Au Ja

“Au Ja!!!” das ist, zumindest in meiner Region der gängige Ausruf von Menschen ab drei Jahren aufwärts, wenn man fragt ob man Eis essen gehen soll.

“Au Ja!!!” war auch mein erster Gedanke, als ich von diesem Hermann Nightrun hörte: Der Hermannslauf vom Hermannsdenkmal in Detmold durch den Teutoburger Wald Richtung Bielefelds Sparrenburg, den ich schon drei mal gelaufen bin- aber bei Nacht. Und das in den Geschmacksrichtungen Single 33km, Double 66km oder Tripple 99km. Klasse! Im Dunkeln laufe ich gerne, Hermann kenne ich, 33km kann ich. Also wähle ich natürlich die 66km, den Double.

Dieser, von Jan-Olof Wadehn privat organisierte Einladungslauf hatte es mir sofort angetan. Aber Einladungslauf? Ich musste mich also bewerben, mich selbst empfehlen? Na gut, ein paar Sätze in die Email über meine bisherige Laufkarriere geschrieben, abgesendet und relativ kurzfristig kam die Zusage. Cool ich war also dabei! es gab gleich großes Lob von meiner TRRCRW Laufcrew. Und auch auch über Twitter verbreitete sich dieser Lauf. So kam es das Christian, ein befreundeter Läufer der Crew davon erfuhr und Jan-Olof einige Fragen per email zukommen ließ, Jan sich aber gleich dazu entschloss Christian gleich auf die Liste zu setzen. Er selbst erfuhr von mir davon…

Wir Läufer haben ja “eigentlich” alles. Aber gerade neue Herausfordungen lassen uns sofort und permanent unsere Ausrüstungsgegenstände wie auf einer Sushibahn vor dem geistigen Auge herfahren, um dann doch ein Teil, Tool, Kleidungsstück oder was auch immer zu finden, welches für die neue Aufgabe so miserabel und untauglich erscheint, dass nur der Austausch gegen etwas noch besseres das Seelenheil besänftigen kann. Bei mir war es die Stirnlampe. Nicht das meine Alte schlecht war, aber für einen nächtlichen Double Lauf denkbar ungeeignet. Quasi mangelhaft und grob fahrlässig…

Spezifisch habe ich nicht auf dieses Abenteuer trainiert, der letzte lange Lauf war der Berlinmarathon, Nachtläufe nicht explizit weil gerne machend, nur mit dem “Laufnavi Handheld Dings” habe ich mehr lieblos herum gespielt, aber auf meinen technischen Sachverstand gehofft. Noch 24h vorher war ich in einem Laufladen, um mir einen neue Nachtlaufjacke zu kaufen. Doch dieses Vorhaben aus Vernunftsgründen gleich wieder verwerfend, weil in unerprobtem Material nicht gelaufen wird.

Dann war der Tag da: noch den halben Tag gearbeitet und sicher wie nie, hatte ich auf der Fahrt zum Treffpunkt nach Bielefeld das erste Mal “Muffensausen” und stellte die Sinnfrage. Sinn würde sicherlich ein bequemes Sofa mit Film und Bier machen aber doch nicht bei Vollmond und bis zu 5 Grad plus durch die Kälte zu laufen…

Bei Jan angekommen, wurden wir alle herzlich begrüßt -Christian war auch da- und nach dem Briefing und der Erläuterung wo die zwei Verpflegungsstellen seien, begann pünktlich um 22.00 Uhr der Trip!

Das muss man Jan lassen: perfekt ausgestattete Vps mit Wasser, Cola, Tee, alkoholfreiem Bier, Stullen, selbstgebackenem Kuchen usw. und eine fürsorgliche Radbegleitung die immer hin und her fuhr machten uns das Leben leicht. Selbst der Termin wurde zu einer Vollmond Nacht bewusst gewählt.

Christian und ich hatten uns schnell aufeinander eingestellt, es schien zu harmonieren. Auf einer solchem Strecke mit wenig weithin sichtbaren Abwechslung ist es das A und O das man gut klar kommt. Zuerst legten wir die Karten auf den Tisch: Wie ist der jeweils andere, wenn es gerade mal nicht läuft und der Kopf oder Körper SOS funkt und nicht mehr mag…

Im Laufe der Zeit hatten wir es so drauf, dass wir als Zweiergruppe durch die teutonischen Wälder zogen und es genossen. Wir witzelten, schrien, machten derbe Männerwitze und erzählten von Gott und der Welt. Und zack, hatten wir uns verlaufen! Wer nicht auf sein Handheld oder seine Navi Uhr schaut verdient es nicht besser. Gut 1,5km in die falsche Richtung, bedeuten am Ende 3km mehr auf der Uhr. Gut gelaunt schoben wir die Schuld auf den jeweils anderen.

An den beiden Vps betüdelt sahen wir dann endlich den Hermann bei Nacht. Toll beleuchet und wachend über uns und andere. Eine Ehrenrunde ums Denkmal, Fotolovestory und dann ging es zurück… Die Kälte kroch in unsere Glieder, die Schritte wurden stacksiger und schwerfälliger. Wir eierten mal über den teilweise sehr sandigen Reitweg oder kämpften uns über ausgewaschen Schotterwege deren Trugheit erst spät erkennbar war. Die Witze wurden schlechter, wir einsilbiger. Aus dem ehemaligen Au JA! wurde ein bei jedem neuerlichen Anlauf ein AU! ja…

Irgendwann gab Christians Stirnlampe den Batteriegeist auf, er hatte zum Glück noch eine kleinere schwächere Lampe dabei. Meine dagegen leuchtete jetzt uns beiden nebeneinander laufend den Weg aus. Balsam für Konto und Seele!

Bei km 56 ein besonderer Moment: noch nie war ich weiter gelaufen, noch nie mehr gemacht! Christian war dabei, würdigte den Moment, wir klatschten kurz ab. Es gab keine Rede, keinen Sekt oder Canapes. Es gab ein weiteres Energiegel mit der atemraubenden Geschmacksrichtung ähm, also vielleicht Chemiekirsche!

So langsam dämmerte es erst uns wie beschwerlich der Rückweg war, nein auch die Nacht verabschiedete sich so langsam und der neue Tag brach an. Welch Wohltat, wenn das Auge in die Ferne schauen kann.

Die letzten km durch Bielefeld machend, tauchten die ersten Hundebesitzer auf. Menschen standen vor dem noch geschlossenen Bäcker. Sie alle waren wieder wach, wir immer noch.

Selbst im Ziel, in Jans Garage begrüßte uns jemand fröhlich lachend und versorgte uns. Es war zu dem Zeitpunkt kein großartiges Gefühl, es war Leere, wir waren platt, aber zufrieden unserer Leistung.

Ich werde noch einige Tage brauchen, um vollends zu verstehen, was wir da gemacht haben. Könnte aber was mit Dauergrinsen und Fred Feuersteins “YAPAADAPPAAADUU” zu tun haben. Im Moment denke ich über den Kauf eines Treppenlifts nach. Au JA!!!!

Ich krasser = krüppeliger Typ, ich…. 🙂

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Fact: Start Samstag 22:00 Uhr, mit Pausenzeiten knapp 10h unterwegs, mit allen großen und kleinen Verläuferchen ca. 71-72km bei über 1600hm auf 90% Waldautobahn unterwegs.

FunFact: Beim Abbiegen von der Autobahn A33 auf die A2 Krampf in der Kupplungswade bekommen und Notgedrungen irgendwie im Leerlauf die Spur gewechselt. Beim Abfahren von der Autobahn ein ähnliches Schauspiel.. Man hupte mich an, ich fluchte..

 

Dunkel wars, der Mond schien helle

… als eine Schluppe blitzeschnelle langsam um die Ecke bog.

So oder so ähnlich könnte die kürzeste Zusammenfassung eines meiner Läufe enden. Wenn, ja wenn nicht noch einige Highlights beim 10. Mondscheinlauf 2016 #MSL16 in Iserlohn in Nordrhein-Westfalen passiert wären.

Organisator dieser kleinen schnuckeligen Veranstaltung ist die CVJM, die nicht nur kurz vor dem Start das obligatorische Briefing,  sondern gemeinsam ein Gebet zu ihrem obersten Chef gehalten hatte.

Pünktlich um 19:00 Uhr wäre ich alleine losgelaufen um noch ein paar km für den bevorstehenden Berlin Marathon zu sammeln. Schluppen und Sockentest, Check des Allgemeinzustandes und nicht zuletzt mal eine andere Strecke-  wenn mich nicht mein TRRCRW Laufbuddy Frederic @lexusburn um 18:40 Uhr mit den Worten, “na klar bin ich angemeldet. Ich kann dich doch hier nicht alleine laufen lassen” überrascht hätte. So cool!

Also ging es um 19:00 Uhr für uns beide auf die ca 750m lange Strecke rund um den kleinen Seilersee auf eine lt. Orga quasi praktisch ebene Strecke. Von Frederic wusste ich von seinem Start im letzten Jahr das auf der Strecke eine kurze knackige Steigung ist, die es über die Zeit in sich hat.

Aufgefallen sind mir dabei zwei spezielle Typen von Menschen: der Eine startete mit einer Maske zur Verknappung der Atemluft und Power Walking Hanteln und schnaufte sich über die Strecke. Aber besonders süß fand ich eine junge Mutter die Ihr Baby in einem Tuch vor der Brust trug und damit über die Strecke walkte. Junior trug die Startnummer auf dem Rücken somit war die Startnummer amtlich befestigt.

Wir zogen also unsere Runden und eigentlich passierte in der Zeit nicht wirklich berauschend viel. Mein Puls war nur viel zu hoch! Lag es an der Steigung oder am optischen Sensor? Irgendwann hatten Frederic und ich das Problem gefunden: warum auch immer hatte sich sein Brustgurt nicht nur mit seiner Garmin Fenix, sondern auch mit meiner Garmin 235 verbunden. Ich hatte also immer Überblick wie es Frederic ging, aber keinen Plan was mein Puls schlug….

Frederic ließ sich irgendwann wegn kleinerer Probleme zurückfallen und machte eine kleine Pause. Ich widerum zog meine Runden.

Man kennt das wenn jemand aufläuft und genau das gleiche Tempo läuft. Weder überholt, leiser oder lauter wird und einfach nur nervig an dir klebt. Der Typ zog dann auch gleich und gaffte mich immer wieder an. Aus den Augenwinkeln konnte ich diesen “Spaß” miterleben. Es wurde mir zu bunt und ich schaute dem Typen in die Augen. BAMMM!! Thomas der @lennetaler auch ein TRRCRW Crew Mitglied hatte sich ein Stelldichein gegeben um mit mir ein paar Runden zu laufen. Und während ich das schreibe, bekomme ich wieder eine Gänsehaut, weil ich so cool finde, das die Jungs einfach so gekommen sind.

Wir scherzten und erzählten, mal zu dritt mal zu zweit…

Runden später dann die nächste Überraschung: Thomas bester Laufkumpel Jens @jtinline, mit dem er vor einer Woche noch einen 100km lauf gefinisht hatte und die ich morgens in Bielefeld auf die Reise geschickt hatte stand plötzlich im Start/ Ziel Bereich und grinste. Klasse- wir waren zu viert!  Nur Verrückte.  Bei Start/ Ziel hörte ich einmal: “…das werden ja immer mehr….!”

Der Rennsprecher trötete durch sein Megaphon, das man mit 54 Runden einen Marathon finishen würde. Mit dem Support eine Kleinigkeit! Ich war bei 46.

Nach 54 Runden fragte ich bei Start und Ziel nach ob dem denn wirklich so sei und bekam ein fröhliches Achselzucken als Antwort. Die Jury zückte schnell einen Taschenrechner und man teilte mir mit das nicht 54 sondern 57 Runden einen marathon ergäben. Also weiter. Diese drei banalen Runden waren hart. Kopf und Körper hatte sich auf 54 eingestellt.

Letztlich sind es 62 Runden geworden, die Letzte in Gehtempo um die Beine etwas zu lockern, bedankte ich mich am VP und gab meine Startnummer ab.

Es war jetzt Mitternacht. Die Laufveranstaltung würde noch eine Stunde gehen, aus meinem 32er Longjog ist ein 46,5er, ein quasi Embryonalultra, geworden. Ich konnte mehr als zufrieden sein. Was ich gar nicht mitbekommen hatte war die Tatsache, das ich zum Zeitpunkt des Aufhörens mit 62 Runden auf Platz 1 der Einzelwertung lag. Nun gut, das würde sich ja noch relativieren, die anderen TeilnhemerInnen hatten ja noch eine Stunde.

Mit gutem Gefühl und schweren Beinen bedankte ich mich bei den Jungs und fuhr grinsend durch die Nacht nach Hause. Ein guter Abend.

Epilog: Bei dem ersten Platz ist es natürlich nicht geblieben. Aber mit meinem aller aller allersten und wahrscheinlich nie mehr wieder kehrenden Podiumsplatz auf Platz 2 bei den Männern und 3. gesamt kann ich sagen: alles richtig gemacht. Berlin kann kommen…

Münsterland Sternlauf 2016

Die letzten Wochen und Monate waren etwas öde in meinem Rennkalender. Nach der Absage beim ZUT aus Vernunftsgründen wäre die nächste Haltestelle der Berlin Marathon 2016. Der Berlin Marathon, der mir 2015 so manche Träne gekostet hatte, weil ich mir 11 Tage vor Startschuss einen Muskelfaserriss zugezogen hatte ist dieses Jahr z. Zt. mehr Frust als Lust. Mir fehlt aktuell der Biss mich richtig hinein zu hängen, auch mit den langen Läufen will es nicht so recht klappen und so quäle ich mich mehr schlecht als Recht an den Wochenenden über die 25km- obwohl ich so langsam auf die 30km kommen sollte.

Relativ kurzfristig erfuhr ich von einer tollen Aktion: einem Sternlauf zu Gunsten Kinder Krebshilfe Münster der aus 5 Strahlen kommend in Münster enden sollte. Hier könnte ich einen langen Lauf mit einer guten Aktion verbinden, alte und neue Leute treffen und einmal wieder etwas fürs Selbstvertrauen tun.

Für mich war schnell klar welche Strecke ich nehmen sollte und der Zufall wollte es, das einer der Verpflegungsstellen (VP) und Einstiege in die Strecke meine Geburtsstadt sein sollte. Damit würde das Ziel in 64km Entfernung außerhalb von “Gut und Böse” liegen so das ich letztlich in meiner “Wohnstadt” eingestiegen bin. Zum Ziel wären es dann “nur” 51,2 km in den Abschnitten 14,2km, 13km, 10km, 6,1km und 7,9km. Ich könnte also entspannte 27km laufen und je nach Zustand noch 10 dranhängen, was 37km wären und somit ein hervorragendes Training für Berlin. An Ultra (alles über Marathon) hatte ich gedacht aber es nicht erhofft oder erwartet. Angemeldet hatte ich mich für 51,2 km mit je einem Euro (14,20€, 13,00€ usw.) Es war mir egal, ich wollte was gutes tun…

Meiner fantastischen Laufcrew der TTRCRW (TwittrunnerRuhr) erzählte ich davon und Frederic gab sich die Ehre mich spontan auf einer oder mehr Etappen zu begleiten. Selbst seit dem Hamburg Marathon nicht 100%ig fit und auch schon länger nicht mit großen und weiten Kilometerumfängen gesegnet, machten wir uns am Samstag zu 12Uhr zum Start unseres Laufes an VP3. Hier wieder den aller größten Dank an meine Frau die uns den Tag über supportet hat.

Wir wurden super herzlich von den Veranstaltern begrüßt und von weiteren Teilnehmern warmherzig in Empfang genommen. Es waren u.a. ein Ultralauf Pärchen und eine Alt Herren Mannschaft auf Fahrrädern seit VP1 dabei, die diese Tour als Saisonabschlussfahrt nutzten.

Pünktlich um 12:00 Uhr ging es dann los: die Fahrradfahrer vorne weg und dann unsere Laufgruppe. Mit dabei ein umgebauter Kinderwagen der bei diesem Lauf als Eiswagen mit Glocke und rot weißem Stoffdach daher kam und die Reise mit nach Münster antratt. Einer der “Schiebenden” (ganz liebe Grüße an Jeff [it was an honour]) erzählte mir, das dieses “Ding” seit 2 Jahren überall dabei wäre und als Schnappsidee auf dem Paderborner Osterlauf 2014 als Hotdogwagen fungierte um unterwegs Spenden zu sammeln.

Die Gruppe von etwa 20 Laufenden zog sich etwas auseinander, doch an risikoreichen Überquerungen war unsere ständigen Begleiter des DRK zur Stelle und sperrten mit Blaulicht und Manpower die Straßen um sicher und als Gruppe voran zu kommen. Da sich Streckenteile auch über kleiner Wanderweg zogen waren als “Besenwagen” auch immer 2 DRKler auf Rädern und medizinischen Equipment dabei. ALLER GRÖßTES LOB AN EUCH JUNGS, DANKE !!

Nach den ersten 14,2km erreichten wir die VP4, wo die katholische Gemeinde Erfrischungsgetränke und selbstgebackenen Kuchen an Bierzeltgarnituren anbot. Die LäuferInnen die erst an diesem VP einstiegen applaudierten uns zu, wir den Nachzüglern und alle feierten sich gegenseitig. Frederics hinterer Oberschenkelmuskulatur und meinen Wehwehchen ging es gut, so das wir uns auf die nächste Etappe machten.

Jeff, um kein Wort verlegen hielt mit dem Eiswagen kurzfrsitig vor einem Bistro und sammelte mit seinem wunderbaren englischen Akzent spontan weiter 30 € während Frederic und ich uns kurzerhand seinen Eiswagen “borgten” und schoben. Es ist gar nicht so einfach ein selbst gebautes Gefährt mit intensivem Rechtsdrall laufend auf der Strecke zu halten. Diese Etappe schoben wir drei abwechselnd dieses Gefährt teilweise über Wald und Forstwege und erreichten mit etwas Abstand zur Gruppe den nächsten VP und wurden herzlich begrüßt und beklatscht. Für das leibliche Wohl sorgte wieder ein Kirchenverband.

Frederics Muskulatur machte sich jetzt doch mehr bemerkbar, das sah man schon auf der letzten Etappe aber er versuchte sich doch noch über die nächsten 10 km zu retten. Leider ging nach 3km dann nichts mehr und er stieg aus. Die Sanis auf den Rädern an seiner Seite schlugen ihm vor an der nächsten PKW tauglichen Möglichkeit mit in den Begleitwagen einzusteigen und bis zur nächsten VP mitzufahren. Frederic schickte mich, scheuchte mich, trieb mich weiter zu laufen und das Ding für den guten Zweck zu rocken. Wir umarmten uns kurz, ich lief weiter und rief meine Frau an, die (das war vorher schon so besprochen) wen auch immer wo auch immer abholen solle. Fred: Danke für deine Zeit und fürs Dasein!!

Ich jetzt war ich also allein. Und diese Etappe war echt anstrengend. Wenn der Kopf anfängt zu denken und man ihm Raum gibt den Quatsch zu hinterfragen wird jeder Meter anstrengender. Was sollte ich nur tun? Bei 37,2 km (14,2 +13 +10) aussteigen? So weit war ich lange nicht mehr gekommen… Noch eine weitere Etappe über 6,1km überstehen und dann aussteigen? Aber niemand hört doch eine Etappe vor dem Ziel auf. Das macht doch keinen Sinn…

An der nächsten VP6 , müde genervt und sprachfaul traf ich noch einmal kurz Frederic, der mich nochmals anfeuerte und mich bestärkte weiter zu machen und dann sicher mit meiner Frau nach Hause fuhr. Ich aß kurz etwas, sprach mit dem Veranstalter und sagte ihm, das ich schon einmal vorgehen wolle und das mich der Trupp dann sicher wieder einfinge.  Also weiter auf die nächsten 6,1km. Ich wurde eingefangen und hing mich dran…

An der VP7 angelangt, wusste ich genau was man jetzt nicht machen darf: mit einer Apfelschorle aufs Gras setzen. Herrlich! Weich, bequem und von den Beinen kommend, wohl wissend das man sich wie 90 Jahre alt fühlt wenn man aufsteht. Aber das war zu verlockend….

Dann ging es weiter. Jeff immer noch bester Laune feuerte mich an und liefen die letzte Etappe Richtung Münster. Die beiden Ultras quälten sich, der Eiswagen quälte sich. Wir quälten uns. An der Promenade in Münster liefen wir dann auf die Gruppe “Ost” und wir jubelten uns zu. Das gab noch einmal Kraft und Energie und gemeinsam liefen wir über die Promenade und durch die Stadt zum Ziel, dem Leonardo Kampus, wo die Familienangehörigen und Kinder mit selbstgemalten Schildern ihre Liebsten in Empfang nahmen. Auch ich wurde von meiner Frau begeistert empfangen, umarmt und geherzt. Wir feierten uns, die Aktion und waren glücklich. Da mir kalt war haben wir die anschließende Spendenübergabe nicht mehr verfolgt, unterwegs hörte ich aber vom Veranstalter schon so Sachen wie “Rekordsumme”, “unfassbar” und mehr als 12.000€!! Noch ein kurzes Abklatschen der Beteiligten und ab ging es. Gern zitiere ich hier meinen Schweigervater: “Tat das Sitzen gut.” Herrlich 🙂 Ich werde das Ergebnis nachreichen….

26.385 EUR. Unfassbar

Fazit: Selten war ich nach einem Lauf so glücklich, einerseits meinem Schweinehund so in den Arsch getreten zu haben, aber alles auch relativ gut überstanden zu haben. Muskulär ist alles gut, keine Blasen, Scheuerstellen oder andere Wehleiden. und bin mit mir zufrieden. Und ein langer Trainingslauf war es noch dazu! G E N I A L

P.S. am 29.07.2017 findet ein Spendenlauf statt 😉

Aus! Aus! Aus! Der ZUT ist aus!!

Sich im Kopf von etwas zu lösen ist meist leichter als es zu verkünden. Und so sitze ich jetzt doch hier mit einem Kloß im Hals und versuche zu schreiben bzw. zu verarbeiten was eben noch so klar schien.

Am 24.04. habe ich erfolgreich meinen dritten Hermannslauf bestritten, mir allerdings bei km 20 von 31 den linken Fuß lädiert. Umkehren ging nicht, Aussteigen auch nicht. Also bin ich irgendwie ins Ziel geeiert und deprimiert mit Finishermedaille um den Hals Richtung Auto gehumpelt. Was genau der Auslöser war, kann ich im Nachhinein nicht sagen. Fakt ist nur der Hermann hat keine Schuld. Den werde wieder laufen. Ich glaube eher, das ich mir 4 Tage zuvor beim Treppentraining im lokalen Stadion eine Reizung unter dem linken Fuß an einer Sehne zugezogen habe und diese dann mit Voltaren im Zuge froher Wettkampfstimmung weggelächelt habe. Das ist also die Quittung!

Seit dem sind drei Wochen vergangen.

In der ersten Woche habe ich mich mit Dr. Google versucht, allerhand Homöopathisches genommen, Eisflaschen gerollt, Igelbälle gequält und meine Frau mit dem herum liegenden Krempel in den Wahnsinn getrieben.

In der zweiten Woche habe ich mich mit Prof. Google versucht, allerhand Chemisches genommen, Eisflaschen gerollt, mir eine Massagekiste mit Schotter gebaut und meine Frau mit den herum liegenden Steinchen in den Wahnsinn getrieben. Am Donnerstag dann der Einbruch. Es war der tiefste und schwärzeste Tag. Der physische Schmerz hatte sich tief in meinen Kopf eingenistet, die Gewaltherrschaft übernommen und mich zu einem mentalen Wrack werden lassen. Ja, ich würde sterben…

Zu Beginn der dritten Woche ließ Gevatter Tod weiter auf sich warten und ich so beschritt neue Wege. Ich grübelte. War es nicht dieser glücklich machende und friedliche Zustand im Kopf weswegen ich lief? Warum ich mich der Gewerkschaft #twitterlauftreff angeschlossen hatte und für eine bessere Welt kämpfte? Ich musste also beim Glücklich werden ansetzen und fand mich einen Morgen auf meiner Jogamatte wieder, aufrecht sitzend und konzentrierte mich auf meinen Atmen. Einmal-  zweimal-  dreimal. Dann nervte dieses bebend laute Tick Tack der Küchenuhr meine Sitzung. Ich war schon drauf und dran dieses Ding ruhig zu stellen. Aber Ich probierte weiter die Kunst des Nicht Denkens weiter. Manchmal erschruck ich weil ich dachte, das ich gerade nicht gedacht hätte. Ein holpriger Weg. Fast ein geistiger Traillauf. Nicht vom Weg abkommen, fokussiert sein auf das geistige Ziel die Entspannung zu finden. Nicht leicht für einen der  sich nicht immer so unter Kontrolle hat wie Bundeskanzlerin.

Mittlerweile habe ich die Muße gefunden, mich morgens eine halbe Stunde auf meine Matte zu setzen und mich auf meine Atmung zu konzentrieren. Mal schweife ich ab, mal denke ich über den Tag nach oder auch übers Laufen. Ich habe sogar probiert mich von außen zu beobachten. Sehr spannend…

Bei dieser ganzen “Nicht Denkerei” bin ich zur Einsicht gekommen meinen Zugspitz Ultra Trail ZUT über 39km DIESES JAHR sausen zu lassen. Ich löste mich von dem Gedanken und es fühlte sich irgendwie sogar gut an. Es nützt keinem und schon gar nicht mir halb fit den ZUT zu versuchen mich ggf. wieder oder noch mehr zu ruinieren. Mein Mantra in dieser Zeit kommt von meinem lieben TRRCRW Crewfreund Thomas der @lennetaler: “Geduld ist der schärfste Zahn des Tigers.” Da ist leider etwas wahres dran!

So gibt es ein paar Sachen über die ich mir auf meiner Matte im Klaren geworden bin:

  • ich bin doch noch jung, laufe ich das Ding halt das nächste Jahr
  • ich kann geduldig, was ich nie von mir gedacht hätte
  • ich kann tatsächlich eine 1/2 Std auf einer Matte hocken und entspannen
  • ein DNS ist das bessere DNF
  • ein DNS nimmt mächtig viel negativen Druck aus dem Rekonvaleszenzkessel
Ob ich diese Art der Entspannung weiter verfolge, wohlmöglich sogar vertiefe und etwas als einen Teil der zu mir oder zu meinem Tagesablauf dazu gehört weiß ich nicht. Was ich aber weiß ist die Tatsache, das mir mein ruinierter Fuß etwas Neues positives gebracht hat: 30Minuten morgendlicher Frieden auf meiner Matte. Und das ist doch nicht zu unterschätzen.
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P.S.
Wenn ich dieses Esoterikgequatsche einmal ausschalte, tut es mir echt! Leid um dieses Abenteuer. Katrin @katitria und Stephan @Rennmps, ich hätte Euch soo gerne endlich persönlich kennengelernt. Ich hätte die Berge wieder gesehen und hätte eine klasse Zeit gehabt. Wäre stolz wie Bolle nach Hause gekommen und meine Medaille wahrscheinlich eine Woche getragen. Aber et is wie et is…
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Und da ist er wieder der Kloß im Hals….

Hommage an Euch

Noch vor 3 Jahren war ich ein einsamer Werwolf, ein lonesome Cowboy. Ein einsamer Krieger in dieser läuferischen Welt. Mein damaliger einziger Laufkumpel hatte sich in einer alkoholseligen Nacht dermaßen auf die Schulter fallen lassen, das Laufen plötzlich nicht mehr in seinem Mittelpunkt stand. Also war ich allein. So manchen Wettkampf hatte ich angegangen, doch wusste ich nicht ob der Möglichkeiten, die das (Lauf-) Leben wirklich bunter machen könnte.

Doch dann habe ich von dieser verbotenen Twitterfrucht genascht. Erste sinnleere Tweets in die Welt gesendet und mich dem Sog der Twitterdroge hingegeben. Was solls… Mehr und mehr fand ich Follower die augenscheinlich auch gerne die Laufschuhe schnüren und sich über dieses Medium austauschen. Nicht nur Laufen stand und steht im Mittelpunkt. Tagtägliche Dabatten über Gesundheit, Technik und Lebensfreude finden sich dort. Ich wurde nach und nach Teil dieses Twitterlauftreffs, bei seinen Jüngern und Vertrauten eingeführt und aufgenommen, etablierte und platzierte Meinungen, war dankbar für jeden Tipp.

Heute bin ich Mitglied in der geilsten Laufcrew, der TwittRunnerRuhr TRRCRW, habe bei Twitter viele Gleichgesinnte und noch viel Wahnsinnigere in der Timeline,  freue mich über die ganzen Verrückten dort. Zwischen Bildern von Böden diverser Wartezimmer und Läufen über ganze Inseln bin ich wortwörtlich gelandet. Aber eines der besonderen Merkmale dieser Menschen ist der Respekt vor der erbrachten Leistung des anderen und sich selbst. JedeR feiert JedeN, alle freuen sich wenn die persönliche Bestleistung verbessert wird, Schmerz und Leid wird geteilt, Ratschläge und Tipps getauscht. KeineR wird auch nur ein bisschen abfällig behandelt. Eine wunderbare Interessensgemeinschaft.

Aus wagen Bekanntschaften über 140 Zeichen, bin ich bei so manchem hinaus. Freue mich wirklich die Menschen hinter den Nicknames persönlich kennen zu lernen oder zu kennen. Bei einigen ist man dicker, bei anderen nicht. So what… Aber alle teilen diese sportliche Leidenschaft, die Jagd nach PBs und Medaillen, den Kick etwas neues zu erleben.

Natürlich können diese Menschen nicht Beziehungen zu Freunden und Familien ersetzen, können nicht wirklich auffangen wenn man fällt. Und doch kann man seinen persönlichen Frust hinaus in die Welt blasen, man bekommt Zustimmung oder halt nicht. Professionelle Therapie geht nicht in 140 Zeichen.

Und eines verrate ich noch:  Vor dieser Zeit wäre ich wohl deutlich schwerer im Stande gewesen, mir quasi unbekannte Menschen zu herzen, umarmend zu begrüßen oder Glück zu wünschen. Mich mit Ihnen wirklich zu freuen oder mich mit ihnen zu ärgern. Ich habe mich wohl ein Stück weit geöffnet. Und es tat gar nicht weh…

Ach Ihr Twitterer, ihr seit mir ans Herz gewachsen. Gerne laufe ich noch den einen oder anderen Wettkampf mit Euch, mache #allebekloppt -heiten mit und freue mich schon auf ein Wiedersehen. Real oder elektronisch!!!

Das musste einfach mal gesagt werden 🙂

Sieben Acht Null Fünf

Sieben Acht Null Fünf – die Telefonnummer des örtlichen Taxidienstes, die Pin der Handy Karte, ein Geburtstag?

7805m – Siebentausendachthundertfünf Meter. Ach so! Natürlich!! Es geht um den Westgipfel des 7821m hohen Masherbrum im Himalaja. Logisch. Aber Moment, was hat der Schluppenchris mit hochalpinenen Verrücktheiten zu tun?

RICHTIG! Gar Nichts.

7805m ist die Distanz zwischen dem klassischen Marathon Finish und der ersten Ultra Strecke mit 50km. Natürlich gibt es viele noch viel wahnsinnigere Ultraläufe: 100km, 100Ml, 12h, 24h bis hin zu 6 Tagen. Also sind die 50km doch nur die Bambiniausgabe  eines Ultras. Aber auch den muss man erst einmal zu Ende laufen.

So geschehen am 29.01.16 in Rodgau, bei Frankfurt. Mit Frederic und Thomas aus meiner TRRCRW Laufcrew ging es darum einen 50km Lauf zu überstehen. Übernachtet bei Freunden ging es Samstag morgen zum Start und dem bekannten Prozedere und dem Start um 10:00Uhr. Gelaufen werden seit 17 Jahren 10 Runden á 5km durch Wald und Flur.

Runde 1 – Alles auf Anfang. Man witzelt, hat Spaß, freut sich, dass das Wetter doch noch hält. Kein Regen wie vorab angekündigt.

Runde 2 – Aha, so läuft das also hier. Verpflegungspunkt check. Die Strecke ist ein Rundkurs mit einem 300m Wendepunkt. Ein strategisch aufgestellter DJ kontrolliert sicher auch, ob auch keineR abkürzt. Dann reißt mich eine Fahrradklingel aus meinen Gedanken: der 1. Mann mit Führungsfahrrad überrundet uns. Das Wetter hält.

Runde 3 – Die Schulter fangen an zu schmerzen. Jetzt schon! Ich mache mir ein wenig Sorgen. Wenn die Zickereien jetzt schon losgehen muss ich mir ernsthaft Sorgen machen, ob ich den Tag überstehe. Das Wetter hält.

Runde 4 – keine besonderen Vorkommnisse. So langsam wird es stiller und jeder konzentriert sich auf sein Rennen. Meine Schultern ziehen, ich mache während des Laufens Dehnübungen die mir immer wieder ein paar hundert Meter weiterhelfen. Die Fahrradklingel ist wieder da: Wir werden das zweite Mal vom Führenden überrundet. Kurze Zeit später dann Gebrüll: RECHTS LAUFEN! Die erste Frau holt mich ein. Das Wetter hält.

Runde 5 – Die Schultern nerven aber sonst läuft alles soweit. Ich komme ins Gespräch mit anderen LäuferInnen, auch wegen des besonderen Schuhwerks. Ich muss austreten, lasse meine Crew weiterlaufen. Ich hänge mich an einen der Schnellen, die jetzt mehr und mehr das Feld von hinten aufziehen. Und komme kaum hinterher. Wahnsinn, was die Jungs für ein Tempo laufen. Das Wetter hält.

Runde 6 – Der erste Mann überrundet mich ein drittes Mal. Krank – in positiver Weise. Meine bis dato kontinuierlichen Rundenzeiten bröckeln. Ich muss den ultimativen Traum unter fünf Stunden zu bleiben begraben. Egal. Ankommen war und ist das vorrangige Ziel. An einem Banner des Twitterlauftreff vorbei laufend schreien plötzlich Menschen meinen Namen. Über Twitter eine illustre Gemeinschaft. Real kennt man sich nicht. Freue mich aber über den Zuruf und warte ungeduldig die Runde ab, um in der nächsten Runde Kontakt aufzunehmen. Im Start/ Ziel Bereich gibt der Sieger Interviews, applaudiert und feuert an. 2h: 57min. Streckenrekord. Das Wetter hält.

Runde 7 – Nina (La_Loupina) und Johannes (Werwolftamer) vom Twitterlauftreff jubeln mir zu. Ich halte kurz an, sie schicken mich aber schnell wieder auf die Reise. Dan geht es los. Fange an dem Kopf zu viel Raum zu lassen um meine Maschine mit negativen Gedanken zu überfluten. Es wird schwer. Frederic mein gut gelaunter Crewpartner bekommt den einen oder anderen Spruch ab. Seine Motivation in allen Ehren, aber kann der Typ nicht mal die Klappe halten? Habe aber auch den Tipp eines erfahrenden Ultraläufers im Kopf: Sieh den Schmerz als einen Gast an. Sei freundlich zu ihm und er verschwindet wieder. Und er ist auch wider verschwunden. Das Wetter hält.

Runde 8 – Sagen wir wie es ist: Großer Mist. Die Runden nerven mich. Die Beine nerven mich. Der DJ spielt Queen. Die erste Frau überrundet mich das zweite Mal. Frage mich nach dem Sinn. Quäle mich durch die Kilometer. Ein dunkler Moment.  Das Wetter hält.

Runde 9 – Ich komme durch den Start/ Zielberich, am Twitterlauftreffbanner vorbei und dann geht die die Sonne auf: Nina schmeißt ihre Jacke weg und läuft mit Frederic und mir ein Runde mit. Sie redet und lacht, spornt mich an und gibt mir wieder Energie. Bei KM 42,195 steht ein Marathonschild und ich sage zur Ihr: Mit jedem Schritt bin ich noch nie so weit gelaufen wie jetzt. Wir müssen beide schlucken. Unfassbar. Bei km 44 fängt es an leicht zu regnen. Nina klinkt sich kurz vor dem Durchgang wieder aus.

Runde 10 – Frederic baut mich auf: auf der letzten Runde genießt man, freut sich, bedankt sich bei den Helfern, beim DJ. Aha. Muss ich??? Plötzlich ist Nina wieder da. Ob sie noch Runde mitlaufen dürfe? Warum nicht. Ich versuche Kontenance zu wahren, verstecke mich hinter meiner Brille, bin echt auf. Ich bitte Frederic vorzulaufen und ein paar Fotos von meinem Zieleinlauf zu machen. Im Bereich des vierten Km einer Runde läuft man einen klitzekleinen Anstieg. Die Veranstalter haben dort allerdings eine Maschinerie eingelassen die die Gradzahl bei jedem Durchlauf etwa 5 Grad steiler macht. An mir liegt es doch nicht, das ich hier fast nicht mehr hoch komme. Oben krampft die Wade, ich muss stehen bleiben, kann aber schnell wieder weiter. Kurz vor dem Ziel schickt mich Nina auf die letzten Meter, Frederic empfängt mich euphorisch. Z-I-E-L

Runde 11: – ich bin leer, aber jetzt bin ich ein Ultra. Nach 5h 09min bin ich im Ziel und im Ziel meiner Träume. Ich wollte schon so lange einmal einen Ultra laufen. Endlich habe ich meinen Wunsch erfüllt. Bedanke mich bei Nina, bedanke mich bei Frederic und verkrümel mich aus dem Pulk. Mein Blick wird wässerig vor Glück, vor Erschöpfung.

Keine 24 h nach Zieleinlauf bin ich leer und glücklich. Dauergrinsen ist ein tolles Gefühl.

Ich bin dann auch mal weg

Dokumentationen, Selbsterfahrungsbücher, sogar Kinofilme um und über Pilgerreisen liegen voll im Trend. Warum also nicht aufspringen auf den Pilgerzug und den Selbstfindungstrip mit einem schönen langen Lauf verbinden…?

Am 10.01. klingelte mich der Wecker um 05:00Uhr aus dem Bett. Man macht das so als Pilger! Meine Reise sollte ins niederrheinische Kevelaer gehen.

-Kevelaer ist einer der größten Pilgerorte in Nordwest Europa. Über 1 Millionen Gläubige kommen jedes Jahr. 1641 soll ein einfacher Handelsmann eine Stimme gehört haben, die ihm sagte er solle an dieser Stelle eine Kapelle bauen usw…-

Durch strömenden Regen und Aquaplaning ging es los. Ob der Herr Gott noch ein Einsehen für mich hat? Laufen bei Regen ist nichts, was man sich wünscht. Vielleicht sollte es auch ein Zeichen sein umzukehren. Dann wären ja die Startgebühren verbrannt, aber das will Gott sicher auch nicht.

In Essen habe ich mich mit Freunden, Frederic aus meiner Laufcrew und seinem Kumpel Joerg, getroffen und zu dritt ging es weiter.

Kurz vor Kevelaer riss der Himmel auf. Blauer Himmel, Sonne und die ein oder andere Borussia Mönchengladbach Fahne. Why not… Gott – wir sind im Spiel!

Etwas außerhalb des Stadtzentrums sollte der 14. Kevelaer Marathon stattfinden. Am Sportplatz angekommen konnte man viele  Läufer und Läuferinnen  antreffen, die ihr Seelenheil bei der Startnummernausgabe suchten. Der Veranstalter verkündete einen Teilnehmerrekord und pünktlich eine viertel Stunde verspätet machte sich der gut 500 Personen zählende Pilgertross um 10:15 Uhr auf die Reise. Es sollten 7x 6km und 195m auf dem DLV vermessenen “Kreuzweg”  abgelaufen werden.

Auch für mich. Ich suchte meinen Weg in einer etwas langsameren Gruppe, sollte der Marathon eher als Longjog gewertet werden. Ende Januar soll doch mein erster Ultra im Laufwalfahrtsort Rodgau stattfinden. Das möchte ich nicht “versemmeln”. Auch da wird es nur um das Ankommen gehen, nicht um Bestzeitenjagd.

Das Wetter war wirklich toll, Sonne, blauer Himmel ohne eine Wolke bei +7 Grad. Leider zog der Wind ordentlich über den Niederrhein. Gefühlt 3km mit Wind und 3km Gegenwind machten keinen Spaß und zerrten an den Nerven der TeilnehmerInnen.

Viele Dauerpilger waren bei dieser kleinen super freundlichen und familiären Selbstfindung unterwegs. Es wurde gelacht, gefrotzelt, gefreut über das Wiedersehen und angespornt. Wenn man viele dieser “Ultralauf Opas und Omas” so sieht, wie fit und vital sie sind, ist das ein wunderbarer Anreiz auch einmal so positiv gestimmt in diesen Lebensabschnitt zu kommen. Wirklich klasse!!!

Mit der fünften Runde meldete sich auch mein Kopf endlich zu Wort, der wiederum den ganzen Quatsch irgendwie doof fand und doch für Abbruch plädierte. Nein! Nein! Nein! Pilgern bzw. laufen soll kein Zuckerschlecken sein. Um sich zu finden und seinen Horizont zu erweitern muss man auch mal die Komfortzone verlassen. So habe ich mich durch die Runden gelaufen, hatte meine Freude am Überunden und mein Leid durch schnellere Läufer, die mich überrundet haben und kurzfristig zweifeln ließen, ob ich nicht doch das Schlusslicht sei. Vielleicht hat mir auch die Cola und das freundliche Wort am VP1 immer wieder einen kleinen Schub gegeben.  Ich machte mein Ding. Und so geschah doch noch ein kleines Wunder: kurz vor dem Ziel erwartete mich Frederic aus meiner TRRCRW Laufcrew lachend und lief die letzten 200m mit mir ins Ziel. Ein wirklich toller Moment. Das ist wahrer Crew Spirit. Halleluja! DANKE DIR FREDO!!!!

Im Ziel wurde mir von einem vielleicht 6 jährigen Mädchen mit den leisen süßen Worten “Herzlichen Glückwunsch” die Medaille umgehängt. Ich hätte fast auf die Knie gehen müssen. Toll!

Wir feierten uns noch kurz selbst, zogen uns um und fuhren gut gelaunt heim!

Pilgerreisenfazit: Eine Reise in einen Walfahrtsort kann sich dann lohnen, wenn dort das Opferfest des Gottes Marathon abgehalten wird. Und gerade in diesen kleinen Veranstaltungen kann man sein Seelenheil finden. Nicht unbedingt müssen es 12.000 oder sogar 40.000 Starter sein. Gerade ländliche Veranstaltungen haben ihren Charme. Das habe ich gelernt. Und ich habe für mich mitgenommen, dass eine gewisse Entspanntheit mit dem Umgang von Zielzeiten den läuferischen Genuss erhöhen können. Sicher setzt man sich DAS Saisonziel und Highlight. Berlin wird meines sein. Weiterhin möchte ich werden wie die Ultra Opas. Mit eigentlich nicht laufbaren Hüft-, Fuß- und Haltungsschäden so glücklich und fit sein. Wer will das nicht!

Kevelaer, ich komme wieder. Bestimmt!