um 20:30 Uhr vor der Volksbank in Ascheberg stehen und mit “wem auch immer” eine ruhige schöne ca. 6km Runde laufen. Das Tempo bestimmt ihr. Natürlich könnt Ihr auch noch eure Freunde:innen mitbringen. So soll es ja sein…

In den dunklen Monaten werde ich mit Stirnlampe laufen um den komplett asphaltierten Weg ein wenig ausleuchten. Ihr könnt uns also gern noch mit einer Taschen- oder Stirnlampe unterstützen und falls Ihr habt bringt eine gut reflektierende Jacke/ Scherpe oder einfach die Rettungsweste aus dem PKW mit.

Obwohl es vorrangig ein Lauf sein sollte, könnt Ihr auch gern mit eurem Fahrrad, Inlineskates, Skateboard oder was auch immer kommen und mich begleiten.

Warum? Einfach so! Um sich auszutauschen, zu schnacken, Euch durch die dunkle Jahreszeit zu bringen, den Schweinehund zu ärgern, sicher draußen zu sein oder auch einfach eine Stunde aus dem Alltag zu entfliehen. Sucht Euch was aus. Hauptsache wir bewegen uns.

Hier die nächsten Termine: Samstag 27. August, Sonntag 25. September, Dienstag 25. Oktober, Mittwoch 23. November, Freitag 23. Dezember 2022

Ich freu mich auf Euch

Christian

+++ UPDATE+++

Der erste Neumondlauf ist Geschichte – ein wirklich tolles Erlebnis! Bitte versucht Euch mit einer Rettungsweste aus eurem PKW und/ oder Blinklichtern auszurüsten. Je besser wir gesehen werden, um so sicherer sind wir.

Und sonst so?

In den letzten Wochen und Monaten ist es hier etwas ruhiger geworden. Selbst meine liebe Ma fragte schon nach, wann sie denn endlich wieder einen der Berichte bekommt, die ich ihr ausdrucke und die sie dann fein säuberlich abheftet.

Gefühlt war viel los, Gedanken müssen aber manchmal erst abgehakt, katalogisiert und bewertet werden. So war ich z.B. mit Marina als Supporter bei einem Backyard im pfälzischen Rettert. Ein Backyard ist ein Stundenlauf, in der man versucht innerhalb einer Stunde die ca 6,7km zu bewältigen und pünktlich zur vollen Stunde wieder an der Startlinie zu stehen. Klingt einfach, wenn das Spektakel allerdings über Stunden, ja Tage dauert ohne das die Aspiranten*innen viel Schlaf bekommen, ist das (An-)spannung für Körper und Geist. Marina hat vorab mal zu mir gesagt, sie wolle schon versuchen weit nach vorne reinzulaufen, so dachte ich mir einfach, das ich sie supporten könnte.

Der Lauf begann und eine Horde Verrückter setzte sich unter vorher kontrollierten Corona Bedingen abends um 20:00 Uhr auf die erste Runde. Mit dabei war auch mein Freund Christoph, der dieses Format zum ersten Mal probierte.

Marina und Christoph liefen konstante Rundenzeiten und so konnte ich sie immer ca 10 – 15 Minuten vor der nächsten vollen Stunde empfangen und ihnen Ihre “Wünsche” erfüllen. Mal ein warmer Tee, mal eine deftige Speise. Support bei einem Backyard bedeutet ca. 40 Minuten langweilen um dann von XX:45 – XY:05 Uhr voll auf der Höhe zu sein. In der Zwischenzeit bummelte ich herum, lag mich in meinen Wagen, schlief ca. 20 Minuten und wartete. Man kann viel nachdenken über Gott und die Welt.

Das Feld lichtete sich zusehends… Immer wieder stieg der Eine oder die Andere aus, packte die Sachen zusammen und fuhr nach Hause.

Marina und Christoph drehten weiter ihre Runden und so vergingen die Stunden.

Nach gefühlt 22 Stunden fing an mir die Decke auf den Kopf zu fallen und ich wurde quengelig. Insgeheim hatte ich zu dem Zeitpunkt den Wunsch und die Hoffnung das Marina vielleicht nach 24 Stunden aussteigen würde. Sie wäre dann die letzte Frau im Feld.

Da dem Support der Support fehlte und ich so mit keinem anderen drüber sprechen konnte, wendete ich mich zur 23. Stunde an Marina und erzählte ihr. Damit hatte ich, wie ich später erfahren sollte auch ihr mentales Kartenhaus ganz schön ins Wanken gebracht. Sie erteilte mir die Absolution nach Hause zu fahren, triggerte mich aber gleichzeitig mit den Worten, das sie mich hier! brauchen müsse. – Mein Helferimpuls bekam urplötzlich neue Lebensgeister und ich wieder Biss. Jemanden hängen lassen war nun wirklich nicht mein Stil und so war ich energiegeladen genug, mit Marina in die zweite Nacht zu laufen.

Christoph stieg als zu letzt Dritter nach 28 Stunden aus. Nach eigenen Angaben hatte er keine Lust mehr. Es begann das Showdown Marina gegen den erfahrenen Ultraläufer Michael. Die nächste Stunde begann. Christoph schlief mittlerweile im Auto, Alex der Veranstalter, die Sportfotografin, Michael und sein Adjutant sowie Marina und ich ich waren die letzten verbliebenen Anwesenden.

Marina überzeugte am Start mit guter Laune und Fröhlichkeit, sang und tanzte, Michael pokerte mit Erfahrenheit und Trashtalk. Beide wollten jetzt zum Äußersten und “Last (Wo-)Man standing” sein. So ging es in die 30. Stunde und so ging es in die 31. Stunde.

Zum Start der 32. Stunde stellten sich beide wieder an die Startlinie und im letzten Moment sagte Michael zu Marina, er würde aufhören und sie solle die letzte Runde alleine laufen und sich den Sieg abholen. Wenn ich daran denke, bekomme ich immer noch eine Gänsehaut und vielleicht auch glasige Augen.

Aufgeregt zog Marina von dannen, ich ging zu Christoph und weckte ihn umgehend. Es war so absurde Situation: ich klopfte an seine Autoscheibe, er schaute mir aufgeschreckt und entsetzt in die viel zu helle Stirnlampe, ich schrie, das Marina auf der letzten Runde war. Marina schickte mir derweil eine Whatsapp, welches Lied sie denn hören wolle, wenn sie ins Ziel käme. So keck muss man erst mal sein…

Jubelnd empfingen wir Marina, die nach 32 Stunden den Backyard in Rettert gewonnen hatte und somit ein goldenes Ticket für die Backyard WM 2021 in Tennessee gelöst hatte. Alle Misstöne, jegliche Müdigkeit und Anspannung waren vergessen.

Wir feierten noch kurz und legten uns dann doch einige Stunden schlafen, bevor wir die Heimfahrt antraten.

Das musste erstmal alles verarbeitet werden….

Am nächsten Tag rief mich Marina etwas verunsichert und aufgeregt an, das sich Alex, der Veranstalter bei ihr gemeldet hatte, weil er vergessen hatte ihr mitzuteilen, das sie mit dem Gewinn auch einen Startplatz bei der diesjährigen ganz besonderen Backyard WM gelöst hätte. Die diesjährige Backyard WM sollte auf Grund der weltweiten Covid19 Pandemie nicht zentral in Tennessee stattfinden, stattdessen sollten sich weltweit “Nationalmanschaften” bilden, die als 15er Teams global in ihrem Heimatland an der Backyard WM 2020 teilnehmen. Und da wäre halt noch ein Platz für sie reserviert.

Nur zwei Wochen später startete sie somit im badenwürtembergischen Kandel mit Edelhelfer* Christoph, der vor Ort supportete. (*Nachtrag: ich telefonierte eben mit Christoph und er echauffierte sich in einem Nebensatz ein wenig über den Begriff “Edelhelfer”. Er: “Das hättest du auch getan.” Ich: “ja, aber du hast es 51 Stunden getan, ich nur 32!” Er: “Du hättest es auch 76 Stunden getan!” Ich: “Und Du 98….!” So ist das wohl zwischen uns beiden.)

Keiner wusste oder konnte ahnen, wie lange Marina laufen würde, selbst sie sagte, sie wäre sicherlich nach der kurzen Zeit in der Lage die Mannschaft bis aufs Letzte zu unterstützen.

Da ich um den Support des Supporters wusste, meldete ich mich immer wieder bei Christoph. wir telefonierten, tauschten uns aus und mit jeder Runde die Marina lief, wurde unser soziales Band dicker und fester. Manchmal erzählten wir uns einfach nur dummes Zeug, er übermüdet, ich mitfiebernd aus der Fremde.

Da schon so viel zu dieser verrückten vielleicht einmaligen Backyard Satelliten Situation geschrieben und gesagt wurde, erkläre ich den noch wenigen Unwissenden, das Marina das Ding mit 51h und 341km nach Hause gelaufen ist und diesen Backyard als deutsches Teammitglied gefinisht hat.

Ich bekomme immer noch kalte Hände, während ich das schreibe. Obwohl ich Null Kilometer gelaufen bin, waren es die aufregendsten und aufwühlendsten Laufgeschichten mindestens dieses Jahres für mich.

Aufregend und mit deutlich mehr Kilomtern ging es für mich weiter: Ich bin letztlich meinen 10.000ten Streak Kilomter gelaufen. Damit bedeutet es mindestens 10km an einem Tag im Durchschnitt zu laufen und versuche es so weiter. Warum? Keine Ahnung, es ist so gekommen und ich fühle mich sehr wohl dabei.

Das ist schon mehr als verrückt: angefangen aus einer Laune heraus, bin ich mittlerweile bei etwas über 900 Tagen, die täglich laufe. Mal laufe ich die Meile, mal deutlich mehr – so wie gerade kommt. Es tut mir gut, mich gerade in Covid Zeiten an etwas stabiles zu halten und den abgesagten Wettkämpfen nicht hinterher zu trauern.

Ich habe ja schon so manches zum Streaken hier in meinem Blog geschrieben, da möchte ich es auch dabei belassen. Ich bin einfach nur stolz und glücklich, das ich es geschafft habe, so weit und so viele Tage zu laufen ohne jegliche Verletzungen, Ausfälle oder gesundheitliche Einschränkungen. Bei Schnupfen läuft man die Meile, bei Husten auch. Bei allen anderen Wehwehchen muss man selbst entscheiden, wie weit man gehen will.

Wer hier mit gehobenem Finger sagt, ich hätte keinen Respekt vor meiner Gesundheit, dem möchte ich mitgeben, das der geneigte Streaker vermutlich mehr darauf achtet, das er auch morgen noch seine Runde drehen kann. Streak und Karantäne zum Beispiel kreisen zudem in meinem Kopf. Denn nur einen Tag pausieren, dreht das Rad wieder auf Null. Das wäre nicht schlimm, aber jammer schade. Und das wollen wir doch nicht…!

Allen Neu Streaker*innen, die jetzt in der zweiten Welle angefangen sind, wünsche ich viel Erfolg. Setzt euch nicht unter Druck, denkt immer nur an den nächsten Tag und nicht an irgendwelche Erfolgs Stories. Es ist nur laufen – und mit der Zeit werdet Ihr merken, das es gar nicht so recht ums laufen geht sondern um alles andere.

Das also ist der Status Quo. Es ist viel passiert, es passiert viel und es wird nicht langweilig. Ich versuche mich so gut wie es geht aus dem Schlamassel da draußen fern zu halten und bleibe fröhlich.

Passt auf euch auf 🙂

Ode an mein Land

Neulich schrieb ich bei Facebook diesen Eintrag:

Gude,

ganz kurz: ich bin stolz und glücklich in einem Land leben zu können und dürfen, wo ich sagen kann, das ich Frau Merkel meistens doof finde, ich keine Angst haben muss, wenn ich Herrn Höcke als Faschisten bezeichne, vor dem Regal mit den Marmeladen stehe und nicht weiß, welche Erdbeer ich nehmen sollte und dann ohne wieder gehe, in dem jeder “Hans und Franz” seinen Podcast mit sinnleerem Geschwätz machen kann.

Ich bin froh und stolz, das es noch so reale und geerdete Politiker wie Fred Toplak gibt, die sich für ihre Stadt einsetzen (auch wenn er nicht mein Kreuz bekommen hat, da anderer Wahlkreis), Menschen wie Lutz Balschuweit, die sich immens in der Integration von Flüchtlingen engagieren, Menschen die sich tagtäglich den Arsch aufreißen, sei es bei der Tafel, im Sozialdienst oder bei der Polizei. Und keiner dankt es ihnen!

Nebenbei: Ich bin vor geraumer Zeit von Twitter weg gegangen, weil mir dieses kleinbürgerliche Gutmensch Getue, im wahrsten Sinne an die Nieren ging. Ich habe mich anstecken lassen von den ständigen Niggeligkeiten die dann in aller Öffentlichkeit breit getreten werden.

Mir wurde jetzt von einem Shitstorm berichtet, weil Boris Becker die Schiedsrichterin beim Tennis attraktiv fand. Da kann ich nur sagen: Seid Ihr bescheuert? Vielleicht hat Boris daneben gegriffen, aber deswegen so eine Welle zu machen…Zum Glück habe ich es nur am Rande mitbekommen. Ja, es geht mir jetzt wieder gut.

Ich habe auch zeitweilig aufgehört meinen geliebten WDR 5 zu hören, weil ich die Sorgen der Welt mit in die Nacht nahm. Auch das habe ich reduziert. Trump hat einen an der Murmel, dafür benötige ich keine aktuelle Nachrichten.

Ich vermisse in diesem Land die gute Stimmung, die Dankbarkeit, dieses Gefühl in einem tollen Land zu leben. Ich war zuletzt im Südschwarzwald und am Niederrhein – was haben wir tolle Landschaften. Und ich will herausschreien: Leute das müsst Ihr erleben. Setzt euch mit Eurem Lieblingsgetränk an den Rhein und schaut Schiffe. Ihr benötigt keine 21 tägige mongolische Adventure Tour.

Das Leben findet einfach statt, gleich vor der Tür.

Feiert euch, feiert das Leben und dieses Land – es ist nicht alles doof hier. Dann haben wir halt noch ein Jahr eine Maske auf. Und? Wenn es uns und dem Land hilft? Wenn ich weiß, das ein Intensivkrankenplatz da ist, wenn es meine liebe alte Mama erwischen sollte mache ich das halt so weiter. Und wenn der Nachbar noch 100 Gartenzwerge aufstellt: so what…

Liebt euch, liebt den Nächsten, liebt dieses Land. Hier ist nicht alles schlecht. Und ich fände so toll, wenn das Tolle auch mal benannt wird!!!

Gute Zeit euch allen…

Die belgische Meile

“The Great Escape” – so heißt eine der Läufe die zwei verrückte Belgier im Rahmen der Legends Trails veranstalten. Man hat die Möglichkeit 50 oder 100 Meilen zu laufen oder auch zu wandern. Die Strecke führt von Luxemburg nach Belgien durch die Zentral Ardennen in einem wirklich unberührtem Gebiet. Ich wusste nicht, das Belgien so grün und hügelig ist, für mich ist Belgien das Land zwischen Frankreich und Deutschland. Sorry ihr lieben Belgier, ich werde mich bessern.

Ich war (mal wieder) mit der wuseligen Marina unterwegs und so trafen wir uns bei ihr und fuhren gemeinsam nach Belgien. Start sollte um 00.00 Uhr sein, der Shuttle Bus zum Start um 22:30. Wir hatten noch reichlich Zeit und konnten sogar noch eine Stunde im Auto die Augen zu machen.

Es gab viele kleine Kuriositäten bei diesem Lauf: angefangen mit knappst bemessenen Getränkemarken für die Teilnehmer (warum überhaupt limitiert?), dann die Aussage das es bei unserem Start am Checkpoint Wasser für meine Flaschen gäbe. Gab es auch: es waren genug Duschen im Vereinsheim des örtlichen Fußballvereins, wo ich schön warmes Wasser in die Flaschen füllen konnte. – Die 4 VPs boten alles von runden Waffeln, eckigen Waffeln, weichen Waffeln, harten Waffeln, belgischen Waffeln, Lütticher Waffeln an. Oder Erdnüsse. Naja und Cola und Wasser. Und wir wissen alle, was eine trockene Waffel in einem trockenen Mundraum bewirken kann.

Marina und ich liefen durch die Nacht, kamen aber nicht wirklich so zusammen, wie wir das sonst mal hatten. Vielleicht war ich zu schnell. sie zu schnell, vielleicht war ich genervt von dem Tracker, der mir auf die Schulter drückte, den ich dann mit Handschuhen abpolsterte, die ich aber später noch verlor, Marina vielleicht von der Kälte in den Tälern bei 3-4 Grad plus. Das hört sich geschrieben alles schlimm und konzentriert an, es waren aber nur winzige Nadelstiche, die uns irgendwie quer kamen und so waren wir nicht das quaselnde und lachende Duo, sondern zwei stille Partner, die nebeneinander her liefen. Im Nachgang haben wir das aufgearbeitet. Es hat einfach irgendwie nicht gepasst. Um so besser wird es das nächste Mal.

Es ging immer wieder rauf und runter durch die Nacht. Zwischen Wiesen und Wäldern hindurch, an Bächen vorbei und immer die klare trockene sternenklare Nacht. So viel Ruhe und Stille war wirklich beeindruckend. Gegen 06.00 Uhr dämmerte es endlich und der aufziehende Tag vertrieb meine Lethargie. Ich freute mich morgens um 06.30 Uhr schon 55km gemacht zu haben und ich hatte kurz auf dem Schirm relativ früh wieder zu hause zu sein. Und dann begann der Wahnsinn:

An einem der Checkpoints, sagte man uns, jetzt käme ein leichter Teil. Der Weg wurde allerdings steiler und steiniger. Die Schritte von uns wurden langsamer und wir mussten Teil wirklich erklettern. Einfacher – aha! Im Nachgang hatten die Jungs von dem VP Recht. Es erwarteten uns immer mehr steile Stücke, große Steine, Waldstücke. Zwischenzeitlich sagte meine Uhr 15min45 für einen (besch…) Kilometer. Wir verfluchten den Weg und waren genervt. Bei dem Tempo konnte es noch noch ein langer Tag werden.

Da wir wegen des eingeschränkten GPS Empfangs auf unseren Uhren unterschiedliche Streckenlängen gemessen hatten, fragten wir am vermeintlich letzten VP nach, wie weit es denn zum Ziel sei. Wir waren beide bei ca 13 km, das Mädel vom VP sagte uns 23. DREIUNDZWANZIG!!! Bei 5-6 km pro Stunde wären das noch locker vier Stunden. Das konnte nicht sein. Wir fragten nochmals nach. “Twentysreeee” so die Antwort. Wutschnaubend brachen wir auf. Wie konnte das sein? Sowas kann einem mental ganz schön zusetzen und demoralisieren. Später stellte sich heraus, das die 100 Meiler wirklich noch 23km laufen müssen, die 50er nur 13.

Die Sonne kam immer mehr heraus und wir verstauten so gut es ging unsre Jacken und Buffs und quälten uns durchs belgische Unterholz. Einer der Sätze von Marina blieb mir im Ohr: “Wir sind diesen besch… Berg jetzt schon das vierte Mal hoch. Wollen die uns vera….?”. Auch ich verfluchte Steine, Bäume, Veranstalter und mich selbst. Die Stimmung war also bestens.

Marina lobte ein Zeitziel aus: mit etwas Glück könnten wir unter 13h ins Ziel kommen. Das war doch mal was. So drückte ich bergab etwas zu sehr auf die Tube und hatte beim letzen Anstieg einen beidseitigen Adduktoren Krampf. Ganz hässlich. Es ging nicht vor und nicht zurück. Blöde. Das kostete uns weitere Minuten, wir wollten doch unbedingt gemeinsam ins Ziel.

Dann endlich: nach 12h 54min bogen wir in die Zeilgerade ab und freuten überglücklich diesen krassen Lauf bestanden zu haben. Zuschauer und Teilnehmer klatschten uns zu und wir waren im Ziel. Ein tolles Gefühl. Wir standen am Getränkestand und genossen unsere Cola.

Ich fragte die Dame, wo wir uns denn für die Endzeitenabnahme melden sollten und dann kam der Hammer: ob wir von links oder rechts in Ziel heran gelaufen wären. Von links bestätigte ich. Darauf sie toternst, dann wäre dieser (im Ziel stehende!!!!!) Stand nur ein Checkpoint und wir müssten noch 5 weitere Kilometer über einen Berg laufen. Nach 80 km, nach 50 Meilen sagt dir jemand, du hast zwar 50 Meilen aber hier ist nicht Schluss. Und so sind Marina und ich zu einem der Veranstalter und fragten nach. Übersetzt sagte er so was wie: Ja ihr müsst noch 5 weitere Kilometer laufen. 50 Meilen sind schließlich immer nur ungefähr 80 km. Und wenn wir diese tollen Medaillen haben wollten, müssten wir halt noch die 5km machen. Das stehe schließlich so in der Ausschreibung. (Gefunden und gelesen haben wir es auch hinterher nicht. Nebenbei waren die 5km nicht als GPX Track verfügbar). Eine Laune der Natur.

Das war ein bisschen viel für uns. Marina polterte von dannen, ich mit einigen Metern hinterher. Ich stand an einem Zaun und rief ihr nach, das ich nicht weiter laufen würde. Es wäre mir egal, dann wäre es halt ein DNF ( did not finish) und ich würde jetzt zum Auto gehen. Ich würde mir nicht von einem Belgier sagen lassen, wann ich einen Rennen zu Ende laufen müsse, wenn ich die Strecke doch gelaufen bin. Usw…

Marina “brüllte” widrum mich an und triggerte mich irgendwie doch weiter zu machen. Das waren die einzigen 5 Km, die wir nicht zusammen liefen. Sie hatte nach Absprache Musik in den Ohren und war nun etwas vor mir.

Die letzten 5km hatten es noch einmal in sich: die 5 waren in Wirklichkeit 7 km mit noch einmal 180 Höhenmetern, viel Sonne und Gegenwind auf dem Wiesenplateau. An der Steigung wieder Krämpfe. Ätzend. Ich kam mir vor wie Messner beim Aufstieg zum Gipfel. Ich schickte meiner Frau Sprachnachrichten mit all der Enttäuschung und Wut. Ich kam nicht mehr weiter. Man hatte mir damit so den Stecker gezogen, das ich einfach stehen blieb und mich nicht mehr bewegte. Ich wusste nicht mehr weiter.

Ich habe es mit Musik probiert, das klappte nicht. Ich habe mir irgendwelche Mantras rausgekramt. Nichts. Dann rief ich meinen Freund Christian aka Trailtiger an. Ich hörte noch wie er ans Telefon ging. Meine ersten Worte waren: “Tiger du musst mir helfen, ich weiß nicht mehr weiter!” Es sprudelte aus mir heraus. Was ich nicht wusste, das zwischenzeitlich die Verbindung einseitig unterbrochen war, er mich hören konnte, ich ihn aber nicht. Ich legte verzweifelt auf. Und dann bewegten sich meine Beine. Irgendwie ging es. Vielleicht musste es nur aus meinem Kopf heraus. Ich ging ein Stück, lief ein Stück, ging wieder ein Stück. Es war die Hölle. Ich kann mich nicht erinnern jemals beim laufen mental so belastet gewesen zu sein.

Irgendwann, gefühlt Stunden später, es waren real doch nur 45min erwartete mich Marina schon mit ihrer Medaille im Ziel und wir liefen Hand in in Hand die letzten Meter gemeinsam.

Als ich endlich meine Medaille hatte, verfluchte ich den Veranstalter ein weiteres Mal persönlich mit einem Lächeln, wir gaben uns wie Ehrenmänner die Hand, ich bekam meine Medaille und ging erst einmal ein paar Tränen vergießen.

Dann Leere. Wir waren einfach k.o. Fix und fertig…

Auf der Rückfahrt waren Marina und ich wieder besserer Laune und wir witzelten: Es gäbe halt die amerikanische und belgische Meile. Die belgische Meile sei etwas länger und wenn man sich bei etwas nicht sicher sei, sollte man immer die belgische Meile als Maßstab nehmen. Nicht die Amerikanische.

Dieser Lauf ist mein bisheriges Meisterstück. Klar bin ich schon weiter gelaufen, aber mental war es das absolut härteste was ich je gemacht habe. Marina erinnerte mich nach lesen des Blogs daran, das ich wohl zweimal von meinem persönlichen Barkley geredet hätte und von einem verschrobenen Belgier, der im Ziel an einer gelben Schranke stehen würde…

Ich werde auch aus diesem Lauf lernen und wenn es mal nicht geht, werde ich an die belgische Meile denken.

P.s. Marina: du bist mental einfach ein harter Hund. Auch von dir kann ich noch eine Menge lernen. Danke für deine Zeit mit mir!

Worldtour am nächsten Wäldchen?

Hallo, ich bin´s! Der Schnäppchenmann vor dem Herrn, der alles besser oder aber zumindest billiger kann. Dann aber entweder die Lust verliert oder das Budget… Ach egal 😉

Kapitel 1 – der Impuls

Nachdem ich letztes Jahr den autarken Emsradweg Lauf #ERWEL probiert hatte und feststellen musste, das Equipment tragen (inkl. Isomatte, Schlafsack, Bivy etc) und laufen zwar machbar ist, aber am Ende des Laufens noch zu viel Tag über ist, war mir da schon klar das ich einen Packer hinter mir her ziehen müsste. Ein Packer, Sulky oder Pilgerwagen der am Beckengurt mit zwei Deichseln und meist mit zwei Rädern hinter dem Laufenden hergezogen wird. Also Internet auf, Preise checken, schlucken, Internet zu. Traurig sein. Dabei möchte ich hier eindringlich und ausdrücklich sagen, das ich über die Qualität und Leistungen der kaufbaren Packer nichts sagen kann. Auf Grund der Qualität und eher im Manufakturbereich liegenden Stückzahlen sind die aufgerufenen Summen für ein “mal so just for fun” einfach zu hoch. Also das ganze Projekt erst einmal wieder einstampfen. Einstampfen heißt in diesem Falle eher mit den passenden Hefen ansetzen und im dunklen feuchten Keller langsam reifen lassen.

Kapitel 2 – die Idee

Die Tage gehen ins Land und aber auch gar nichts erinnert mich an die weiter reifende Idee mit einem Packer mindestens die Galaxie zu umrunden. Bis ich eines Tages vom Europaradweg E1 erfahre. Dieser abgefahrene Radweg geht von Calais 4500 km bis ins ferne St. Peterburg. Soweit nichts verwerfliches. Das der E1 aber durch Münster, über den Prinzipalmarkt, also etwa 300 m von meiner Arbeitsstätte entfernt Richtung Berlin führt, erzeugt in mir wohlige Wärme und einen leicht höheren Puls. Ein Zeichen? PLOPP – ein Weg, ein Packer, eine Idee, ein Ziel. So einfach ist also ein neues Ziele (Wünsche /Bedürfnisse?) zu definieren. Mit einem Wägelchen also den E1 autark bis Berlin laufen, auf Grund der Transportmöglichkeiten ein wenig Komfort und Luxus dabei zu haben als Ziel den Reichstag in Berlin anzusteuern und dann mit der Bahn zurück. Fertig!!!

Kapitel 3 – erste Pläne

Internet auf, Packer recherieren und vergleichen, Internet wieder zu machen, weil sich die Konstellationen natürlich nicht geändert haben und traurig sein. Der Sparfuchs in mir hat natürlich gleich Witterung aufgenommen und es kommt wie es nicht anders kommen sollte. #DIY “do it yourself” und #MYOG “make your own gear” sind die neuesten Schlagwörter des umsetzwilligen Hobbykonstrukteurs.

Letztlich entscheide ich mich einen faltbaren Golf Trolley, also einen Golfschlägertaschentransportmobil, welches ich umbauen möchte. Die Basis scheint stabil, die Räder rollen satt und leise, das Vehikel ist zusammenfaltbar und relativ leicht. Schnell habe ich Möglichkeit mit Gewindestangen gefunden, die es mir ermöglichen meine Reisefracht zu verzurren und zu transportieren. Als Beckengurt bestelle ich mir den preiswertesten Klettergurt aus dem Bergsport und modifiziere ihn nach meinen Wünschen. Was bleibt ist einfach nur die Verbindung zwischen Vehikel und mir. Und bleibt. Und bleibt. Und bleibt. Und erzeugt neben Kopfschmerzen neue Fluchwörterkombinationen, die selbst meine Frau wundern. Mittlerweile reißt die Probiererei ein immer größeres Finanzloch in meinen “Nur mal so” Budget, das mich alles an die aktuellen Probleme des Segelschulschiffs Gorch Fock und den Flughafen BER erinnert. Mir bleibt also nur eine Möglichkeit: weiter machen oder abbrechen. Ich entscheide mich für den Abbruch. Der Sparfuchs hat schon lange die Fährte verloren, alles in allem bin ich an dem Punkt semiprofessiones Gewurschtel angelangt und ziehe enttäuscht die Notbremse.

Kapitel 4 – es wird professionell

Nachdem ich wieder einmal das Internet durchforste und die immer gleichen Bilder sehe, erscheint mir warum auch immer plötzlich der [Werbung ] deutsche Hersteller cart4go.de, der Pilgerwagen bzw. Packer zum Wandern baut – grundsolide, leicht und durchdacht. Ein erster Check zeigt mir sog. Eindeichsel Modelle, die über einen Hüftgurt gezogen werden. Ich schreibe Herrn Kuna, den Hersteller und Anbieter dieser Gefährte an, ob er eine Möglichkeit sieht mit diesen Modellen auch zu laufen, oder ob es reine Wanderwagen seien. Wir wechseln Telefonummern und in einem ersten Gespräch, merke ich schnell, das er seine Wagen mit Passion baut.

Ich schlage ihm die Idee vor, ein Zweideichselwagen zu bauen, der laufbar ist, den ich dann auch gerne bei ihm in Kleve Probe fahren würde. Herr Kuna erbittet eine Woche Geduld und dann fahren meine Frau und ich nach Kleve um uns von seinen Packern zu überzeugen. Vor Ort erklärt er jedes Detail mit Stolz und Hintergrund, ich laufe diverse Modelle die Straße auf und ab und schließlich erwerbe ich sein “Runner” getauftes Prototypenmodell: mit breiterer Spur, kleineren Rädern, tiefem Schwerpunkt, zwei Deichseln und Beckengurt.

Einige Tage mache ich mein Glück mit einer 31l Ortlieb Rat Pack Tasche perfekt.

Was bleibt ist die Einsicht, das andere es besser können, ich viel Lehrgeld bezahlt, aber viel neues über Materialien, Stabilität, Scherkräfte, Kippwinkel, Schwerpunkte, Hebelgesetze und allerhand anderer Physik in der Praxis gelernt habe und so buche ich meine Eigenkonstruktion als Erweiterung meines Wissensstands ab und bin glücklich.

Kapitel 5 – Dortmund ist nicht Berlin

Aktuell stehe ich vor dem Punkt, das mir für einen Trip nach Berlin die Zeit fehlt, aber der vor meiner Nase fließenede “Dortmund-Ems-Kanal” eine tolle Plattform bietet mich und den von Herrn Kuna getauften “Runner” zu testen. Mir schwebt eine Art 24h Abenteuer startend von Dortmund vor: autark und ohne externe VPs soweit laufen und gehen wie es einem in 24 Stunden möglich ist…

Kapitel 6 – Auf geht´s (wirklich!!!)

Es ist Samstag und meine Frau setzt mich mit meinem Vehikel am Anfang des Dortmund-Ems-Kanal (DEK) am Mineralölhafen ab. Sie schaut mir nach, ich ihr. Jetzt heißt es tapfer sein und dem Weg folgen bis…? Keine Ahnung. Zum Glück scheint noch die Sonne und so ziehe ich um 19.30 Uhr los zur ersten richtigen Ausfahrt. Nach etwa 400 m bin ich am Kanal und und ich genieße die ersten Meter. Das Tempo ist sehr moderat, ich entschleunige bei Sonnenuntergang und schängle mich an mehreren Shisha Cliquen durch Dortmund.

Ich spüre die Blicke, eine Mischung aus Staunen und abfälliger Belächelung. Einmal muss ich an vier aufgemotzten Polos vorbei. “Boah, wat geht mir die Düse” mag der Ruhrpottler sagen. Wenn ich aus Versehen mit meinem Wägelchen an den Fuhrpark der potenz strotzenen Berufeinsteiger komme, bin ich vermutlich einen Kopf kürzer. Aber zumindest lande ich im Kanal. Aber: alles geht gut und und ich ziehe weiter. Gegen 21:00 Uhr verabschiedet sich die Sonne und ich laufe durch die Dämmerung. Der Weg führt mich mal links, mal rechts am DEK vorbei. – Plötzlich bemerke ich ein schleifendes Geräusch. Meine Tasche ist durch die ständige Ruckelei auf dem Schotter nach hinten gerutscht. Ich halte an, löse die zu langen (noch nicht nervigen) Spanngurte, setze die Tasche wieder auf, verzurre alles und laufe weiter.

Irgendwann ist es wirklich so dunkel, das ich mir die Stirnlampe aus meinem Laufrucksack hole und von kurzem auf langes Shirt wechsle. Aus Langeweile plärrt aus meinem Handy Musik. Dann ein schleifendes Geräusch. Meine Tasche hat sich wieder verselbstständigt, hängt gefährlich über der Kante und schleift. Ich halte an, löse die zu langen (leicht nervigen) Spanngurte, setze die Tasche wieder auf, verzurre alles noch fester und laufe weiter.

Ich komme an einem Parkplatz für Kanalschiffe vorbei. So etwas habe ich noch nie gesehen: dort parken über Nacht mehrere 80-90 m langen Schiffe. In den Kajüten flimmert teilweise der Fernseher, die meisten sind schon dunkel. Allerdings hat das horizontale Gewerbe wohl hier auch einen Stützpunkt und so roller ich zwischen Wohnwagen und Relingschwalben her. Mir ist nicht wohl dabei, werde aber ignoriert. Laufbekloppte sind augenscheinlich schlechte Kundschaft. Wahrscheinlich müffel ich zu sehr…

Dann sehe grüne Punkte auf dem Wasser leuchten. Glühwürmchen? Nein, sie bewegen sich nicht. Hö? Erst im letzten Moment erkenne ich, das an grünen im Wasser schwimmenden Leuchten Angler hängen, die in Camouflage gekleidet dem Hobby Nachtangeln nachgehen und mit ihrem Equipment an der Böschung sitzen. Selbstleuchtene Schwimmer. Hightech in der Angelwelt. Ich denke, wirklich alle anwesenden Personen habe eine schräge Meinung zum Hobby des anderen.

Weiter geht es. Nach längerer dunkler ruhiger Phase höre ich wummernden Bass. Nicht sehr laut aber näher kommend. Dann erkenne ich auf der anderen Kanalseite einen Pavilion, eine große Akku Licht- und Tonanlage und junge Menschen, die feiern. Gänsehaut für mich. Ich liebe diese Momente, an dem mich nur ein kleiner äußerer Impuls aus meiner Lethargie abholt und ich neue Energie tanke. So einfach geht es…

Der Kanal ist spiegelglatt, der Mond mittlerweile untergegangen und es ist ganz schön dunkel. Ab und zu komme ich an Nachtanglern oder einer Gartenkolonie mit Party vorbei. Dann ist wieder Ruhe. Eigentlich mag ich die Stille, den Spot meiner Lampe, das immer monotone Geräusch meiner Schritte.

Ich komme in die nächste Stadt. Es muss kurz nach 3 Uhr sein, als ich eine Gruppe Jugendlicher auf meinem Weg sehe, die zusammen hocken und laut miteinander reden. Sie stehen links an einer Bank, auf meinem Weg mehrere Fahrräder. Mist – denke ich, einfach lässig bleiben, die wollen nur spielen. Als ich mich an ihren Fahrrädern vorbei schlängle, meldet sich der “Anführer” lautstark und pfeift seine Clique an: “EY STELL MA´RÄDER WEG!!!” Ich: “Ach, geht schon.” Er: “GEHT SCHON, LASS!!!!”. Puh – als Kleinstädter bzw. Dörfler fehlt mir einfach die Großstadtsouveränität. Leider.

Ich laufe weiter durch die Nacht, das linke Becken nervt ein bisschen zu viel um das Problem wegzudenken. Wahrscheinlich kommt es von der ungewohnten Belastung durch den Gurt und den Zug nach hinten. Ich wäge ab: eine Strecke X laufen aber dann mit Schmerzen in Hüfte und Becken über mehrere Tage oder ein ” positiver Abbruch”, glücklich nach Hause zu kommen und viel gelernt zu haben. Ich entscheide mich für die vernünftige Wahl, biege kurz vor Münster (noch 11km) ab Richtung Heimat (14km laut Schild) und zuckel frohen Mutes nach Hause. Ich hätte schließlich die Strecke Dortmund – Münster geschafft. Mehr als respektabel, wie ich finde… 73km wollen erst einmal gelaufen werden. 11 Stunden Auszeit sind Balsam für die Seele.

Um 06.15 Uhr stehe ich glücklich vor der Haustür, verstaue meine Sachen, mache mir einen Kaffee und alles ist Toll! Ich bin mit mir und der Welt zufrieden, gehe duschen, lege mich aufs Sofa und binnen Minuten bin ich eingeschlafen.

Tage später denke ich über die gelaufenen 73 km nach. Erst da wird mir bewusst, wie weit diese Strecke ist. Wie viele Menschen rackern sich ab um einmal in ihrem Leben einen Halbmarathon oder Marathon zu laufen? Da ich in einer (Ultra-) Laufwolke lebe, bei der diese Distanzen zwar nicht alltäglich sind, aber auch keinen hinter dem Ofen hervor locken habe ich wahrscheinlich eine veränderte (beschränkte?) Sichtweise. In diesem Moment wird mir wohlig warm. Das habe ich richtig gut gemacht. Und ich habe nicht mal Muskelkater.

Kapitel 7 – Nachtrag:

Ich habe festgestellt, das mein Wägelchen stabil ist und ich noch viel Freude mit ihm haben werde. Das man mit Anhänger deutlich langsamer ist und das in der zukünftigen Streckenplanung mit eingedacht werden muss. Das Problem mit der rutschigen Tasche will ich durch Griptape aus dem Skate Shop in den Griff bekommen: dann ist die Tasche aus LKW Plane nicht mehr auf glattem Alu Rohr sondern auf rauherem Untergrund. Das Problem mit Wasser hätte ich gar nicht haben müssen, hatte ich doch schon einen viel festeren Faltkanister mit max 10 Liter Kapazität zur Hand, aber durch Faulheit nicht genutzt. Die Spanngurte muss ich einfach kürzen. Ansonsten freue ich mich schon auf die nächste Tour. Vielleicht mit Schlafsack und Wechselklamotten an Bord.

Abenteuer olé, wir sehen uns bald wieder!!!

Es hat mich verzaubert

Na, schon mal vom #WIBOLT gehört? Der WIBOLT ist ist ein Ultralauf über den Rheinsteig von Wiesbaden nach Bonn. Also Wiesbaden-Bonn-Ultra-Trail. Dieser Lauf geht über maximal 90 Std. umfasst 320km. Sie haben richtig gelesen! (das wollte ich schon immer mal sagen). Dreihundertzwanzigtausend Meter!!! Und nein, ich habe dort nicht teilgenommen, ich werde es wohl dieses Leben nicht mehr machen. Dafür hatte ich das Vergnügen, die hier schon häufiger erwähnte Marina durch die letzte Nacht auf den letzten X Kilometern zu begleiten. So zumindest war der Plan.

Da ja keiner wirklich sagen, wann man wo ist, wollte ich Marina per Live Tracker finden, das Auto irgendwo stehen lassen und dazu stoßen. Wie ich wieder zu meinem Startpunkt kommen sollte war mir herzlich egal. Irgendwie sollte es schon gehen.

Samstag Nachmittag rauschte ich dann mit dem Ziel Bad Honnef zum letzten Verpflegungspunkt bei km 295 durchs Rheinland, nahm diverse Staus und irrwitzige Verkehrsführungen mit und war just in time in Konrad Adenauers Geburtsstadt Rhöndorf, konnte mich noch umziehen und dann ging das Spektakel auch schon los…

Marina und Nils hatten sich schon relativ zu Anfang gesucht, gefunden und waren sozusagen als 2 Personen Mikrokosmos unterwegs. Jubelnd und schreiend empfing mich Marina, Nils war kurz dahinter.

Die beiden machten sich kurz am VP frisch und ich klärte mit Nils kurz, das ich nicht die Absicht hätte, ihre Gemeinschaft zu torpedieren und das ich mich einfach im Hintergrund halten würde. Es war ihm aber recht und so zogen wir alsbald von dannen und nahmen uns die letzten 25km vor.

Es ist so viel auf dem letzten Streckenabschnitt passiert, was auch dort bleiben sollte, aber einige Highlights möchte ich doch erwähnen.

Die beiden erzählten mir, das sie unterwegs immer wieder angesprochen wurden, was genau sie da machen und hörten sich mindestens doppelt so viele Ausreden an, warum die Fragenden es nicht selber täten. So kamen wir an einer Lichtung mit Blick auf den Rhein an, wo ein Wanderpärchen zum Abschluss des Tages Dosenbier (Typ Efes 0,5l) hervorholte. Die beiden fragten natürlich nach dem Grund und als sich Marina und Nils erklärten, erläuterte einer der beiden, das sie einen vier jährigen Sohn hätten, das würde halt nicht gehen. Wir drei aber mussten uns gleich auf die Zunge beißen, Nils konterte noch mit einem: “Ja aber der wird ja auch irgendwann 18!” was die beiden nur mit Raunen abtaten. Wir zogen weiter und mussten noch länger über “Ausrede Nummer 51” schmunzeln.

Plötzlich kam uns Marinas Freundin Sandy brüllend, jubelnd und schreiend entgegen. Sie, die eigentlich im Ziel warten wollte, aber nun doch keine Lust mehr hatte sich dort zu langweilen. Kurzerhand kam sie uns 14km! entgegen. Die beiden feierten sich, Nils und ich aber hatten Ruhe endlich über die wichtigen Dinge des Lebens zu schwadronieren. Dabei wurde er immer mal wieder ruhiger und driftete gedanklich einfach übermüdet weg.

Wie krass die Zivilisation nach so vielen Kilomtern sein kann, kann ich mir nur ansatzweise vorstellen. Ich musste insgesamt nur 25km durch den späten Nachmittag und nach 17km spukte uns der Wald aus und wir waren in Bonn. Häuser links, Häuser rechts, Straßen, Ampeln, Menschen. Alles was dazu gehört. Die letzten 8km gingen also durch Parks mit allerhand grillenden Nationalitäten und am Rhein entlang, wo besonders die beiden “runtergekommen” wie sie waren von angehenden Influencern und Youtube Stars seltsam angeschielt wurden.

Marina und Nils hatten sich ein Zielbier gewünscht und so empfing Birger, ein Lauffreund der beiden, sie 500m vor dem Ziel mit je einer großen Flasche Kölsch.

Der Zieleinlauf ist auf dem Bonner Marktplatz und war wegen des lauen Sommer Abends mit voll besetzter Außengastromie wie ein Spalier. Um den die wirklich letzten Meter zu filmen lief ich vor und wurde applaudierend von der Menge empfangen. So gehört sich das! Doch ich beschwichtigte mit den Armen wedelnd schnell die Zuschaue und stellte mich in Position. Als die Beiden dann endlich auf das Ziel maschierten, drehten die Organisatoren die Musik auf und mit großem Gejubel wurden Nils und Marina nach gut 76 Stunden empfangen. Ein Gänsehautmoment. Und auch jetzt, wenige Wochen später entführt mich das Einlauf Lied und die Situation in eine andere Sphäre.

Die beiden wurden von allen Anwesenden großartig gefeiert, setzten sich auf den Boden, öffnet ihr Kölsch, nippten an ihrem Bier und wie auf Knopfdruck verfielen sie in Ruhe, Demut, Dankbarkeit und Müdigkeit.

Nils verabschiedete sich kurz später zu seinem in der Nähe liegenden Hotel, Birger nahm Marina mit zum Start nach Wiesbaden und mich zurück zu meinem Auto.

Mehr war es “eigentlich” nicht.

Doch diese 25km haben mich verzaubert. Verzaubert vom menschlichen Willen, was alles möglich ist, wenn man will und der Körper mitmacht, verzaubert von der Stimmung und Energie, die die beiden auch auf den letzten Kilometern immer noch hatten. Verzaubert von den tollen Helfern, die sich an den VPs den Tag und die Nacht um die Ohren schlugen – denn bei ca. 50 Teilnehmern passiert auch mal eine Stunde gar nichts. Verzaubert von der Musik und natürlich auch von der super schönen Strecke immer am Rhein entlang.

Diese insgesamt vielleicht 8-9 Stunden strahlen wie 2 Wochen Urlaub intensiv nach und lassen mich immer noch grinsen.

Wie muss es nur in Nils und Marina aussehen…. Gemacht habe ich quasi nichts und doch so viel erlebt.

Es war toll mit euch und wenn ihr nochmal jemanden auf den letzten Kilometern braucht, lasst es mich wissen…

Mein #WHEW100

Eigentlich könnte ich jeden Blog Eintrag mit einem: “worauf habe ich mich jetzt wieder eingelassen…” beginnen. Doch dieses Mal ist es wirklich so. Worauf hab eich mich also jetzt wieder eingelassen?

Das es diesen 100km Lauf rund um Wuppertal gibt, wusste ich schon einige Jahre. Doch angefixt hat er mich nie. Hallo Bauchgefühl… Doch nachdem die liebe Kati @runandk ihren 100km Startplatz Anfang März abgeben wollte, habe ich diesen kurzfristig übernommen.

Meine Ultra Vorbereitungen für dieses Jahr waren bis dato nicht wirklich vorhanden, im Januar hatte ich zwar mein eigenes #RUNTZEE Spiel erfolgreich abgeschlossen, im Februar einen 50k Lauf im Teutoburger Wald mit reichlich Höhenmetern absolviert, im März dann den #SCHLEUM, also den 50km Ultra #SCHLEM in der Einfahrt, aber das war es dann auch schon.

Um auf Strecken zu kommen bin ich zwei Samstage morgens und abends gelaufen um auf 50km zu kommen und einmal den Pilgerweg durchs Münsterland bis zum Dortmunder Hauptbahnhof mit 58km. Alles andere waren kürzere, selten eher längere Streak Distanzen. Die Wochenumfänge waren regelmäßig über 75km. Mein Laufkumpel Thomas @lennetaler sagte einmal: “wer 100km in einer Woche laufen kann, der kann auch 100km an einem Tag”. Aha. Und wer “nur” 75 kann…? Ich hatte mir also was anständiges vorgenommen.

Da ich zur selben Zeit, wo das eigentliche Tapering sein sollte, auch noch umgezogen bin, blieb vor dem Lauf keine Zeit sich verrückt zu machen. Manchmal machte ich mich damit verrückt, das ich mich nicht verrückt machte. So ruhig und entspannt war ich selten. Es sollte einfach so kommen. Der einzige Plan war, genug Geld dabei zu haben um aus jedem Streckenteil mit dem Taxi heimzukommen.

Mittwoch: mir fällt auf, das ich zwischen all den Umzugssachen mal mein Laufequipment zusammen suchen sollte und mich auf den Ultra vorbereiten sollte. Von Nervosität keine Spur…

Donnerstag: ich kaufe mir für die Fahrt noch einige Flaschen Wasser und ausnahmsweise eine Dose Redbull Cola, die ich auf dem Lauf mitführen will. Abends lege ich meine Sachen raus und schmeiße sie etwas lieblos in zwei Pappkartons. Und die Nervosität? Nur wenig mehr als am Vortag.

Freitag: ich fahre nachmittags nach Wuppertal, stelle unterwegs fest, das ich mein Portemonnaie im Job liegen hab lassen. Es ärgert mich, aber ich hoffe auf das Wohlwollen meiner Laufkameraden. In Wuppertal will ich in meinem Firmen Lieferwagen an Start und Ziel schlafen und morgens dann frisch und munter zum Start gehen. Derweil hat sich Kumpel Sven @svnkswttr im B&B in Wuppertal etwa 3km vom Start einquartiert. Wir treffen uns am Hotel, ich entscheide mich kurzfristig um und übernehme Svens Doppelbettzimmer Seite. Das machen dem super lustigen Rezeptionisten klar, dessen heimat irgendwo zwischen Tunesien und Sri Lanka ist. Ob wir um 07:30 Uhr Frühstück haben wollen, fragt er uns. Sven meint lapidar: da wären wir schon lange am laufen, wir würden schließlich gegen 04:30 Uhr aufstehen. Wie weit wir laufen würden fragte der Gute uns. Sven trocken: “100km”. Man sah sein Gehirn kurz aufflackern, dann einen System Neustart, ein tiefes durchatmen. Sodann wollte er unbedingt ein Foto von uns machen und am besten nach dem Lauf auch noch eines. Er selbst wäre nicht da, aber seine Kollegin, die würde es dann machen und ihm weiterleiten. Ein wirklich lustigen und freundlichen Menschen hat B&B dort gefunden… – Sven und ich sind noch was essen gegangen und legten gegen 22:00 die letzten Sachen raus.

Samstag: das Hotelfenster geht nach vorn zu einer stark befahrenen Straße heraus und nachdem ich endlich eingeschlafen war, weil Sven meinte den letzten Rest Hambacher Forst abzusägen, wurde ich schon wieder wach von diesem Geräusch, wenn Autos durch Regen auf nassen Straßen fahren. Wir frühstückten ausgiebig unser Mitgebrachtes im Snackbar Bereich des Hotels, tranken mehrere Becher Automatenkaffee, flaxten herum und wurden gegen 06:00 Uhr von Marina und Elzo (einem niederländischen Luna Sandals Läufer abgeholt). Gegen 06:20 Uhr waren wir dann am

Start: Pünktlich um 07:00 Uhr fiel der Startschuss zum 100 km Lauf und neben diversen Run&Bike Manschaften waren auch 12 Lastenbikes mit cooler lauter Musik im Pulk und verbreiteten Stimmung. Das Feld zog sich nur langsam auseinander und Marina und ich hatten uns vorgenommen zusammen zu laufen.

Nach ca. 15km wurde Marina wegen gesundheitlicher Wehwehchen stiller und grantelte kurz fast unmerklich neben mir. Es würde ein hartes Stück Arbeit für sie heute werden, das war klar… Das Wetter zeigte sich derweil abwechslungsreich mit Sonne, Hagel, Regen und ein paar Schneeflocken.

Bei km 25 wollte Marina, das ich vorlaufe, sie könne das Tempo nicht so wie gewünscht mitgehen, ich aber blieb bei ihr. Ich sagte ihr, sie müsse schon böse werden und mich wegschicken, sonst würde ich bleiben. Wir laufen zusammen, so das Credo.

Km 35 Marina steckt sich ihre Musik in die Ohren und läuft stillschweigend neben mir her. Sie beißt.

Bei etwa km 40 laufen wir auf einen älteren Herren mit Radbegleitung auf, der seinen rechten Arm die ganze Zeit über hängen lässt und nur mit dem linken Arm die typische Bewegung macht. Ich schaue mir das einige hundert Meter an und traue mich dann doch ihn zu fragen. Das schöne ist ja, das beim laufen alle gleich sind und wir duzen uns. Und dann erklärt er mir:

Er hatte vor neun Jahren einen schweren Unfall, ist auf seine Schulter gefallen und die Nervenstränge seines rechten Arms seien abgetrennt worden. So hätte er nun auch keine Steuerungsmöglichkeit dieses Arms mehr. Er habe sich geschämt dafür, immer mehr eingeigelt, wäre immer dicker geworden und hätte auch geraucht. Vor sechs Jahren dann, wäre er mit dem Laufen angefangen, hätte sich langsam aus der Dunkelheit heraus gezogen, immer wieder überaus positves Feedback aus der Laufwelt bekommen und somit mehr und mehr Selbstvertrauen. Er erzählte weiter, das er mittlerweile diverse Marathons in Europa gefinisht hätte und er wäre bei seinem 100km Debüt heute immer noch auf PB Kurs – und lachte.
Sein mitradelnder Freund!!! hatte ihm beim letzten VP aus Spaß ein Stück Schokolade in die Hand gegeben, es war ihm aber nicht möglich diese winzig kleine Last anzuheben. Da musste auch ich ein paar Mal schlucken. Ich zollte ihm meinen aller allerhöchsten Respekt, sagte ihm, das ich ihn nun als Vorbild nehmen würde, wenn es bei dem Lauf schwer werden sollte und wir liefen langsam an ihm vorbei…

Puh!!!

Und eigentlich kann ich jetzt meine wortfüllende WHEW Story abschließen, denn das ist eh nicht mehr zu toppen! Das hat mir gezeigt, das man immer wieder auf unfassbare tolle Schicksale bei diesen Läufen stößt, das ich mich nicht so anstellen sollte, wenn es mal nicht (schneller) geht (in meinem Leben) und so schließe ich mit den Worten: Sven hat gefinisht, Marina hat mich bei km 50 weggeschickt, ich selbst bin gut durchgekommen, sie hat sich bis ins Ziel durchgebissen und kam etwa 50min später ins Ziel. Und der Rezeptionist bekam noch sein Foto…

Ich ziehe meinen Hut vor diesen Menschen, die ihr Schicksal in die Hand nehmen, sich aus dem tiefsten persönlichen Loch heraus ziehen und aus eigener Kraft anfangen ihr Leben neu zu sortieren.

Ich wünsche mir und ich wünsche euch, das wir die Kraft haben und finden werden uns aus dem Sumpf des Lebens heraus zu ziehen und so straight das neue Ziel zu verfolgen, wie der ältere Herr, von dem ich leider weder Namen noch Startnummer habe. Hoffentlich denke ich an ihn, wenn es mir mal dreckig geht.

Danken möchte: Sven für seine Gastfreundschaft im Hotel und seine lockere Art – Marina, die mir mal wieder gezeigt hat, was der Körper kann, wenn der Kopf will – Kati, die mich mit Fred im Ziel so herzlich empfangen hat – den 12 Soundbike Kapitänen für die unentwegt gute Stimmung – allen Helfern an den VPs, die den ganzen Tag bei Wind und Wetter für uns da waren und natürlich Guido dem Veranstalter.

Und für alle die, sich auf einen langen detaillierten Laufbericht gefreut haben, tut es mir leid. Vielleicht beim nächsten Mal. Passt auf euch und denkt an den älteren Herrn vom WHEW, wenn es mal gerade nicht so geht wie ihr wollt…

Glück auf!

#RUNTZEE – Wir machen doch nur Spaß…

Damit meine Streakerei gerade in den Wintermonaten nicht zu langweilig wird, kam mir Mitte Dezember eine im nachhinein ziemlich bekloppte Idee. Mit diesem Aufmacher kann ich wahrscheinlich keinen mehr überreden weiter zu lesen. Doch in diesem Fall lohnt es sich wirklich. 🙂 Also am 01. Januar 1 km (1,6 km als Streak Erhalt) laufen, am 2. Januar 2 km laufen, am 03. Januar 3 km laufen, … bis zum 31. Januar und dann halt 31 km laufen. Nicht mehr, nicht weniger. In erster intensiver Klausur stellte ich eine kleine Überschlagsrechnung der Wochenumfänge an und stellte fest, dass die erste Woche mit 28 km locker machbar wäre, die zweite Woche mit um die 70 km so lala, die dritte Woche mit mehr als 120 schwerst machbar, Woche 4 zumindest für mich nicht möglich. Der daraus resultierende Gedanke war nun, die Laufkilometer so zu setzen, wie ich kann und will, aber immer nur einmalig. Ergo am 03. Januar z.B. 12 km, am 22. Januar 4 km, … Somit sind 12 und 4 km in dieser Challenge “verbrannt” und können zwar noch gelaufen, aber nicht mehr als Ergebnis genutzt werden. Es erschien mir wie eine Art “Kniffel”-Spiel zu sein. Da wir alle so schrecklich modern denken (ich größenwahnsinnig gleich an was Globales wie den Marcothon dachte) und sich die globale Kniffel Bezeichnung “Yahtzee” schimpft, habe ich meine Challenge #RUNTZEE getauft. “O.k. Runtzee! What is the next goal to run?” Sounds, äh klingt doch gut…

Nun noch ein bisschen Mathematik: unter der Suche “der kleine Gauß” findet man eine Formel um die Summe eine Zahlenreihe schnell zu errechnen, hier die maximalen Gesamt Kilometer. Man muss also nicht 1+2+3 +4 … addieren sondern nutzt die Formel und tataaa: es kommen unglaubliche 496 km dabei heraus. VIER! HUNDERT! SECHZUNDNEUNZIG!
Ganz klar, soweit kann man ( kann ich ) nicht laufen, ich werde also streichen müssen.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist Gau%C3%9Fsche-Summenformel-Beispiel.jpg

Sodann habe ich mir für das #RUNTZEE Spiel folgende Regeln “erarbeitet” (wer sich auf den Schlips ge-gender-t fühlt, kann sich gerne melden):

  1. Der Spieler kann so häufig oder selten im Monat laufen, wie er mag. Sollte er mehrmals am Tag gelaufen sein, geht die zuerst gelaufene Km Leistung als Wertung in den für alle Teilnehmer sichtbaren Spielplan ein.
  2. Gewertet werden dabei nur abgerundete km (15,8km –> 15km)
  3. Jede Eingabe gibt es exakt einmal also 1x 1, 1x 2, 1x 3,… (Januar 31, Februar 28…)
  4. Sollte der Spieler mehr als 31km gelaufen sein (z.B. Marathon) werden maximal 31km am entsprechenden Marker gewertet
  5. Das Ranking dient ausschließlich dem persönlichen Vergleich und darf zu keiner Zeit negativ gegen andere Spieler verwendet werden. Wie immer gilt beim laufen und eintragen absolutes “fair play”
  6. Jeder Spieler kann so viele Tage streichen ( X ) wie er mag oder muss (Kniffel Gedanke)
  7. Spieler können natürlich vorzeitig aussteigen, aber auch später einsteigen. Der Einstiegstag gilt als Mindestwertungstag
  8. Es können alle Kilometer Marker bis zur gelaufenen Strecke genutzt werden: 15 gelaufene Kilometer kann z.B. als “14” platziert werden, wenn 15 schon vergeben ist.
  9. Alles bei #RUNTZEE dient dem persönlichen Nutzen, der Motivation und dem Spaß. Es dient in keinster Weise dazu, sich oder andere zu schaden, zu kränken oder anderweitig übel mitzuspielen.

So einfach und so gut.

In der Theorie…

Ich habe meinen Laufbuddy Sven @svnkswttr angesprochen, der mir freundlicherweise eine tolle Tabelle konzipiert hat, in die man nur das aktuelle Datum an den jeweiligen Kilometer einträgt und der Rest wie Gesamtstrecke, Ranking, etc. angezeigt werden. Danke Dir Sven.

Wo ich schon bei Sven bin: ich habe Sven und seine Freundin Elli dazu überreden können, sich als Tabellentester zu herzugeben, habe die jetzt häufiger erwähnte (wahnsinnige) Marina und auch meine Frau ködern können, dort mitzumachen. Meine Frau allerdings in der Sonderwertung Rad fahren.

Und dann kam der 1. Januar…

Alle Teilnehmer waren hochmotiviert und eifrig dabei, die jeweiligen Läufe einzutragen. Sven und Elli im Trainingsmodus für die 50km in Rodgau preschten mit schier absurden Umfängen vorne weg. Uns blieb nur das Nachsehen. Sven war, wie nicht anders zu erwarten auf Platz 1 des Rankings, knapp dahinter Elli. Meine Frau, Marina und ich tauschten und wechselten die Plätze.

Da keiner mit einer gescheiten Taktik ans Werk ging, wurden die kleineren Kilometer fleißig aufgefüllt, man ließ sich die größeren Umfänge offen um dieses ggf. zu streichen. Ist ja alles nur Spaß.

Marina und ich liefen am 6. Januar die 45km in Bielefeld und durften somit stolz die “31” streichen, Sven und Elli zogen nach, da sie noch einen langen Lauf als Trainingsvorbereitung für Rodgau machten. Die beiden zogen es beängstigend durch. So beängstigend, das ich Sven zwischendurch sagte, das ich die Challenge nicht dafür erfunden hätte, das er sie gewinnen sollte. Sven winkte aber gleich ab, da die Rodgau Vorbereitungen sich dem Ende näherten.

Ich hatte richtig Lust auf #RUNTZEE, war es doch ein kleines Spiel um Taktik und eigener Genugtuung, nach dem Lauf wieder eine Zahl zu streichen.

Was ich nicht bedacht hatte, war die Tatsache, das immer mehr lockere Läufe “verbraucht”, aber noch viele größere Weiten übrig blieben. Ich holte mir Motivation bei Marina, die einmal mehr voller Schwung war und alles super fand…

Circa 10 Tage später:

Meine Frau fährt tapfer Rad, selbst weitere Strecken, die sie sich nicht zugetraut hat, absolviert sie und ist stolz über ihre Motivation. Marina und ich verfallen in den ersten Trashtalk und versuchen durch liebesvolles Bitten und um Sorge des Anderen Gesundheit doch einfach mal ein bis zwei Tage zu streichen. Doch unsere Bitten bleiben unerhört. Jeder versucht seine Läufe zu absolvieren und der Linie treu zu bleiben. Ist ja eh alles nur Spaß.

Weitere fünf Tage später:

Sven und Elli machen ihr Ding und sie laufen, so wie es ihnen beliebt. Meine Frau macht ihr Ding und sie fährt so, wie es ihr beliebt. Marina nervt mich mit ihrer Lustlosigkeit, ich nerve sie mit meiner Müdigkeit. Noch immer hat keiner ein “X” gesetzt. Das stimuliert das natürlich ungemein, will man sich doch nicht die Blöße geben, negativ gedacht könnte es sein, das es nur ums verheizen geht. Klar, Marina kann alles und nichts laufen, ist aber selbst am Limit, Sport, Beruf und Privates unter einen Hut zu bekommen. Ich schlafe seit einigen Tagen jede Nacht im Prinzip 60 – 90 Minuten weniger als üblich, so das ich die langen Läufe noch vor der Arbeit platzieren kann. Ich erwische mich immer häufiger dabei, dass die Tageszeitung unberührt bleibt und dass das Frühstück aus zwei Hand salzigen Erdnüssen und ein Kaffee im stehen besteht. Für mehr ist keine Zeit. Nur Spaß? Eher leicht nervöses Zucken.

In der dritten Woche laufe ich insgesamt 162km. Das sind 45km mehr als meine “ewige” Bestleistung aus dem November. Alles verrückt. Jetzt bloß keinen Infekt, umknicken oder sonstiges. Schon lange habe ich mich, haben wir uns davon verabschiedet, einen Lauf zu streichen. Das Battle zwischen Marina und mir ist in vollem Gange. Und doch sind wir große Sportsgeister, bleiben fair und gehen ehrlich miteinander um.

Einen Morgen schreibt mir Marina, das sie mir zu meinem Sieg gratuliert, weil sie eine Muskelverhärtung hätte und sie sich einen Husten (sie nennt ihren Husten Ralph [mit ph!!] ) eingefangen hätte. So will ich nicht gewinnen. Ich biete ihr an, das ich auch einen Tag streiche, sie widerum schiebt alles auf mich und sagt ich solle es für uns beide zu Ende laufen – noch am gleichen Tag knetet sie ihr Physiotherapeut halbwegs zusammen und sie läuft fortan mit Ralph. Respekt Marina!! Irgendwo zwischen Wahnsinn und Irrsinn ist sie zu Hause..

Immer häufiger krame ich beim laufen motivierende Sprüche raus, muss mich selbst einmal zum weiterlaufen anschreien. Die mich beobachtenden Rehe müssen sich schwer gewundert haben, das da ein Mensch mit Stirnlampe plötzlich stehen bleibt, sich an schreit und dann langsam weiter trabt. Alles bekloppt. Jetzt haben nur noch die Rehe Spaß.

Am vorletzten Tag stemme ich dann eine neue virtuelle Tür auf: dadurch, das ich nicht immer nur die Mindest Kilometer gelaufen bin, komme ich am 30.01.2019 um 08:07 Uhr an den Punkt, an dem ich die 500 km Schallmauer durchschreite. Marina muss zu diesem Zeitpunkt auf Grund eines weiteren Ultras im Januar ca. 540 km auf der Uhr haben. Mit normalem Spaß hat das alles wenig zu tun. Selten freuen wir uns aber so auf den Februar, fragen uns aber auch was wir mit der ganzen Zeit anstellen sollen. Naja, zugegeben, es ist einiges liegen geblieben und ich freue mich besonders auf ein Frühstück im sitzen.

30.01.2019 21:32 Uhr: morgen soll ich also den letzten #RUNTZEEE Lauf machen, einundzwanzig winzige Kilometerchen* um das Ziel der maximalen 496km zu bestehen. Na dann, gute Nacht. – *Wie verächtlich, oder? Ich muss mich bei all denen entschuldigen, die einmal in ihrem Leben von einem Halbmarathon Finish träumen.

31.01.2019 – Ich werde gegen 03:10 Uhr wach, nervös liege ich im Bett und versuche wieder einzuschlafen. Ich wälze mich hin und her. Wenn ich um 04:15 Uhr loslaufen und gemächlich die letzten 21km laufen würde, wäre ich um 07:00 Uhr aus der Dusche, könnte meine Frau wecken und mit ihr frühstücken. Mein Körper heizte sogleich an, von liegen bleiben war eh keine Rede mehr. So zockelte ich um 04:07 Uhr los durch den frisch gefallenen Schnee, blieb immer wieder stehen, schaute mir die Spuren der Tiere an, zeichnete “WER SCHNEE FÜR SICH ALLEINE HABEN WILL, DER MUSS FRÜH AUFSTEHEN <3 ” in den Schnee und filmte das ab. Gib mir Schnee und ich bin Kind – herrlich. Im Stadion lief ich mit den Hasen eine Ehrenrunde und zuckelte dann weiter. Ich musste mich etwas ranhalten, damit mein Frühstücksplan aufgehen sollte…

Gegen 06:30 Uhr war es dann soweit, etwa 1500m vor zu Hause durchlief ich den 21. Kilometer, blieb kurz stehen, lächelte und machte mich wieder auf. So schnöde das hier steht, war es auch. Kein Jubel, kein Sekt, keine Raketen. Einfach laufen, laufen, laufen laufen, laufen….

Ich habe im Januar insgesamt 525 km in 50h 34min absolviert – reine Laufzeit, in den letzten drei Tagen alleine 70km, Geschätzte 40h davon waren morgens im Dunkeln, mal mit Regen, mal klar und kalt. Dazu noch das An- und Ausgeziehe, Gedusche und was auch alles dazu gehört. Ich glaube, das war alles ziemlich bekloppt, bin mir aber nicht sicher. Doch wenn ich rechne, wie lange der “gemeine” 3x die Woche 8km Jogger für die Strecke benötigt, nämlich gute 5 Monate zuckt meine Oberlippe kurz und ich grinse in mich hinein. Für mehr bin ich zu müde.

Und nun, wer ist hier der Sieger? Keiner? ALLE!!! Meine Frau ist ist im Januar so viel Rad gefahren wie noch nie im Januar, vielleicht auch in ihrer ganzen Streak-Radel-Zeit. Und somit ganz klar Siegerin. Elli ist Siegerin, weil sie in Rodgau durch Fleiß und Können ihre Bestzeit um gut 10 min unterboten hat und danach nicht schlapp gemacht hat. Sven ist Sieger, weil er die Tabelle erstellt hat und gerade am Anfang durch seine Läufe Schwung in den Laden gebracht hat. Marina ist Siegerin, weil sie es trotz privatem Trubel und Ralph so hammerhart durchgezogen hat und insgesamt noch mehr Kilometer gemacht hat. Sehr geil, krank und verrückt. Ja und ich bin auch einer. Warum? Denken Sie sich etwas aus…

Welch ein Schwachsinn, welch Gaudi, welch Drama. #RUNTZEE ist besser als jede Seifenoper, sie fordert und fördert. Ich, nein wir alle haben alles gegeben. Ob ich noch einmal in meinem Leben in einem Monat so weit laufe (12,5 Marathon Strecken) so weit in einer Woche (162,5 km), so viel laufe (ungefähr 51 Std. netto) weiß ich nicht. Jetzt muss ich erst mal ausruhen, den normalen Lauf Alltag einkehren lassen, Kraft tanken und erholen. Bis morgen lieber Streak… DANKE EUCH ALLEN!!! GEILE FÜNFER BANDE! Es war mir ein Fest. Ein besonderer Tripp und ein Erlebnis. Und Ralph verzieht sich jetzt, sonst gibt es mal richtig Ärger…

Nach 500 km ist man in Paris, in der Schweiz oder in Polen…

Advent, Advent, die Sohle brennt

Was hat mich denn jetzt schon wieder geritten? Der Deal ist eigentlich ganz einfach: an jedem Adventssonntag einen Marathon zu laufen. So aus dem nichts heraus… Jetzt, wo ich die Zeilen schreibe, ist zumindest der 2. Advent herum und der Dritte in Lauerstellung. Und zum Glück kann ich von mir  nach der ganzen Streakrei bei denen ich die langen Läufe zur Vorbereitung eines Marathons vernachlässigt habe, behaupten, das ich es noch kann.

Mit ins Boot und zur Unterstützung habe ich mir die liebe Marina geholt. Kennengelernt erst persönlich beim 1. Baldeney Ultrasteig im November, scheint es aber zwischen uns zu passen. Ich muss mich eigentlich verbessern. Ich kann von “dem jungen Ding” noch viel lernen, wenn es darum geht fröhlich unbekümmert in ein Laufabenteuer zu gehen und jegliche Qual und Sorge einfach wegzulachen. Also Schluppe: Kopf aus!!!!

Wir schrieben uns ein paar mal und dann war die Sache klar: Marina macht mit. Für sie eher ein kleiner Trainingslauf am Wochenende, freute ich mich mit ihr zusammen den ersten Adventsmarathon zu laufen. 

Drei Tage zuvor geht mein Telefon. Marina. Was ich denn Samstag machen würde. Ich sage, nichts, ich müsste halt arbeiten. Ob es ihr nicht auskäme am Sonntag. “Doch, doch” sagte Marina, aber man könne doch am Samstag auch schon einen Marathon laufen, quasi als Doppeldecker. Meine Kinnlade fiel herunter. Womit hatte ich mich also bei dieser Person eingelassen…

So lief Marina schon am Samstag einen Marathon und am Sonntag halt noch einen mit mir. Kinderkram.

Marina verspätete sich am Sonntag etwas und dann ging es um 08:30 Uhr los. Bei Regen. Mal mehr Regen. Mal weniger Regen. Mal von links. Mal von rechts. Von oben oder von vorne. Es regnete eigentlich immer. Eine Eigenschaft, die Laufverrückte haben und teilen müssen, ist der Galgenhumor. Wir redeten uns ein, wie doof es bei Sonne wäre, Sonnencreme in den Augen, der Schweiß und überhaupt. Dabei liefen wir entspannt durch die westfälische Tiefebene, immer mal wieder an meinem Auto vorbei, welches als VP diente und uns zumindest bei den Pausen einen dann überflüssigen Wetterschutz  bot. Nass bis auf die Knochen tratschten und quatschten wir über vergangenes und zukünftiges. 

Nach gut 4,5 Std war der Spuk vorbei, Marina verabschiedete sich und unser erster Adventsmarathon war Sack.

Den zweiten Advent würden wir getrennt laufen. Marina zog es ins Siebengebirge zum Trailmarathon. Ich entschied mich auf Grund noch schlechterer Wetterlage ins örtliche Stadion. Runden laufen mal mit Gegenwind, mal mit Rückenwind. Hallali, regnete es nicht. Es schüttete. Meine oberste Kleidungsschicht war ein Regenponcho. Dicht gegen jegliches Wetter, so dicht, das sich darunter ein feuchtfröhliches Mikroklima bildete. Der Poncho klebte an meinen Sachen. Zum Glück war mir nicht kalt. 

Marina und ich schickten uns traditionell vorweihnachtliche Wetterflüche und Anfeuerungen per Sprachnachricht. So waren wir nicht ganz so allein. 

Nun lief ich Runde um Runde – bis ich auch den 2. Adventsmarathon erfolgreich beendet hatte. Schnell in etwas trockenere Sachen, zum Bäcker Brötchen holen und ab nach Hause….

Jetzt ist Donnerstag: Marina wird am Sonntag in Belgien den Bello Gallico laufen, also 80km durch den belgischen Matsch. Ich sage ja, die Frau hat ´nen Knall 😉 Ich für mich weiß noch nicht, wie ich genau meinen Lauf gestalten werde. Vielleicht laufe ich in den Advent hinein – durch die Nacht…

Eine Woche später, Freitag Abend und so langsam habe ich mich vom dritten Marathon erholt. Es war ein reiner Arbeitslauf, der mir noch bis Mittwoch in den Knochen steckte. Auf Grund von Terminüberschneidungen am Sonntag gab es für mich nur die Möglichkeit Samstag Abend loszulaufen und früh am Sonntag Morgen zu finishen. Damit wäre Marathon und Streak gerettet. Ich bin also um 20:30 Uhr los. Es war kalt (-2 Grad) feucht, dunkel, ungemütlich, einsam und launisch. Trotz Hörbuch, trotz Musik hat sich dieser Lauf wie Kaugummi gezogen und gefühlt war das der härteste Marathon, den ich je gelaufen bin. Ich habe keine guten Gedanken daran, war nicht stolz, nicht glücklich – einfach nur leer, müde – abgehakt. Wie ein Besuch bei nervigen Verwandten.

In zwei Tagen ist dann Nummer 4 an der Reihe. Ich freue mich schon jetzt drauf, nicht ein Etappenziel zu erreichen, sondern “nach Hause” zu laufen. Mit jedem Kilometer 1000m näher am Ziel. Das wird toll…

Samstag; der Countdown läuft. Es soll NICHT regnen. Das wäre mehr als phantastisch, sind wir doch die letzten drei Läufe mehr oder minder bis auf die Knochen nass geworden…

Sonntag morgen 08:00 Uhr: Marina trifft pünktlich ein und wir laufen wirklich bei Trockenheit los. Der Himmel ist grau und verhangen bei + 7 Grad, leichtem Wind. Laut Wetter App soll es erst um 13:00 Uhr anfangen zu regnen. So laufen wir beide um die Felder und reden und tratschen. Marina meint, man solle Männer immer bei einem Ultra daten, dann wüsste man wie sie sich in Extremsituationen verhalten, welche Schimpfwörter sie drauf haben und wie sie in (Not -(durft)- )Situationen mit dem Problem umgehen. Eigentlich keine so schlechte Idee. Und obwohl wir uns “nur” auf der Marathon Distanz beschnuppern, scheint die Wellenlänge doch ähnlich zu sein. Unsere Gespräche sind derbe und könnten verstörend wirken, deswegen gehe ich nicht ins Detail. Wir laufen und wir lachen, die Zeit läuft und die km ticken so runter. Und als ob der Himmel vor Glück weint, fängt es bei km 41 an zu regnen. Wir lachen darüber, klatschen uns ab und freuen uns über die letzten anstehenden Meter. Zum großen Finale laufen wir noch zwei Runden auf der #SCHLEM Traditionsstrecke und dann ist der vierte Marathon vollbracht. Ganz cool eigentlich!! Ich freue mich, Marina freut sich. Wir umarmen uns und dann ist sie auch schon wieder verschwunden.

Was bleibt: Nach dem #Kreuzberg50 im Oktober bin ich keine wirklich langen Strecken mehr gelaufen, bin vor mich hingestreakt, mal mit richtig vielen Wochen Kilometern, manches Mal vor mich hin dümpelnd. Als ich mich dazu durchgerungen habe vier Marathone an vier aufeinander liegenden Wochenenden zu laufen, wusste ich nicht, was mich erwartet. Zum Glück hatte ich mentalen Support von Marina und viel Raum und Zeit, die mir meine Frau gab um an einem Sonntag einfach mal 4-5 Std. fernzubleiben. Besonders deswegen, weil wir nur den Sonntag als gemeinsamen freien Tag haben. Danke Dir!!! 

Wieder einmal habe ich mir bewiesen, das ich etwas kann, auch wenn es kein monster weiter Ultra mit 70.000 Treppenstufen rückwärts mit verbundenen Augen gewesen ist, war es eine Herausforderung für den Kopf und zudem eine beeindruckende Regenerationsfähigkeit meines Körpers. Auch wenn die werte Leserschaft natürlich sagen wird: natürlich kannst du was – ab und zu muss man sich das halt auch selbst beweisen.

In diesem Sinne: bis zur nächsten Beklopptheit auf diesem Kanal.

 

 

 

 

Kölnpfad 2018- Klüngel der liebenswerten Art

Wir treffen Christian, Mitte 40, einen dieser Menschen, die sich voll und ganz ihrem Hobby verschrieben haben. Christian läuft gern. Laufen nicht in dem Sinne von Firmen- oder Stadtläufen. Ihn reizen die Strecken jenseits des Marathons. Alles über 42,195km würde man Ultra nennen. Das hätte nichts mit den Stadion Raufbolden beim Fussball zu tun, erklärt er mir und lacht. Sein Lachen ist ansteckend, ein Typ der in sich ruht, mache ich mir Notizen.

Wir haben Christian bei seinem letzten Lauf dem sog. Kölnpfad begleiten dürfen. Mit seinem Freund Christian aka Trailtiger erleben wir eine Strecke von unglaublichen 110km. Der Fernwanderweg verläuft einmal um ganz Köln und zeigt viele unterschiedliche Facetten der Rheinstadt. Die Gesamtlänge ist eigentlich 171km, aber sowas macht ja keiner erklärt uns “Tiger”.

Freitag Abend: Christian treffen wir zu Hause an, wie er gerade all seine Sachen und Ausrüstungsgegenstände fein säuberlich zusammen legt. Da habe jeder seinen eigenen Stil, so Christian. Später treffen wir noch seine Frau Nina und fragen sie nach dem Vorhaben. Angst habe sie nicht, die beide würden sich blendend verstehen und gut aufeinander aufpassen. Sie hätte ihn halt laufend kennen gelernt und unterstützt seine Vorhaben. Manchmal würde es ihr allerdings auch zu bunt, lacht sie.

Christian verabschiedet sich gegen 22:00 Uhr und geht zu Bett. Der Wecker ginge schließlich um 05:00 Uhr. 

Wir verabschieden uns und verabreden uns für Samstag 06:00 Uhr. 

Fröhlich öffnet Christian uns die Tür. Nervös, nein nervös wäre er nicht. Aber eine gewisse Aufregung gehöre schließlich dazu. Wir fahren gemeinsam zuerst Richtung Ruhrgebiet, um in einer Kleinstadt seinen Freund “Tiger” und gefühlt eine Woche Urlaubsgepäck einzuladen. Danach geht es weiter zum Zielbereich nach Köln, wo sich die beiden Namensvetter ihre Startnummern abholen und letzte Vorbereitungen treffen. Um 08:45 Uhr fährt sie und ca. 40 weitere Teilnehmer eine gecharteter Reisebus zum eigentlichen Start am Rheinenergiestadion. Im Bus herrscht gute Stimmung, Teilnehmer lachen und zeigen sich belustigt über die Wettervorhersage. 30 Grad sollen es wohl werden, so Tiger. 

Um kurz vor 10:00 Uhr versammeln sich alle Ultraläufer um den Veranstalter Tom Eller, der eine kurze Rede hält. Er weißt nochmals auf spezielle Streckenabschnitte und die Wärme hin. Trinken, trinken, trinken, so Eller. Gemeinsam zählen alle herunter und pünktlich setzt sich die Läuferschar in Bewegung. 

Das erste unerwartete Hindernis taucht noch am Rheinenergiestadion auf. Ein Ordner lässt die Läufergruppe nicht am Stadion vorbei. Nach kurzer Diskussion wird es diesem aber zu bunt und lässt zähneknirrschend die Sportler durch…

Der Kölnpfad ist einer von 14  Rundwanderstrecken, die vom “Kölner Eifelverein” betrieben und unterstützt werden. Dieser über 125 Jahre alte Wanderverein markiert mit einem weißen Kreis auf schwarzem Grund den Weg und ebnet dem Wanderer die Möglichkeit einzelne Etappen oder die komplette Strecke zu durchgehen.

Zurück zu unseren Hauptakteuren, die sich mittlerweile in einem eher ruhigen Lauftempo bewegen. Immer wieder kommt es vor das sie eines der Hinweistafeln übersehen. Teils durch rankende Pflanzen, teils durch Vandalismus. Kein Problem erklären beide: der sog. GPX Track sei auf den Handys und auf einem Handheld, einer Art Navigationsgerät für Wanderer geladen.

Nach ca 12km erreichen wir den ersten Verpflegungspunkt (VP). Die Läufer, die den kompletten Kölnpfad absolvieren, haben zu dem Zeitpunkt schon 75km in den Beinen. An jedem VP warten freiwillige Betreuer, die häufig selbst Ultraläufer sind oder einen besonderen, meist familiären Draht zur Szene haben. Ein freundliches Wort, ein Stück Melone, die Getränkeflaschen aufgefüllt, geht es schnell weiter.

Die Strecke wechselt immer wieder zwischen angenehm schattigen Stücken und offenen Grünflächen. Man merkt jetzt schon das es eine Hitzeschlacht werden wird.

Wir dürfen an den Gesprächen der beiden teilhaben:  zwischen ruhigen Momenten wird gelacht und gefoppt. Aber auch ernste und sogar kritische Töne werden angeschlagen. “Stell uns in ein paar Stunden mal eine Rechenaufgabe, da sind wir gaga” lacht Tiger. Der Körper würde auf Schonbetrieb umschalten und so bliebe halt nicht mehr so viel für das Rechenzentrum über.

Nach weiteren 13km kommen wir zum nächsten VP. Flüssigkeit auffüllen, eine Handvoll Studentenfutter, ein paar Stücke Melone. Diese Stationen sind wahre Oasen, liebevoll drapiertes Obst, Müsliriegel, allerhand unterschiedlicher Getränke lassen auch uns das Herz höher schlagen. Aber es geht weiter. 

Die nächsten Kilometer geht es direkt am Rhein entlang. Rechts der Fluss, links die überholenden Radfahrer. Man müsse sich halt arrangieren erklärt mir Tiger. Derweil der erste Gemütsausbruch von Christian. Haben wir ihn doch als einen ruhigen und sympathischen Läufer erlebt, raunzt er jetzt herum. Der Tiger lacht und erklärt: jetzt ist er in seinem Element. Christian könne sich gern an kleinen Dingen aufregen und die Wärme mache halt auch was aus. Aber so schnell sich Christian aufgeregt hat, kommt er auch wieder runter. Wir traben weiter am Rhein entlang, überqueren die Autobahnbrücke der A4 und folgen dem Fluss in die andere Richtung. Nach weiteren 11km erreichen wir wieder einen VP.

Dort erwarten uns liebe Menschen, die nicht nur eine Massage Liege und Zelte zur Erholung aufgebaut haben, einen Kühlschrank am Generator, oder eine Bierzeltgarnitur, sondern auch eine mobile Dusche installiert haben, die beide gleich nutzen um ihre T -Shirts nass zu machen. Kühlung ist das A und O. Hier erleben wir die Ultra Welt. Inning und verbunden. Nach 10min Oase geht es auch schon wieder weiter.

Wir sind unterwegs zum nächsten VP. Christian macht uns Sorgen. Er wird zunehmend schweigsamer und lässt sich einige Meter nach hinten fallen. Derweil erklärt uns der Tiger, daß das ganz normal sei. Es gebe halt Höhen und Tiefen im Ultra laufen. Man komme da selbst wieder raus, manchmal wüsste man halt nicht den Weg aus dem Dilemma. Christian greift zu seinen Kopfhörern. Selbst wir hören den stampfenden Technobeat, dem er sich jetzt hin gibt.

Wir kommen in ein Waldstück, schattig und angenehm. Der Kölnpfad ist zum Trampelpfad geworden. Wir müssen hintereinander laufen. Als ich mich umschaue, liegt Christian gerade auf dem Boden und rappelt sich auf. Den Sturz haben wir nicht mitbekommen. Wutentbrannt taucht er unter uns weg, setzt sich an die Spitze und läuft ein Tempo, welches viel zu schnell für dieses Unterfangen ist. Der Tiger hält mich zurück. Wir sollen ihn ziehen lassen, er müsse das jetzt mit sich ausmachen. Nach 5 Minuten ist der Spuk wieder vorbei. Wir bewegen uns wieder ruhig durch die Landschaft. Mittlerweile brennt die Sonne erbarmungslos auf uns nieder.  Auf einmal gibt es Unstimmigkeiten zwischen den beiden. Der nächste angekündigte Erholungspunkt ist nicht dort, wo er laut Briefing sein soll. Beide schauen auf ihre Handys, vergleichen und beratschlagen sich. Eine Lösung haben sie nicht, er wird schon kommen.

Er kommt auch. Dort erleben wir, wie zwei der Teilnehmer das Handtuch werfen. Sie sind raus, ein sog. DNF (did not finish) ereilt die beiden. Diese Momente sind die traurigen und dunklen Seiten der Ultraläufe. Häufig liegt es nicht an körperlicher Erschöpfung sondern das das Kopfkino den Sportler mürbe macht. Das könne jeden treffen, so Christian. Und solche Vorlagen brächten einen gerne selbst in Grübeln.

Was jetzt kommt wird in der Kölnpfad Comunity später liebevoll als Todeszone bezeichnet. 17km bis zum nächsten Verpflegungspunkt zur besten Nachmittagszeit ohne einen Schattenpunkt lassen uns erschaudern. Abwechselnd gehen und laufen wieder an. Die Sonne brennt, die Grillen zirpen, Wind, wenn überhaupt, weht warm über unsere Körper und fordert uns alles ab. Wir bleiben an einer Böschung stehen, die uns kurz Schatten bietet. Die Luft flimmert, weit vor uns ein Sportler, weit hinter uns ein anderer. Wir gehen alle an unsere Grenzen. Doch was dann passiert sind diese wunderbaren Momente, von denen die Ultras immer wieder berichten. Wir kommen an eine Biegung am Ende einer Wohnsiedlung. Dort hat der Besitzer einen Gartenschlauch mit einer Regendusche in seine Birke gehängt und unablässig rieselt das Wasser auf die Strecke. Einfach so. Wir kühlen uns ab, freuen uns für den Moment und traben weiter. Danke!!

Am Ende dieser Felder tauchen wir wieder in den Großstadtdjungle ein. Auf der linken Seite taucht auch ein Supermarkt auf. Christian schert aus und läuft Richtung Supermarkt. Kurze Zeit später kommt er mit Calippo Eis für alle wieder. Wir freuen uns über diesen tollen Zug.

Wir merken, das die Sonne nicht mehr so intensiv brennt, auch die Schatten werden länger. Das Schlimmste ist also überstanden. Am nächsten VP erwarten uns viele Teilnehmer die auf Isomatten im Schatten sitzen, ihre Blicke teils weit weg, teils auch im jetzt. Christian kommt mit einer Kartoffelsuppe wieder und freut sich. Wir stehen zusammen und leben die letzten Stunden noch einmal durch. Das war brutal sind wir uns einig. Nach 15 Minuten geht es langsam wieder weiter. Erst gehend, dann langsam anlaufend.

Plötzlich sind die beiden Christians nicht mehr allein. Sven hat sich zu ihnen gesellt. Sie kennen sich noch vom letzten Jahr und sind gleich auf selber Wellenlänge. Das Tal scheint durchschritten zu sein, es wird gelacht und gespaßt und allen tut die Abwechslung merklich gut.

Weiter geht es Richtung Bensberg. Die ursprüngliche Strecke sollte durch den Königsforst gehen, doch es gab Unstimmigkeiten zwischen Ämtern und Veranstalter. So laufen wir nicht durch  sondern quasi um den Königsforst. Der Schatten und die Kühle des Waldes gibt den dreien Energie zurück. Die Temperatur ist gerade hier im Wald deutlich angenehmer. Immer wieder gibt es kurze Gehpausen, aber es gibt insgesamt neue Zuversicht.

In Bensberg angekommen ist der nächste Verpflegungspunkt kurz vor dem Schloss fast an höchster Stelle auf einer Terrasse. Als wir ihn erblicken, werden auch wir gesehen. Athleten und Helfer klatschen und jubeln. Jeder feiert jeden. Ich muss mittlerweile meine Meinung über die wahnsinnigen Laufspinner endgültig über Bord werfen, erlebe ich doch immer wieder tolle Momente wie diese. Niemand ist allein, jeder fragt nach, sollte man den Eindruck haben das der oder die Überholte gerade durch ein Tief geht. Eine große wunderbare Gemeinschaft. Das gibt es nur bei den Ultraläufen, so Christian. Ab 42km werde alles viel entspannter, das Konkurrenz Denken sei vorbei.

Wir machen in Bensberg eine längere Pause, sitzen das erste Mal, tanken Körper und Seele auf. Auf meine Nachfrage wie weit wir sind, denke ich an die Rechenaufgabe vom Anfang. Ich bekomme unterschiedliche Aussagen. So ca. 80km lachen mich die drei an. Ist also nicht mehr weit.

Die Sonne geht langsam unter und wir laufen durch kleine Dörfer und überqueren Felder und Wiesen. Mal als Trampelpfad, mal als breiter Radweg. Dann kommen wir an einem Bauernhof vorbei und der Tiger schreit: “Christian, hier ist dein Kakaoautomat!” Was jetzt passiert wundert mich selbst nicht mehr: Christian schwenkt aus zu einem Automaten, an dem man Milch selbst zapfen kann. “Hier hat er letztes Jahr um 02:00 Uhr nachts einen Kakao gekauft und war selig. Verrückter Kerl…” erklärt Tiger.

Die Sonne ist mittlerweile verschwunden und wir laufen mit Stirnlampen. Immer wieder tauchen jetzt Wanderer auf, die sich an den 100km versuchen, die der Veranstalter auch organisiert hat. Reflektierende Marker an ihren Körpern und deren Equipment lassen sie von weitem schon ausmachen. Beim Vorbeilaufen jubeln wir ihnen zu und bekommen Szenenapplaus. Eine wunderbare heile Welt.

Ich war der Meinung alles heute schon erlebt zu haben, aber was die sog. Laufbrigade Oberberg auf einem Parkplatz aufzieht sucht seines gleichen. Ich fühle mich eher wie auf einem Rockertreffen. Laute Heavy Metal Musik und Grillwürstchen erwarten uns. Wer keine Wurst will bekommt warme Worte und Tomatensuppe. Eine ausgelassene Stimmung wie auf einem Gartenfest nimmt uns ein. Immer wieder helfende Hände betüddeln uns auf Herzlichste. Als wir wieder losziehen, beklatschen sie uns in die Nacht.  Noch 20km rechnet Tiger uns vor. Also weiter gehts.

Wir laufen durch Wälder und über Schotterwege. Kalt ist uns allen nicht. So langsam kommen selbst bei mir Gedanken auf, das Ziel des Kölnpfads zu finishen. Sven sagt, ich könne jetzt auch spazieren gehen, so viel Zeit sei noch bis zum Cut Off, dem Zielschluss. Weiter geht´s. Wir wechseln immer wieder waldige Passagen gespickt mit Weihern und kleinen feinen Wohngebieten. In einem Waldstück sind sich Tiger und Sven sicher: gleich kommt der letzte VP. Und wahrlich. Was uns dort erwartet lässt unsere Herzen höher schlagen: wie eine Einflugschneise einer Landebahn sind auf dem Waldweg rote Kerzen aufgestellt. Wir landen. Und sind glücklich. Es gibt für jeden noch einmal Getränke, Riegel, liebe Worte. Eine der Helferinnen fragt uns ob wir hinter uns jemanden gesehen hätten. Tiger antwortet, das wir jemanden von den 171igern überholt hätten, der gar nicht gut ausgesehen hätte. Schnell schnappt sie sich hier Kopflampe und sagt, das sie ihm mal ein Stück entgegenlaufen wolle, dann würde es ihm nicht so schwer fallen. Ich sinniere: was geht ihnen diesen Mensch bloß vor, stehen zusammen und helfen sich wo es nur geht. Alle für einen, einen für alle.

Wir machen uns auf zur finalen Etappe, sind es doch noch 10km von insgesamt 110km. Ein letztes Mal durch Wälder, an quakenden Fröschen vorbei, ein langes tristes Stück an einer Eisenbahn vorbei überqueren wir alsbald eine Wiese und tauchen ein letztes Mal ein in die Zivilisation. Der Tiger lacht. “Gleich kommt noch ein Waldstück, es ist noch nicht vorbei.” Wir traben durch die Nacht. Mittlerweile ist es 02:30 Uhr, wir sind seit 05:00 Uhr auf den Beinen. 

Der Wald spukt uns aus. Wir überqueren ein letztes Mal eine Straße und laufen in den Zielbereich. Es wird gejubelt, es wird geklatscht, die drei umarmen sich herzlich. Sie nehmen auch mich in den Arm, war es doch auch für mich ein unvergessliches Erlebnis. Geredet wird nicht mehr viel, zu müde sind wir alle.

Gegen 04:00 Uhr fahre ich die beiden Christians nach Hause, Sven mussten wir vorher Lebe Wohl sagen. Sie sind mir dankbar, Kupplung treten wäre jetzt uncool, grinsen sie. Etwa 05:00 Uhr ist auch meine Reise vorbei, mache es mir in meinem Auto gemütlich und schlafe ein paar Stunden. Ich denke noch so das ….und dann bin ich auch schon weg.

Was bleibt ist eines der tollsten Abenteuer die ich erleben durfte. Dieser Einblick in eine Gemeinschaft, die auch Fremde mit offenen Armen aufnimmt. Keiner ist allein, alle ziehen an einem Strang. Ich erinnere mich, das ich die beiden auf der Hinfahrt gefragt habe, ob laufen süchtig machen könne. Sie verneinten es, aber das drum herum wäre schon toll. Jetzt weiß ich warum sie es machen, dieses Ultra laufen, jenseits der 42,195km.

Vielen Dank Sven, Tiger und Christian.