Die letzten Wochen und Monate waren etwas öde in meinem Rennkalender. Nach der Absage beim ZUT aus Vernunftsgründen wäre die nächste Haltestelle der Berlin Marathon 2016. Der Berlin Marathon, der mir 2015 so manche Träne gekostet hatte, weil ich mir 11 Tage vor Startschuss einen Muskelfaserriss zugezogen hatte ist dieses Jahr z. Zt. mehr Frust als Lust. Mir fehlt aktuell der Biss mich richtig hinein zu hängen, auch mit den langen Läufen will es nicht so recht klappen und so quäle ich mich mehr schlecht als Recht an den Wochenenden über die 25km- obwohl ich so langsam auf die 30km kommen sollte.
Relativ kurzfristig erfuhr ich von einer tollen Aktion: einem Sternlauf zu Gunsten Kinder Krebshilfe Münster der aus 5 Strahlen kommend in Münster enden sollte. Hier könnte ich einen langen Lauf mit einer guten Aktion verbinden, alte und neue Leute treffen und einmal wieder etwas fürs Selbstvertrauen tun.
Für mich war schnell klar welche Strecke ich nehmen sollte und der Zufall wollte es, das einer der Verpflegungsstellen (VP) und Einstiege in die Strecke meine Geburtsstadt sein sollte. Damit würde das Ziel in 64km Entfernung außerhalb von “Gut und Böse” liegen so das ich letztlich in meiner “Wohnstadt” eingestiegen bin. Zum Ziel wären es dann “nur” 51,2 km in den Abschnitten 14,2km, 13km, 10km, 6,1km und 7,9km. Ich könnte also entspannte 27km laufen und je nach Zustand noch 10 dranhängen, was 37km wären und somit ein hervorragendes Training für Berlin. An Ultra (alles über Marathon) hatte ich gedacht aber es nicht erhofft oder erwartet. Angemeldet hatte ich mich für 51,2 km mit je einem Euro (14,20€, 13,00€ usw.) Es war mir egal, ich wollte was gutes tun…
Meiner fantastischen Laufcrew der TTRCRW (TwittrunnerRuhr) erzählte ich davon und Frederic gab sich die Ehre mich spontan auf einer oder mehr Etappen zu begleiten. Selbst seit dem Hamburg Marathon nicht 100%ig fit und auch schon länger nicht mit großen und weiten Kilometerumfängen gesegnet, machten wir uns am Samstag zu 12Uhr zum Start unseres Laufes an VP3. Hier wieder den aller größten Dank an meine Frau die uns den Tag über supportet hat.
Wir wurden super herzlich von den Veranstaltern begrüßt und von weiteren Teilnehmern warmherzig in Empfang genommen. Es waren u.a. ein Ultralauf Pärchen und eine Alt Herren Mannschaft auf Fahrrädern seit VP1 dabei, die diese Tour als Saisonabschlussfahrt nutzten.
Pünktlich um 12:00 Uhr ging es dann los: die Fahrradfahrer vorne weg und dann unsere Laufgruppe. Mit dabei ein umgebauter Kinderwagen der bei diesem Lauf als Eiswagen mit Glocke und rot weißem Stoffdach daher kam und die Reise mit nach Münster antratt. Einer der “Schiebenden” (ganz liebe Grüße an Jeff [it was an honour]) erzählte mir, das dieses “Ding” seit 2 Jahren überall dabei wäre und als Schnappsidee auf dem Paderborner Osterlauf 2014 als Hotdogwagen fungierte um unterwegs Spenden zu sammeln.
Die Gruppe von etwa 20 Laufenden zog sich etwas auseinander, doch an risikoreichen Überquerungen war unsere ständigen Begleiter des DRK zur Stelle und sperrten mit Blaulicht und Manpower die Straßen um sicher und als Gruppe voran zu kommen. Da sich Streckenteile auch über kleiner Wanderweg zogen waren als “Besenwagen” auch immer 2 DRKler auf Rädern und medizinischen Equipment dabei. ALLER GRÖßTES LOB AN EUCH JUNGS, DANKE !!
Nach den ersten 14,2km erreichten wir die VP4, wo die katholische Gemeinde Erfrischungsgetränke und selbstgebackenen Kuchen an Bierzeltgarnituren anbot. Die LäuferInnen die erst an diesem VP einstiegen applaudierten uns zu, wir den Nachzüglern und alle feierten sich gegenseitig. Frederics hinterer Oberschenkelmuskulatur und meinen Wehwehchen ging es gut, so das wir uns auf die nächste Etappe machten.
Jeff, um kein Wort verlegen hielt mit dem Eiswagen kurzfrsitig vor einem Bistro und sammelte mit seinem wunderbaren englischen Akzent spontan weiter 30 € während Frederic und ich uns kurzerhand seinen Eiswagen “borgten” und schoben. Es ist gar nicht so einfach ein selbst gebautes Gefährt mit intensivem Rechtsdrall laufend auf der Strecke zu halten. Diese Etappe schoben wir drei abwechselnd dieses Gefährt teilweise über Wald und Forstwege und erreichten mit etwas Abstand zur Gruppe den nächsten VP und wurden herzlich begrüßt und beklatscht. Für das leibliche Wohl sorgte wieder ein Kirchenverband.
Frederics Muskulatur machte sich jetzt doch mehr bemerkbar, das sah man schon auf der letzten Etappe aber er versuchte sich doch noch über die nächsten 10 km zu retten. Leider ging nach 3km dann nichts mehr und er stieg aus. Die Sanis auf den Rädern an seiner Seite schlugen ihm vor an der nächsten PKW tauglichen Möglichkeit mit in den Begleitwagen einzusteigen und bis zur nächsten VP mitzufahren. Frederic schickte mich, scheuchte mich, trieb mich weiter zu laufen und das Ding für den guten Zweck zu rocken. Wir umarmten uns kurz, ich lief weiter und rief meine Frau an, die (das war vorher schon so besprochen) wen auch immer wo auch immer abholen solle. Fred: Danke für deine Zeit und fürs Dasein!!
Ich jetzt war ich also allein. Und diese Etappe war echt anstrengend. Wenn der Kopf anfängt zu denken und man ihm Raum gibt den Quatsch zu hinterfragen wird jeder Meter anstrengender. Was sollte ich nur tun? Bei 37,2 km (14,2 +13 +10) aussteigen? So weit war ich lange nicht mehr gekommen… Noch eine weitere Etappe über 6,1km überstehen und dann aussteigen? Aber niemand hört doch eine Etappe vor dem Ziel auf. Das macht doch keinen Sinn…
An der nächsten VP6 , müde genervt und sprachfaul traf ich noch einmal kurz Frederic, der mich nochmals anfeuerte und mich bestärkte weiter zu machen und dann sicher mit meiner Frau nach Hause fuhr. Ich aß kurz etwas, sprach mit dem Veranstalter und sagte ihm, das ich schon einmal vorgehen wolle und das mich der Trupp dann sicher wieder einfinge. Also weiter auf die nächsten 6,1km. Ich wurde eingefangen und hing mich dran…
An der VP7 angelangt, wusste ich genau was man jetzt nicht machen darf: mit einer Apfelschorle aufs Gras setzen. Herrlich! Weich, bequem und von den Beinen kommend, wohl wissend das man sich wie 90 Jahre alt fühlt wenn man aufsteht. Aber das war zu verlockend….
Dann ging es weiter. Jeff immer noch bester Laune feuerte mich an und liefen die letzte Etappe Richtung Münster. Die beiden Ultras quälten sich, der Eiswagen quälte sich. Wir quälten uns. An der Promenade in Münster liefen wir dann auf die Gruppe “Ost” und wir jubelten uns zu. Das gab noch einmal Kraft und Energie und gemeinsam liefen wir über die Promenade und durch die Stadt zum Ziel, dem Leonardo Kampus, wo die Familienangehörigen und Kinder mit selbstgemalten Schildern ihre Liebsten in Empfang nahmen. Auch ich wurde von meiner Frau begeistert empfangen, umarmt und geherzt. Wir feierten uns, die Aktion und waren glücklich. Da mir kalt war haben wir die anschließende Spendenübergabe nicht mehr verfolgt, unterwegs hörte ich aber vom Veranstalter schon so Sachen wie “Rekordsumme”, “unfassbar” und mehr als 12.000€!! Noch ein kurzes Abklatschen der Beteiligten und ab ging es. Gern zitiere ich hier meinen Schweigervater: “Tat das Sitzen gut.” Herrlich 🙂 Ich werde das Ergebnis nachreichen….
26.385 EUR. Unfassbar
Fazit: Selten war ich nach einem Lauf so glücklich, einerseits meinem Schweinehund so in den Arsch getreten zu haben, aber alles auch relativ gut überstanden zu haben. Muskulär ist alles gut, keine Blasen, Scheuerstellen oder andere Wehleiden. und bin mit mir zufrieden. Und ein langer Trainingslauf war es noch dazu! G E N I A L
P.S. am 29.07.2017 findet ein Spendenlauf statt 😉