Und sonst so?

In den letzten Wochen und Monaten ist es hier etwas ruhiger geworden. Selbst meine liebe Ma fragte schon nach, wann sie denn endlich wieder einen der Berichte bekommt, die ich ihr ausdrucke und die sie dann fein säuberlich abheftet.

Gefühlt war viel los, Gedanken müssen aber manchmal erst abgehakt, katalogisiert und bewertet werden. So war ich z.B. mit Marina als Supporter bei einem Backyard im pfälzischen Rettert. Ein Backyard ist ein Stundenlauf, in der man versucht innerhalb einer Stunde die ca 6,7km zu bewältigen und pünktlich zur vollen Stunde wieder an der Startlinie zu stehen. Klingt einfach, wenn das Spektakel allerdings über Stunden, ja Tage dauert ohne das die Aspiranten*innen viel Schlaf bekommen, ist das (An-)spannung für Körper und Geist. Marina hat vorab mal zu mir gesagt, sie wolle schon versuchen weit nach vorne reinzulaufen, so dachte ich mir einfach, das ich sie supporten könnte.

Der Lauf begann und eine Horde Verrückter setzte sich unter vorher kontrollierten Corona Bedingen abends um 20:00 Uhr auf die erste Runde. Mit dabei war auch mein Freund Christoph, der dieses Format zum ersten Mal probierte.

Marina und Christoph liefen konstante Rundenzeiten und so konnte ich sie immer ca 10 – 15 Minuten vor der nächsten vollen Stunde empfangen und ihnen Ihre “Wünsche” erfüllen. Mal ein warmer Tee, mal eine deftige Speise. Support bei einem Backyard bedeutet ca. 40 Minuten langweilen um dann von XX:45 – XY:05 Uhr voll auf der Höhe zu sein. In der Zwischenzeit bummelte ich herum, lag mich in meinen Wagen, schlief ca. 20 Minuten und wartete. Man kann viel nachdenken über Gott und die Welt.

Das Feld lichtete sich zusehends… Immer wieder stieg der Eine oder die Andere aus, packte die Sachen zusammen und fuhr nach Hause.

Marina und Christoph drehten weiter ihre Runden und so vergingen die Stunden.

Nach gefühlt 22 Stunden fing an mir die Decke auf den Kopf zu fallen und ich wurde quengelig. Insgeheim hatte ich zu dem Zeitpunkt den Wunsch und die Hoffnung das Marina vielleicht nach 24 Stunden aussteigen würde. Sie wäre dann die letzte Frau im Feld.

Da dem Support der Support fehlte und ich so mit keinem anderen drüber sprechen konnte, wendete ich mich zur 23. Stunde an Marina und erzählte ihr. Damit hatte ich, wie ich später erfahren sollte auch ihr mentales Kartenhaus ganz schön ins Wanken gebracht. Sie erteilte mir die Absolution nach Hause zu fahren, triggerte mich aber gleichzeitig mit den Worten, das sie mich hier! brauchen müsse. – Mein Helferimpuls bekam urplötzlich neue Lebensgeister und ich wieder Biss. Jemanden hängen lassen war nun wirklich nicht mein Stil und so war ich energiegeladen genug, mit Marina in die zweite Nacht zu laufen.

Christoph stieg als zu letzt Dritter nach 28 Stunden aus. Nach eigenen Angaben hatte er keine Lust mehr. Es begann das Showdown Marina gegen den erfahrenen Ultraläufer Michael. Die nächste Stunde begann. Christoph schlief mittlerweile im Auto, Alex der Veranstalter, die Sportfotografin, Michael und sein Adjutant sowie Marina und ich ich waren die letzten verbliebenen Anwesenden.

Marina überzeugte am Start mit guter Laune und Fröhlichkeit, sang und tanzte, Michael pokerte mit Erfahrenheit und Trashtalk. Beide wollten jetzt zum Äußersten und “Last (Wo-)Man standing” sein. So ging es in die 30. Stunde und so ging es in die 31. Stunde.

Zum Start der 32. Stunde stellten sich beide wieder an die Startlinie und im letzten Moment sagte Michael zu Marina, er würde aufhören und sie solle die letzte Runde alleine laufen und sich den Sieg abholen. Wenn ich daran denke, bekomme ich immer noch eine Gänsehaut und vielleicht auch glasige Augen.

Aufgeregt zog Marina von dannen, ich ging zu Christoph und weckte ihn umgehend. Es war so absurde Situation: ich klopfte an seine Autoscheibe, er schaute mir aufgeschreckt und entsetzt in die viel zu helle Stirnlampe, ich schrie, das Marina auf der letzten Runde war. Marina schickte mir derweil eine Whatsapp, welches Lied sie denn hören wolle, wenn sie ins Ziel käme. So keck muss man erst mal sein…

Jubelnd empfingen wir Marina, die nach 32 Stunden den Backyard in Rettert gewonnen hatte und somit ein goldenes Ticket für die Backyard WM 2021 in Tennessee gelöst hatte. Alle Misstöne, jegliche Müdigkeit und Anspannung waren vergessen.

Wir feierten noch kurz und legten uns dann doch einige Stunden schlafen, bevor wir die Heimfahrt antraten.

Das musste erstmal alles verarbeitet werden….

Am nächsten Tag rief mich Marina etwas verunsichert und aufgeregt an, das sich Alex, der Veranstalter bei ihr gemeldet hatte, weil er vergessen hatte ihr mitzuteilen, das sie mit dem Gewinn auch einen Startplatz bei der diesjährigen ganz besonderen Backyard WM gelöst hätte. Die diesjährige Backyard WM sollte auf Grund der weltweiten Covid19 Pandemie nicht zentral in Tennessee stattfinden, stattdessen sollten sich weltweit “Nationalmanschaften” bilden, die als 15er Teams global in ihrem Heimatland an der Backyard WM 2020 teilnehmen. Und da wäre halt noch ein Platz für sie reserviert.

Nur zwei Wochen später startete sie somit im badenwürtembergischen Kandel mit Edelhelfer* Christoph, der vor Ort supportete. (*Nachtrag: ich telefonierte eben mit Christoph und er echauffierte sich in einem Nebensatz ein wenig über den Begriff “Edelhelfer”. Er: “Das hättest du auch getan.” Ich: “ja, aber du hast es 51 Stunden getan, ich nur 32!” Er: “Du hättest es auch 76 Stunden getan!” Ich: “Und Du 98….!” So ist das wohl zwischen uns beiden.)

Keiner wusste oder konnte ahnen, wie lange Marina laufen würde, selbst sie sagte, sie wäre sicherlich nach der kurzen Zeit in der Lage die Mannschaft bis aufs Letzte zu unterstützen.

Da ich um den Support des Supporters wusste, meldete ich mich immer wieder bei Christoph. wir telefonierten, tauschten uns aus und mit jeder Runde die Marina lief, wurde unser soziales Band dicker und fester. Manchmal erzählten wir uns einfach nur dummes Zeug, er übermüdet, ich mitfiebernd aus der Fremde.

Da schon so viel zu dieser verrückten vielleicht einmaligen Backyard Satelliten Situation geschrieben und gesagt wurde, erkläre ich den noch wenigen Unwissenden, das Marina das Ding mit 51h und 341km nach Hause gelaufen ist und diesen Backyard als deutsches Teammitglied gefinisht hat.

Ich bekomme immer noch kalte Hände, während ich das schreibe. Obwohl ich Null Kilometer gelaufen bin, waren es die aufregendsten und aufwühlendsten Laufgeschichten mindestens dieses Jahres für mich.

Aufregend und mit deutlich mehr Kilomtern ging es für mich weiter: Ich bin letztlich meinen 10.000ten Streak Kilomter gelaufen. Damit bedeutet es mindestens 10km an einem Tag im Durchschnitt zu laufen und versuche es so weiter. Warum? Keine Ahnung, es ist so gekommen und ich fühle mich sehr wohl dabei.

Das ist schon mehr als verrückt: angefangen aus einer Laune heraus, bin ich mittlerweile bei etwas über 900 Tagen, die täglich laufe. Mal laufe ich die Meile, mal deutlich mehr – so wie gerade kommt. Es tut mir gut, mich gerade in Covid Zeiten an etwas stabiles zu halten und den abgesagten Wettkämpfen nicht hinterher zu trauern.

Ich habe ja schon so manches zum Streaken hier in meinem Blog geschrieben, da möchte ich es auch dabei belassen. Ich bin einfach nur stolz und glücklich, das ich es geschafft habe, so weit und so viele Tage zu laufen ohne jegliche Verletzungen, Ausfälle oder gesundheitliche Einschränkungen. Bei Schnupfen läuft man die Meile, bei Husten auch. Bei allen anderen Wehwehchen muss man selbst entscheiden, wie weit man gehen will.

Wer hier mit gehobenem Finger sagt, ich hätte keinen Respekt vor meiner Gesundheit, dem möchte ich mitgeben, das der geneigte Streaker vermutlich mehr darauf achtet, das er auch morgen noch seine Runde drehen kann. Streak und Karantäne zum Beispiel kreisen zudem in meinem Kopf. Denn nur einen Tag pausieren, dreht das Rad wieder auf Null. Das wäre nicht schlimm, aber jammer schade. Und das wollen wir doch nicht…!

Allen Neu Streaker*innen, die jetzt in der zweiten Welle angefangen sind, wünsche ich viel Erfolg. Setzt euch nicht unter Druck, denkt immer nur an den nächsten Tag und nicht an irgendwelche Erfolgs Stories. Es ist nur laufen – und mit der Zeit werdet Ihr merken, das es gar nicht so recht ums laufen geht sondern um alles andere.

Das also ist der Status Quo. Es ist viel passiert, es passiert viel und es wird nicht langweilig. Ich versuche mich so gut wie es geht aus dem Schlamassel da draußen fern zu halten und bleibe fröhlich.

Passt auf euch auf 🙂

Ein Streak Tag…

Die Geschichte ist eigentlich kurz erzählt: ich wollte eine Peak Week machen und durch intensives Training auf irgend einen Lauf vorbereiten. Ich habe es also geschafft 7 Tage am Stück in Folge zu laufen. Vielleicht schaffe ich es ja auch noch eine zweite Woche… Und eine Dritte. Vielleicht sogar einen ganzen Monat…?! Vielleicht ja auch 173 Tage, die mein Laufbuddy Sven geschafft hat…?!

Alles war möglich, das merkte ich. Was ich nicht merkte, waren die kleinen Veränderungen, die sich sich langsam eingeschlichen haben. Ich gebe zu, als Streak Novize sucht man sich meist irgendwelche Helden aus, die man uU. sogar um Rat fragen kann. In meinen Fall war es Lutz. Lutz ist (m)eine Streak Ikone, macht er das doch schon über 8 Jahre, weiß also was er tut. Obwohl er mal schrieb: solange er nicht wüsste warum, würde er halt weiter laufen. Er hat für sich erkannt, das er immer zur gleichen Zeit aufsteht und immer die gleiche Strecke läuft. Ich kann das so nicht handhaben, will ich auch nicht. Fakt ist: die Meile muss gelaufen werden. Und so bimmelt mein Wecker für gewöhnlich um 05:39 Uhr. 39 weil 39 kein Unglück bringt. Niemals würde ich mich um 05:40 Uhr wecken lassen. Keiner macht das. Dann stehe ich auf, trinke zwei Gläser Wasser, checke das Wetter, schaue kurzdurch das Social Media Gedöns, mache mir einen Kaffee und ziehe mich passend an. Ich versuche um 06:00 Uhr aus der Tür zu treten. Mal schaffe ich es, mal nicht. Wenn ich es schaffe, freue ich mich über die Konstanz, wenn ich es nicht schaffe, ist es auch nicht schlimm. Die Uhr piept fröhlich, dass das GPS bereit ist und dann geht es los.

Eigentlich immer rechts herum, die Straße hoch. Ich könnte auch links herum laufen, aber rechts hat sich etabliert. Zu diesem Zeitpunkt weiß ich noch nicht, wie lange ich heute laufen soll. Der Motor in Kopf, Herz und Bauch muss erstmal warm und auch wach werden.

Ich komme immer an einem Haus vorbei, wo ein älterer Herr morgens seine Zeitung ließt. Irgendwann werde ich ihn grüßen, noch schaut er kurz auf, ich schiele zu ihm rüber.

Am Reiterhof biege ich links ab, ich könnte auch rechts abbiegen, aber ich biege halt links ab.

Es geht weiter, mal auf dem Gehweg, mal auf der Straße. Manchmal taucht der blonde Azubi auf, der ins einem Blaumann auf dem Fahrrad zur Arbeit fährt.

Dann biege ich rechts in einen Schotterweg ab und komme an einer Parkbank vorbei. Diese ist vor geraumer Zeit mit einem Standortschild zur Notrufbenachrichtigung ausgestattet worden. irgendeine Nummer, die ich jeden morgen lese, aber immer noch nicht kenne.

Der Kinderspielplatz hat nach Corona Tagen wieder auf, morgens liegt er verlassen auf der rechten Seite. Wenn ich “pünktlich” bin kommt mir ein freundlicher Mann auf einem Fahrrad entgegen und wir grüßen uns zu. Er ist wahrscheinlich auf dem Weg zur Arbeit.

Am Ende des Weges kann ich mich entscheiden: links herum geht es dann auf die Runde größer 10km, rechts auf die Strecke kleiner 10km, wenn ich mal müde (faul) bin. Also links ab, Richtung Ortsausgang. Mich erwartet dann das Piepen des zweiten Kilometers. Eigentlich ist es mir vollkommen egal, aber beim zweiten Piep achte ich genau drauf und es piept immer an einer anderen Stelle…

Dann überquere ich eine Hauptstraße und komme an einem Wildgehege vorbei. Dort treffe ich ich auch ab un zu die Frau mit dem nicht zu bändigen Mops, der sich an der Leine fast stranguliert.

Oben links in dem Haus flackert derweil schon das Frühstücksfernsehen.

Ich laufe das erste Mal über die Autobahn. Mal ist richtig viel Verkehr, zu Corona Zeiten fast gar nicht.

Kurz dahinter hat sonst immer eine Frau geparkt und ist mit ihren Hunden unterwegs gewesen. Einen Morgen war es so nebelig (sagte sie), das sie beim Rückwarts ausparken gleich wieder in den gegenüber liegenden Graben gefahren ist. Sie bat mich, mit meinem Handy ihren Mann anzurufen. Seitdem Vorfall habe ich sie nie weider dort gesehen. Ihr Mann hat sicher gemeckert.

Meistens biege ich dann rechts ab, es folgt eine etwa 500 m lange Gerade. Neuerdings parkt ungefähr auf der Hälfte häufiger ein mann, der in Sport Klamotten die Straße hoch und runter läuft. Ich bilde mir ein, das er nach einem Krankenhaus Aufenthalt wieder auf die Beine kommen will.

Kurz dahinter kommt eine Firma, die im Agrar Bereich tätig ist. Jeden morgen denke ich, das ich unbedingt zu Hause googlen sollte, was die überhaupt machen. Zumindest ist unten rechts im Gebäude ein Büro, mit Bildschirm zum Fenster. Der Windows Bildschirmschoner leuchtet mir immer die korrekte Uhr zu, da der Mitarbeiter noch nicht da ist.

Jetzt geht es über Autobahnbrücke Nr. 2. Hier wuchs mir bis zuletzt eine Riesendistel entgegen. Fast so groß wie ich. Dann wurden die Grasnarben gemäht. da war sie wieder verschwunden.

Kurz hinter der Brücke, stand in einer Feldeinfahrt lange Zeit einen Herren oder Frauenlose Matratze. Was die Menschen alles entsorgen…?

Ich wechsle die Straßenseite auf einen Radweg. Lange ist mir eine Frau mit einem Lastenrad entgegen gekommen. Sie hatte sogar Beleuchtung im Helm integriert. Wo die aber steckt weiß ich nicht.

Ich biege links ab und laufe bis zur nächsten Querstraße. Hier ist noch nie etwas passiert. Doch!!! Einmal bin schön pomadig auf der Mitte des Feldwegs gelaufen, hatte gute Musik im Ohr und wie lang schon das Auto hinter mir in meinem Tempo herfuhr, kann ich nicht sagen. Ich habe mich aber entschuldigt.

Dann biege ich rechts ab, die Hunde bellen von weitem, laufe ich an ihrem Zwinger vorbei, sind sie still. Hier steht auch der rote ältere Polo. Er wurde schon lange nicht mehr bewegt. Vielleicht gehört er der Dame, die ich auch schon lange nicht mehr gesehen habe. Sie ist sonst morgens mit ihrem Rollator unterwegs gewesen. Im Winter hatte sie einen uralten fetten mit mindestens 10 Mono Batterien betriebenen Handstrahler dabei gehabt, der die Straße auch nicht ausleuchtete. Jedes Werbe LED Licht ist heutzutage heller. Wahrscheinlich macht ihre Gesundheit nicht mehr möglich.

Es geht weiter an einer Lindenallee. Auf der einen Seite stehen ca 15 Jahre alte Bäume, ich wollte sie immer schon mal gezählt haben, aber man kommt ja zu nichts. Vielleicht morgen…

Ich biege links ab, mich erwartet die einzige kleine Steigung. Links steht ein kleines Häuschen, es sind immer alle Fenster weit offen, hier wohnen offensichtlich Frischluftfanatiker. Am Ende der Steigung, dann zwei Häuser, hier kann man direkt an der Straße aus einem kleinen Kühlschrank in Häuschenform frische Eier kaufen. Jetzt neu mit Schotterparkplatz!

Weiter geht es durch Klein Britannien. So nenne ich die Stelle, bis zu den Bahngleisen, weil mich der Weg an den Urlaub in Frankreich erinnert. Kleine Hecken und Bäume säumen den Weg, dafür nicht ein Straßenschild.

Kurz vor der Bahn biegt das Taxi immer ab, irgendeine Terminfahrt. Sicher ein guter Job, wenn man seinen Stammkunden abholen kann. Das Taxi kommt mir immer an einer anderen Stelle entgegen, aber hier biegt es ab.

Weiter geht es an einem Haus mit altem Doppelachspferdeanhänger. Der hintere Reifen verlor immer mehr Luft, da stand er dann und vergammelte.

Ich laufe auf ein zweistöckiges altes Klinkerhaus zu. Weiße Fensterrahmen, einfach verglast, runtergekommen. Aber: wenn ich im Lotte gewinne, dann hole ich dieses alte Schmuckstück aus dem Dornröschenschlaf und mache es mir zu meinem Traumhaus.

Dann biege ich rechts ab und eine lange Gerade geht mit leichtem Gefälle herunter. Die Steigung, die ich eben an anderer Stelle hoch gelaufen bin, geht es wieder herunter.

Am Ende biege ich rechts ab, unter einer Eisenbahnunterführung vorbei. Dort steht immer ein blauer Passat mit Essener Kennzeichen, im Winter mit Standheizung. Was auch immer der Mensch dort tut, gesehen habe ich noch keinen.

An einem weiteren Bauernhof leuchtet immer die rote Beleuchtung der Fahrzeugwaage, ich komme leider dort nicht hin, ich könnte dort ein bisschen Schabernack treiben.

Ich kreuze die Hauptstraße und auf dem Weg nach Hause, komme ich an einer kleinen Kapelle vorbei, mit einer dicken alten Eiche davor. Zu Corona Zeiten haben Kinder dort ein Schild dran gehängt mit dem Titel “Mut Mach Baum”. Das finde ich toll und so heißt der Baum für immer so. Spätestens kommen mir hier auch immer die gleichen Hundebesitzer entgegen. Als Beispiel der ältere Herr mit dem noch älteren Golden Retriever. Ich weiß nicht, wer von den beiden noch langsamer geht. Oder der Mann mit den drei Huskys. Zwei an der Leine, einer frei. Die unfreundliche alte Lady mit ihrer “Trethupe” oder die Frau mit der “Pink” Frisur und dem großen Schwarzen.

Links von mir dass Neubaugebiet, die Straßen sind immer noch nicht fertig. Dafür verbarrikadieren sich die Leute immer mehr hinter scheußlichen Zäunen und Gabionen.

Parallel zu meinem Weg läuft ein Sandpfad für die Pferde und Reiter vom Reiterhof. Man kann dort prima laufen und um die Pferdeäpfel tanzen.

Dann geht es wieder am Reiterhof vorbei, an dem älteren Herr der jetzt mit seiner Frau Zeitung ließt und ab nach Hause.

Man sieht also, das auf einer Runde, die man häufig läuft einerseits gar nichts passiert, andererseits aber so viele Kleinigkeiten, die man vermutlich sonst gar nicht wahrgenommen hätte. Es ist nicht so, das einem die Tour langweilig wird, oder sie einem widerstrebt.

Für mich ist streaken nicht nur eine Form des Laufens, sondern ganz viel mehr. Es hat etwas meditatives und nachdenkliches. Manchmal muss ich mich zwingen, nicht alles zu zerdenken und zu zergrübeln.

Einfach an mich denken, dankbar sein, laufen zu dürfen und jeden Tag aufs Neue zu genießen. Es ist toll, auf Kleinigkeiten zu achten, Veränderungen in der Natur und an sich wahrzunehmen und einfach glücklich zu sein.

Bald habe ich 800 Tage voll, aber erstmal morgen. #StreakOn

#RUNTZEE – Wir machen doch nur Spaß…

Damit meine Streakerei gerade in den Wintermonaten nicht zu langweilig wird, kam mir Mitte Dezember eine im nachhinein ziemlich bekloppte Idee. Mit diesem Aufmacher kann ich wahrscheinlich keinen mehr überreden weiter zu lesen. Doch in diesem Fall lohnt es sich wirklich. 🙂 Also am 01. Januar 1 km (1,6 km als Streak Erhalt) laufen, am 2. Januar 2 km laufen, am 03. Januar 3 km laufen, … bis zum 31. Januar und dann halt 31 km laufen. Nicht mehr, nicht weniger. In erster intensiver Klausur stellte ich eine kleine Überschlagsrechnung der Wochenumfänge an und stellte fest, dass die erste Woche mit 28 km locker machbar wäre, die zweite Woche mit um die 70 km so lala, die dritte Woche mit mehr als 120 schwerst machbar, Woche 4 zumindest für mich nicht möglich. Der daraus resultierende Gedanke war nun, die Laufkilometer so zu setzen, wie ich kann und will, aber immer nur einmalig. Ergo am 03. Januar z.B. 12 km, am 22. Januar 4 km, … Somit sind 12 und 4 km in dieser Challenge “verbrannt” und können zwar noch gelaufen, aber nicht mehr als Ergebnis genutzt werden. Es erschien mir wie eine Art “Kniffel”-Spiel zu sein. Da wir alle so schrecklich modern denken (ich größenwahnsinnig gleich an was Globales wie den Marcothon dachte) und sich die globale Kniffel Bezeichnung “Yahtzee” schimpft, habe ich meine Challenge #RUNTZEE getauft. “O.k. Runtzee! What is the next goal to run?” Sounds, äh klingt doch gut…

Nun noch ein bisschen Mathematik: unter der Suche “der kleine Gauß” findet man eine Formel um die Summe eine Zahlenreihe schnell zu errechnen, hier die maximalen Gesamt Kilometer. Man muss also nicht 1+2+3 +4 … addieren sondern nutzt die Formel und tataaa: es kommen unglaubliche 496 km dabei heraus. VIER! HUNDERT! SECHZUNDNEUNZIG!
Ganz klar, soweit kann man ( kann ich ) nicht laufen, ich werde also streichen müssen.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist Gau%C3%9Fsche-Summenformel-Beispiel.jpg

Sodann habe ich mir für das #RUNTZEE Spiel folgende Regeln “erarbeitet” (wer sich auf den Schlips ge-gender-t fühlt, kann sich gerne melden):

  1. Der Spieler kann so häufig oder selten im Monat laufen, wie er mag. Sollte er mehrmals am Tag gelaufen sein, geht die zuerst gelaufene Km Leistung als Wertung in den für alle Teilnehmer sichtbaren Spielplan ein.
  2. Gewertet werden dabei nur abgerundete km (15,8km –> 15km)
  3. Jede Eingabe gibt es exakt einmal also 1x 1, 1x 2, 1x 3,… (Januar 31, Februar 28…)
  4. Sollte der Spieler mehr als 31km gelaufen sein (z.B. Marathon) werden maximal 31km am entsprechenden Marker gewertet
  5. Das Ranking dient ausschließlich dem persönlichen Vergleich und darf zu keiner Zeit negativ gegen andere Spieler verwendet werden. Wie immer gilt beim laufen und eintragen absolutes “fair play”
  6. Jeder Spieler kann so viele Tage streichen ( X ) wie er mag oder muss (Kniffel Gedanke)
  7. Spieler können natürlich vorzeitig aussteigen, aber auch später einsteigen. Der Einstiegstag gilt als Mindestwertungstag
  8. Es können alle Kilometer Marker bis zur gelaufenen Strecke genutzt werden: 15 gelaufene Kilometer kann z.B. als “14” platziert werden, wenn 15 schon vergeben ist.
  9. Alles bei #RUNTZEE dient dem persönlichen Nutzen, der Motivation und dem Spaß. Es dient in keinster Weise dazu, sich oder andere zu schaden, zu kränken oder anderweitig übel mitzuspielen.

So einfach und so gut.

In der Theorie…

Ich habe meinen Laufbuddy Sven @svnkswttr angesprochen, der mir freundlicherweise eine tolle Tabelle konzipiert hat, in die man nur das aktuelle Datum an den jeweiligen Kilometer einträgt und der Rest wie Gesamtstrecke, Ranking, etc. angezeigt werden. Danke Dir Sven.

Wo ich schon bei Sven bin: ich habe Sven und seine Freundin Elli dazu überreden können, sich als Tabellentester zu herzugeben, habe die jetzt häufiger erwähnte (wahnsinnige) Marina und auch meine Frau ködern können, dort mitzumachen. Meine Frau allerdings in der Sonderwertung Rad fahren.

Und dann kam der 1. Januar…

Alle Teilnehmer waren hochmotiviert und eifrig dabei, die jeweiligen Läufe einzutragen. Sven und Elli im Trainingsmodus für die 50km in Rodgau preschten mit schier absurden Umfängen vorne weg. Uns blieb nur das Nachsehen. Sven war, wie nicht anders zu erwarten auf Platz 1 des Rankings, knapp dahinter Elli. Meine Frau, Marina und ich tauschten und wechselten die Plätze.

Da keiner mit einer gescheiten Taktik ans Werk ging, wurden die kleineren Kilometer fleißig aufgefüllt, man ließ sich die größeren Umfänge offen um dieses ggf. zu streichen. Ist ja alles nur Spaß.

Marina und ich liefen am 6. Januar die 45km in Bielefeld und durften somit stolz die “31” streichen, Sven und Elli zogen nach, da sie noch einen langen Lauf als Trainingsvorbereitung für Rodgau machten. Die beiden zogen es beängstigend durch. So beängstigend, das ich Sven zwischendurch sagte, das ich die Challenge nicht dafür erfunden hätte, das er sie gewinnen sollte. Sven winkte aber gleich ab, da die Rodgau Vorbereitungen sich dem Ende näherten.

Ich hatte richtig Lust auf #RUNTZEE, war es doch ein kleines Spiel um Taktik und eigener Genugtuung, nach dem Lauf wieder eine Zahl zu streichen.

Was ich nicht bedacht hatte, war die Tatsache, das immer mehr lockere Läufe “verbraucht”, aber noch viele größere Weiten übrig blieben. Ich holte mir Motivation bei Marina, die einmal mehr voller Schwung war und alles super fand…

Circa 10 Tage später:

Meine Frau fährt tapfer Rad, selbst weitere Strecken, die sie sich nicht zugetraut hat, absolviert sie und ist stolz über ihre Motivation. Marina und ich verfallen in den ersten Trashtalk und versuchen durch liebesvolles Bitten und um Sorge des Anderen Gesundheit doch einfach mal ein bis zwei Tage zu streichen. Doch unsere Bitten bleiben unerhört. Jeder versucht seine Läufe zu absolvieren und der Linie treu zu bleiben. Ist ja eh alles nur Spaß.

Weitere fünf Tage später:

Sven und Elli machen ihr Ding und sie laufen, so wie es ihnen beliebt. Meine Frau macht ihr Ding und sie fährt so, wie es ihr beliebt. Marina nervt mich mit ihrer Lustlosigkeit, ich nerve sie mit meiner Müdigkeit. Noch immer hat keiner ein “X” gesetzt. Das stimuliert das natürlich ungemein, will man sich doch nicht die Blöße geben, negativ gedacht könnte es sein, das es nur ums verheizen geht. Klar, Marina kann alles und nichts laufen, ist aber selbst am Limit, Sport, Beruf und Privates unter einen Hut zu bekommen. Ich schlafe seit einigen Tagen jede Nacht im Prinzip 60 – 90 Minuten weniger als üblich, so das ich die langen Läufe noch vor der Arbeit platzieren kann. Ich erwische mich immer häufiger dabei, dass die Tageszeitung unberührt bleibt und dass das Frühstück aus zwei Hand salzigen Erdnüssen und ein Kaffee im stehen besteht. Für mehr ist keine Zeit. Nur Spaß? Eher leicht nervöses Zucken.

In der dritten Woche laufe ich insgesamt 162km. Das sind 45km mehr als meine “ewige” Bestleistung aus dem November. Alles verrückt. Jetzt bloß keinen Infekt, umknicken oder sonstiges. Schon lange habe ich mich, haben wir uns davon verabschiedet, einen Lauf zu streichen. Das Battle zwischen Marina und mir ist in vollem Gange. Und doch sind wir große Sportsgeister, bleiben fair und gehen ehrlich miteinander um.

Einen Morgen schreibt mir Marina, das sie mir zu meinem Sieg gratuliert, weil sie eine Muskelverhärtung hätte und sie sich einen Husten (sie nennt ihren Husten Ralph [mit ph!!] ) eingefangen hätte. So will ich nicht gewinnen. Ich biete ihr an, das ich auch einen Tag streiche, sie widerum schiebt alles auf mich und sagt ich solle es für uns beide zu Ende laufen – noch am gleichen Tag knetet sie ihr Physiotherapeut halbwegs zusammen und sie läuft fortan mit Ralph. Respekt Marina!! Irgendwo zwischen Wahnsinn und Irrsinn ist sie zu Hause..

Immer häufiger krame ich beim laufen motivierende Sprüche raus, muss mich selbst einmal zum weiterlaufen anschreien. Die mich beobachtenden Rehe müssen sich schwer gewundert haben, das da ein Mensch mit Stirnlampe plötzlich stehen bleibt, sich an schreit und dann langsam weiter trabt. Alles bekloppt. Jetzt haben nur noch die Rehe Spaß.

Am vorletzten Tag stemme ich dann eine neue virtuelle Tür auf: dadurch, das ich nicht immer nur die Mindest Kilometer gelaufen bin, komme ich am 30.01.2019 um 08:07 Uhr an den Punkt, an dem ich die 500 km Schallmauer durchschreite. Marina muss zu diesem Zeitpunkt auf Grund eines weiteren Ultras im Januar ca. 540 km auf der Uhr haben. Mit normalem Spaß hat das alles wenig zu tun. Selten freuen wir uns aber so auf den Februar, fragen uns aber auch was wir mit der ganzen Zeit anstellen sollen. Naja, zugegeben, es ist einiges liegen geblieben und ich freue mich besonders auf ein Frühstück im sitzen.

30.01.2019 21:32 Uhr: morgen soll ich also den letzten #RUNTZEEE Lauf machen, einundzwanzig winzige Kilometerchen* um das Ziel der maximalen 496km zu bestehen. Na dann, gute Nacht. – *Wie verächtlich, oder? Ich muss mich bei all denen entschuldigen, die einmal in ihrem Leben von einem Halbmarathon Finish träumen.

31.01.2019 – Ich werde gegen 03:10 Uhr wach, nervös liege ich im Bett und versuche wieder einzuschlafen. Ich wälze mich hin und her. Wenn ich um 04:15 Uhr loslaufen und gemächlich die letzten 21km laufen würde, wäre ich um 07:00 Uhr aus der Dusche, könnte meine Frau wecken und mit ihr frühstücken. Mein Körper heizte sogleich an, von liegen bleiben war eh keine Rede mehr. So zockelte ich um 04:07 Uhr los durch den frisch gefallenen Schnee, blieb immer wieder stehen, schaute mir die Spuren der Tiere an, zeichnete “WER SCHNEE FÜR SICH ALLEINE HABEN WILL, DER MUSS FRÜH AUFSTEHEN <3 ” in den Schnee und filmte das ab. Gib mir Schnee und ich bin Kind – herrlich. Im Stadion lief ich mit den Hasen eine Ehrenrunde und zuckelte dann weiter. Ich musste mich etwas ranhalten, damit mein Frühstücksplan aufgehen sollte…

Gegen 06:30 Uhr war es dann soweit, etwa 1500m vor zu Hause durchlief ich den 21. Kilometer, blieb kurz stehen, lächelte und machte mich wieder auf. So schnöde das hier steht, war es auch. Kein Jubel, kein Sekt, keine Raketen. Einfach laufen, laufen, laufen laufen, laufen….

Ich habe im Januar insgesamt 525 km in 50h 34min absolviert – reine Laufzeit, in den letzten drei Tagen alleine 70km, Geschätzte 40h davon waren morgens im Dunkeln, mal mit Regen, mal klar und kalt. Dazu noch das An- und Ausgeziehe, Gedusche und was auch alles dazu gehört. Ich glaube, das war alles ziemlich bekloppt, bin mir aber nicht sicher. Doch wenn ich rechne, wie lange der “gemeine” 3x die Woche 8km Jogger für die Strecke benötigt, nämlich gute 5 Monate zuckt meine Oberlippe kurz und ich grinse in mich hinein. Für mehr bin ich zu müde.

Und nun, wer ist hier der Sieger? Keiner? ALLE!!! Meine Frau ist ist im Januar so viel Rad gefahren wie noch nie im Januar, vielleicht auch in ihrer ganzen Streak-Radel-Zeit. Und somit ganz klar Siegerin. Elli ist Siegerin, weil sie in Rodgau durch Fleiß und Können ihre Bestzeit um gut 10 min unterboten hat und danach nicht schlapp gemacht hat. Sven ist Sieger, weil er die Tabelle erstellt hat und gerade am Anfang durch seine Läufe Schwung in den Laden gebracht hat. Marina ist Siegerin, weil sie es trotz privatem Trubel und Ralph so hammerhart durchgezogen hat und insgesamt noch mehr Kilometer gemacht hat. Sehr geil, krank und verrückt. Ja und ich bin auch einer. Warum? Denken Sie sich etwas aus…

Welch ein Schwachsinn, welch Gaudi, welch Drama. #RUNTZEE ist besser als jede Seifenoper, sie fordert und fördert. Ich, nein wir alle haben alles gegeben. Ob ich noch einmal in meinem Leben in einem Monat so weit laufe (12,5 Marathon Strecken) so weit in einer Woche (162,5 km), so viel laufe (ungefähr 51 Std. netto) weiß ich nicht. Jetzt muss ich erst mal ausruhen, den normalen Lauf Alltag einkehren lassen, Kraft tanken und erholen. Bis morgen lieber Streak… DANKE EUCH ALLEN!!! GEILE FÜNFER BANDE! Es war mir ein Fest. Ein besonderer Tripp und ein Erlebnis. Und Ralph verzieht sich jetzt, sonst gibt es mal richtig Ärger…

Nach 500 km ist man in Paris, in der Schweiz oder in Polen…

Die Streakerei…

Angefangen ist es vor gut 250 Tagen. Ich wollte eine sog. Peak week machen und möglichst viele Kilometer in einer Woche zusammen bekommen. Warum weiß ich gar nicht mehr, bestimmt um mich für eine andere Verrücktheit vorzubereiten. Dann kam halt noch eine Woche hinzu und noch eine. Ob man wohl vier Wochen täglich laufen könne, das fragte ich mich. Das funktionierte. Und so bin ich mehr und mehr in diesen Trott gekommen und bin mal weiter und mal weniger weit gelaufen. “Schlimm” war der Tag nach dem 110km Lauf in Köln. Da bin ich in Schneckentempo eine kleine Runde gelaufen. Und erstaunt, wie gut es ging. So mit hat mir die tägliche Lauferei den Allerwertesten gerettet. Einige meiner Laufbekannte sind nach Erfüllung ihres Traumziels in ein Loch gefallen und haben in eben diesem länger verbracht, als ihnen recht war. Ich hatte direkt nach meinem 100km Traum eine Aufgabe zu bewerkstelligen und kam so gar nicht erst auf dumme Gedanken. Es hat alles gemildert und abgefedert…

Um in meinem Hirn etwas aufzuräumen und auszumisten, habe ich die mir wichtigen Gedanken zu diesem Thema einfach niedergeschrieben. So ist Platz für neues….

  1. Wann ist man genau ein Streaker? Diese Frage habe ich auch mal Lutz @unserweg gefragt, seine Antwort: theoretisch schon am zweiten Tag. Doch dieses Gefühl habe ich nach gut 250 Tagen immer noch nicht. So wie ich kein Läufer bin, sondern laufe und so wie ich kein Streaker bin, sondern streake. Ich laufe und ich streake gerade zufälligerweise.
  2. Wie lange streake ich noch? Darauf kann ich keine Antwort geben. Vielleicht wache ich eines Morgens auf und irgendwas sagt mir: Junge es ist vorbei… Ich hoffe auf diese Stimme, dann wäre es ein Impuls tief aus mir drinnen und keine Krankheit oder Verletzung. Ich stehe morgen auf und werde wohl laufen äh streaken.
  3. Was hat sich geändert? Geändert hat sich das Gefühl und die Grundeinstellung zum laufen. Früher war es vielleicht die Erfüllung des Trainingsplans, die Umsetzung und das Aufreiben an persönlichen Bestzeiten. All das ist zur Zeit nicht der Fall. ich genieße diese Stresslosigkeit einfach laufen zu gehen, so lange, so schnell, so weit ich will oder kann. Es müssen halt 1600m sein, die tagtäglich da stehen und “abgearbeitet” werden müssen. Das ist leider auch gleichzeitig die Kehrseite der Medaille. Im November bin ich in eine Art Streak Depression gefallen. Es machte mir überhaupt keinen Spaß mehr zu laufen. Ich war müde, kaputt, genervt von der Lauferei. Das tägliche laufen brachte mir keine glücklichen Momente mehr. Ich überlegte, was ich tun könnte und kam auf die (nachträglich) glorreiche Idee, eine Woche lang wirklich nur täglich 1 Meile zu laufen. 800m hin und 800m zurück. Dabei merkte ich schnell, das ich körperlich ausgelaugt war. Der Kopf war vollkommen frei und zufrieden, nur waren die Umfänge in letzter Zeit für mich zu hoch, das der Körper in den restlichen 23h zu wenig Möglichkeit und Raum hatte, zu regenerieren. Schon nach einer Woche der Erholung, gingen meine Umfänge wieder nach oben, Körper und Kopf waren wieder im Einklang und zogen an der selben Seite. Ich kenne somit hoffentlich in der nächsten Krise eine Möglichkeit, mich aus dem Schlamassel wieder heraus zu ziehen. Geändert hat sich auch der Raum zu Hause, den die Streakerei einnimmt. Ich bin jetzt morgens einfach mal eine Runde drehen und das halt um den Streak am leben zu halten. So langsam bekomme ich auch einen “Überblick” über die Strecken. Zu Anfang dachte ich schleicht weg, das dieses Gelaufe in immer selben Runden super langweilig sein muss. War es auch. Wenn man immer die selbe Runde dreht, sieht man immer das selbe, man achtet auf die Pendler, die Schulbusse, wundert sich das der Zeitungsmann in seinem Smart nicht da ist und und und und. ABER mit der Zeit entwickelt die immer gleiche Routine etwas beruhigendes, geradezu meditatives. Es ist jeden Morgen: 2 Gläser Wasser, einen dünnen Kaffee und ab in die Laufsachen. Dann geht es auf die Laufrunde. Aktuell variiere ich mal weit mal kurz, mal schnell, mal langsam. Doch wenn ich 3-4 Tage die selbe Strecke laufe, bin ich schnell in einem Flow Zustand, ich habe schlichtweg alles gesehen und kann mich auf meine Gedanken konzentrieren, auf den Atem, die Haltung oder auf nichts. Ich werde 2km weiter wieder “wach” und wundere mich, was ich in der letzten zeit gemacht haben könnte. Diese Momente sind der Hochgenuss. Einfach weg sein… Geändert hat sich erstaunlicher Weise auch meine Regenerationsfähigkeit. Höhere Intensitäten stecke ich viel besser weg, obwohl ich keine wirklich langen Läufe absolviere. Das freut mich natürlich sehr. Und mein Trainingszustand, scheint ganz ok zu sein, habe ich doch im Advent mehrfach weitere Strecken hinter mich gebracht.
  4. Was ist geblieben? Geblieben ist das Laufen als solches. Das Equipment, das schlechte Wetter, der Schweinehund, die Müdigkeit, die seltene Lustlosigkeit. Aber auch das Glück, die Entspannt- und Ausgeglichenheit. Und das hilflose Gesuche nach der Stirnlampe, der Mütze oder sonstigem, weil ich es einfach nicht schaffe mein Laufleben so zu managen, das alles an seinem Platz ist.
  5. Was kann ich besser machen? Wie schon gerade kurz angedacht: mein Textil- Lampen- Schlüssel- Handy- Orgamanagement ist noch nicht optimal. Mittlerweile haben Stirnlampe, Mütze und Handschuhe einen eigenen Platz- es wird.
  6. Wie ich mich motiviere? Da dieses Gelaufe (immer) noch nicht in meinen vollständigen Automatismus übergegangen ist, gibt es unterschiedliche Ziele, die mir helfen. Laufbuddy Sven @svnksswttr sagte mir mal, seine längste Streakreise waren 73 Tage – die wollte ich unbedingt knacken. 74 Tage sind ja schon fast 100. Also: nächste Haltestelle 100 Tage. Und so hangel ich mich immer weiter und denke mir kleine Spiele aus, die mich fordern.
  7. Ist das nicht gefährlich? JA, ist es. Wie alles, was zu exzessiv angegangen wird, ist auch die Streakerei ein Ding, was Körper und Geist in Mitleidenschaft bringen kann. Ich habe ja selbst schon gemerkt, das mein Körper mit den zwischenzeitlichen Laufumfängen nicht mehr zurecht kam und rebellierte. Ich vertraue da meinem Bauch, der nicht nur sehr sensibles Organ, sondern auch ein feiner Antwortengeber ist, dem wir aber im allg. immer weniger Aufmerksamkeit schenken. [Werbung: Ich empfehle hier das Buch “Darm mit Charme” von Gulia Enders].
  8. Ist Streaken auch was für mich? Weder bin ich Pädagoge, Lehrmeister, Sportphilosoph oder sonstiger Messias. Aus meiner jetztigen Erfahrung heraus würde ich sagen, das jeder, der sich bewegen kann auch Streakrunner werden kann und es auch einmal probieren sollte. Es kann weder schaden, noch was kaputt gehen. Und wie bei allem: nicht übertreiben.
  9. Kann ich Streaken in meinen Laufplan einbauen? Warum nicht! An den lauffreien Tagen einfach die Schuhe schnüren und die 1600m bewerkstelligen. Aus eigener Erfahrung sind 1600m einfach lästig und das An- und Ausgeziehe dauert genauso lang, wie der Lauf.

Diese Zeilen sollen weder ein How to sein, Streaker zu werden, noch werde ich es wagen mich als erfahren in diesem Gebiet zu bezeichnen. Es sind einfach ein paar Gedanken die ich zu meiner aktuellen Leidenschaft los werden wollte und auch sicher nicht vollständig sind. Danke für die Zeit, die Du dir zum lesen genommen hast. Bei Fragen oder Anregungen melde dich einfach. Und sorry, wenn du eine spannende Laufgeschichte erwartet hast, dieses Mal nur Gedankenschnipsel.

Der (Lauf-) Weg zum Glück

Eigentlich wäre die Story zum Kölnpfad schnell erzählt: Christian @_trailtiger und ich  laufen beim Kölnpfad Ultra nicht die volle Strecke von 171km sondern die nächste Kleinere von 110km, kommen ins Ziel, sahnen die Gürtelschnalle ab und Tschüss.

Wenn da nicht noch ein paar Kleinigkeiten zu erwähnen wären:

Nachdem der Tiger und ich 2017 im Rahmen des Kölnpfads die sog. Kölsche Nachtschicht mit 75km gelaufen sind, war mir relativ schnell klar, das ich mich ein Jahr später an den 110km versuchen wollte. Allerdings sollte es mein Projekt werden, wollte ich doch keinen Druck von außen, sondern in Einzelkämpfer Manier triumphieren. Geht natürlich nicht! Irgendwann, irgendwo verplappert man sich und letztlich waren Sarah @bySarahSi, der Tiger und meine werten Freunde der Kuchencrew KCHNCRW André @AndreNO und Daniel von endurange.com im Boot. Fachliche Kompetenz und Wahnsinn gleichermaßen.

Die Tage gingen ins Land und ich stellte meinen Laufplan für 2018 auf: 50km Lauf in Rodgau mit hoffentlich neuer persönlicher Bestleistung (PB), Treppenwitz METM und dann der Kölnpfad sollten tolle Momente ergeben.

Nachdem ich wirklich Rodgau mit neuer PB gemeistert und den METM bravourös gemeistert hatte, war mein Selbstvertrauen so hoch, das ich ohne wirkliche Sorgen an die Vorbereitungen zum längsten Lauf meines Lebens gehen konnte.

Wären da nicht einige dunkle Wolken aufgezogen. Wolken in Form von Gedanken, die vermochten mich nicht vollends hinter das Projekt zu stellen, Gedanken die mich zögern ließen. Durch den METM hatte ich erstmalig das Gefühl in dieser Ultra Welt angekommen zu sein. Der außenstehende Betrachter wird sich zu Recht wundern: Rodgau, der doppelte Hermann, die Nachtschicht sind doch alles tolle Ultra Läufe. Du bist also ein Ultra. Nur ich hatte nie diese Gefühl. Erst der METM macht mich, so meine Meinung, ein Stück weit zu dem der ich immer sein wollte. 

Ich veränderte also meine Gedanken bezüglich Ultralaufen wie folgt: Der Kölnpfad sollte nicht nur Saisonhighlight sondern auch so etwas wie ein Schnitt und Abschluss in meinem weiteren Ultra Laufweg sein. Ich wollte nicht mehr nach einem riesigen Trainingsplan laufen, wollte nicht mehr Sonntag morgen um 04:00 Uhr aufstehen, wollte nicht mehr ein schlechtes Gewissen haben wenn aus den geplanten 35km nur 27km würden. Es reichte mir. War ich satt? War ich müde? Ich wusste es nicht. 

Ungefähr 2 Monate vor dem Kölnpfad bin ich dann eher durch Zufall mit dem sog. Streak Running angefangen. Streaken bedeutet täglich mindestens eine Meile (1600m) zu laufen. Das kam mir entgegen: lange laufen = Streak, kurz laufen = Streak, gar nicht laufen = 1600m laufen = Streak. Ich konnte so geschickt zwei “Welten” miteinander verbinden. Dieses Streak Running sollte mein Auffangnetz für die Zeit nach Köln werden, ohne in ein Loch fallen zu müssen, ohne sich wieder aufzurappeln und Glückseligkeit in der nächsten Wettkampf Anmeldung finden zu wollen…

 

Der Tag war endlich da: Samstag 05:09 Uhr klingelte der Wecker, aufstehen, frühstücken, Tiger abholen, nach Köln fahren, Startnummer abholen, Shuttlebus zum Start am Rhein Energie Stadion, Tom Eller, der Veranstalter, schickt uns mit einer kleinen Rede auf die Reise und somit auf den längsten Lauf meines Lebens. Unterwegs gesellte sich der liebe Sven noch zu uns und am Sonntag um 02:30 Uhr liefen wir als 5ter, 6ter und 7ter gemeinsam ins Ziel. Müde. Leer. Fertig. – Schnell die Gürtelschnalle als Medaille abholt, geduscht, Tiger weg gebracht, heim gefahren und 24h später machte ich den Motor des Autos um 05:09 Uhr wieder aus. Der Kölnpfad war Geschichte.

Wie jetzt? mag sich sich der geneigte Leser denken. Das ist die Kölnpfad Story? Klares JA.

Mein Gedanken und Erlebnisse sind so wie ein Tisch voller Urlaubsfotos. Zu jedem Bild gibt es eine Anekdote, eine kleine Geschichte. Aber welches Bild nun in das Album darf und welches nicht, werde ich in einem anderen Blog Post klären. Es ist alles zu frisch für mich.

Aber eine kleine Geschichte soll hier erwähnt werden: kurz vor dem Verpflegungsposten in Bensberg komme ich an einem Irish Pub direkt an der Strecke vorbei. Die Tür steht offen, man hört einen Fussball Kommentator reden. Ich gehe rein, der Wirt schaut mich an, als ob ich ein Alien wäre und ich bestelle die vermutlich allerbeste große Spezi meines Lebens. Totales Glück für 2,70 EUR. Die Kohlensäure kribbelt an der Nase, die feuchte Kälte des Glases in meiner Hand, der bezaubende Geschmack kreiert von der Lebensmittelindustrie und das Klackern der Eiswürfel zunächst am Glasrand, später dann unter meiner Mütze sind eines der ganz großen Momente die ich auf diesem Lauf erlebt habe. Häärlisch!!!

 

Am Sonntag Abend schnappe ich mir meine Laufsachen und laufe 1600m. Nicht schnell, nicht rund, aber so will es nun mal das “Streak Gesetz”.

Ich freue mich jetzt sehr auf die Zeit, in der der Trainingsplan nicht mehr das Maß der Dinge ist, wo ich (hoffentlich) wieder mehr gemeinsame Zeit für meine Frau haben werden kann. Und ich werde mich sicher weiter Sonntags morgens davon schleichen um 35km zu laufen. Und wenn es dann nur 27km werden ist das auch Recht. Viele würden sich danach sehnen, einmal in ihrem Leben einen Halbmarathon zu laufen. Ich sollte also entspannt sein.

Was bleibt?

Der Blog vom Kölnpfad kommt. Wenn alles gedacht, sortiert und abgeheftet ist. Oder wie ein deutscher HippHopper mal sang: “In einem schwarzen Fotoalbum mit ´nem silbernen Knopf, bewahr´ ich all diese Bilder im Kopf…” Und ich werde berichten, wie es für mich war, diese 110km zu laufen. Doch jetzt werde ich mich erst einmal mehr auf die nächsten tollen und wichtigen Laufmomente konzentrieren. Ich weiß auch nicht, ob das Streak Running mein Endziel ist oder wie lange ich es durchhalte. Ich habe geliefert und ich bin aus dem Tiefsten mit mir zufrieden. Ich habe mir gezeigt, das ich was kann. 

Und während ich die Zeilen so schreibe, kommt so langsam die Glückseligkeit dieses “längsten Laufs meines Lebens” in meinem Kopf an. Ich werde sicher noch einige Male von diesen Gefühlen übermannt werden und die ein oder andere Träne vor Freude über die Wange kullern lassen.

(so wie jetzt gerade…)