Sieben Acht Null Fünf – die Telefonnummer des örtlichen Taxidienstes, die Pin der Handy Karte, ein Geburtstag?
7805m – Siebentausendachthundertfünf Meter. Ach so! Natürlich!! Es geht um den Westgipfel des 7821m hohen Masherbrum im Himalaja. Logisch. Aber Moment, was hat der Schluppenchris mit hochalpinenen Verrücktheiten zu tun?
RICHTIG! Gar Nichts.
7805m ist die Distanz zwischen dem klassischen Marathon Finish und der ersten Ultra Strecke mit 50km. Natürlich gibt es viele noch viel wahnsinnigere Ultraläufe: 100km, 100Ml, 12h, 24h bis hin zu 6 Tagen. Also sind die 50km doch nur die Bambiniausgabe eines Ultras. Aber auch den muss man erst einmal zu Ende laufen.
So geschehen am 29.01.16 in Rodgau, bei Frankfurt. Mit Frederic und Thomas aus meiner TRRCRW Laufcrew ging es darum einen 50km Lauf zu überstehen. Übernachtet bei Freunden ging es Samstag morgen zum Start und dem bekannten Prozedere und dem Start um 10:00Uhr. Gelaufen werden seit 17 Jahren 10 Runden á 5km durch Wald und Flur.
Runde 1 – Alles auf Anfang. Man witzelt, hat Spaß, freut sich, dass das Wetter doch noch hält. Kein Regen wie vorab angekündigt.
Runde 2 – Aha, so läuft das also hier. Verpflegungspunkt check. Die Strecke ist ein Rundkurs mit einem 300m Wendepunkt. Ein strategisch aufgestellter DJ kontrolliert sicher auch, ob auch keineR abkürzt. Dann reißt mich eine Fahrradklingel aus meinen Gedanken: der 1. Mann mit Führungsfahrrad überrundet uns. Das Wetter hält.
Runde 3 – Die Schulter fangen an zu schmerzen. Jetzt schon! Ich mache mir ein wenig Sorgen. Wenn die Zickereien jetzt schon losgehen muss ich mir ernsthaft Sorgen machen, ob ich den Tag überstehe. Das Wetter hält.
Runde 4 – keine besonderen Vorkommnisse. So langsam wird es stiller und jeder konzentriert sich auf sein Rennen. Meine Schultern ziehen, ich mache während des Laufens Dehnübungen die mir immer wieder ein paar hundert Meter weiterhelfen. Die Fahrradklingel ist wieder da: Wir werden das zweite Mal vom Führenden überrundet. Kurze Zeit später dann Gebrüll: RECHTS LAUFEN! Die erste Frau holt mich ein. Das Wetter hält.
Runde 5 – Die Schultern nerven aber sonst läuft alles soweit. Ich komme ins Gespräch mit anderen LäuferInnen, auch wegen des besonderen Schuhwerks. Ich muss austreten, lasse meine Crew weiterlaufen. Ich hänge mich an einen der Schnellen, die jetzt mehr und mehr das Feld von hinten aufziehen. Und komme kaum hinterher. Wahnsinn, was die Jungs für ein Tempo laufen. Das Wetter hält.
Runde 6 – Der erste Mann überrundet mich ein drittes Mal. Krank – in positiver Weise. Meine bis dato kontinuierlichen Rundenzeiten bröckeln. Ich muss den ultimativen Traum unter fünf Stunden zu bleiben begraben. Egal. Ankommen war und ist das vorrangige Ziel. An einem Banner des Twitterlauftreff vorbei laufend schreien plötzlich Menschen meinen Namen. Über Twitter eine illustre Gemeinschaft. Real kennt man sich nicht. Freue mich aber über den Zuruf und warte ungeduldig die Runde ab, um in der nächsten Runde Kontakt aufzunehmen. Im Start/ Ziel Bereich gibt der Sieger Interviews, applaudiert und feuert an. 2h: 57min. Streckenrekord. Das Wetter hält.
Runde 7 – Nina (La_Loupina) und Johannes (Werwolftamer) vom Twitterlauftreff jubeln mir zu. Ich halte kurz an, sie schicken mich aber schnell wieder auf die Reise. Dan geht es los. Fange an dem Kopf zu viel Raum zu lassen um meine Maschine mit negativen Gedanken zu überfluten. Es wird schwer. Frederic mein gut gelaunter Crewpartner bekommt den einen oder anderen Spruch ab. Seine Motivation in allen Ehren, aber kann der Typ nicht mal die Klappe halten? Habe aber auch den Tipp eines erfahrenden Ultraläufers im Kopf: Sieh den Schmerz als einen Gast an. Sei freundlich zu ihm und er verschwindet wieder. Und er ist auch wider verschwunden. Das Wetter hält.
Runde 8 – Sagen wir wie es ist: Großer Mist. Die Runden nerven mich. Die Beine nerven mich. Der DJ spielt Queen. Die erste Frau überrundet mich das zweite Mal. Frage mich nach dem Sinn. Quäle mich durch die Kilometer. Ein dunkler Moment. Das Wetter hält.
Runde 9 – Ich komme durch den Start/ Zielberich, am Twitterlauftreffbanner vorbei und dann geht die die Sonne auf: Nina schmeißt ihre Jacke weg und läuft mit Frederic und mir ein Runde mit. Sie redet und lacht, spornt mich an und gibt mir wieder Energie. Bei KM 42,195 steht ein Marathonschild und ich sage zur Ihr: Mit jedem Schritt bin ich noch nie so weit gelaufen wie jetzt. Wir müssen beide schlucken. Unfassbar. Bei km 44 fängt es an leicht zu regnen. Nina klinkt sich kurz vor dem Durchgang wieder aus.
Runde 10 – Frederic baut mich auf: auf der letzten Runde genießt man, freut sich, bedankt sich bei den Helfern, beim DJ. Aha. Muss ich??? Plötzlich ist Nina wieder da. Ob sie noch Runde mitlaufen dürfe? Warum nicht. Ich versuche Kontenance zu wahren, verstecke mich hinter meiner Brille, bin echt auf. Ich bitte Frederic vorzulaufen und ein paar Fotos von meinem Zieleinlauf zu machen. Im Bereich des vierten Km einer Runde läuft man einen klitzekleinen Anstieg. Die Veranstalter haben dort allerdings eine Maschinerie eingelassen die die Gradzahl bei jedem Durchlauf etwa 5 Grad steiler macht. An mir liegt es doch nicht, das ich hier fast nicht mehr hoch komme. Oben krampft die Wade, ich muss stehen bleiben, kann aber schnell wieder weiter. Kurz vor dem Ziel schickt mich Nina auf die letzten Meter, Frederic empfängt mich euphorisch. Z-I-E-L
Runde 11: – ich bin leer, aber jetzt bin ich ein Ultra. Nach 5h 09min bin ich im Ziel und im Ziel meiner Träume. Ich wollte schon so lange einmal einen Ultra laufen. Endlich habe ich meinen Wunsch erfüllt. Bedanke mich bei Nina, bedanke mich bei Frederic und verkrümel mich aus dem Pulk. Mein Blick wird wässerig vor Glück, vor Erschöpfung.
Keine 24 h nach Zieleinlauf bin ich leer und glücklich. Dauergrinsen ist ein tolles Gefühl.