Neumondlauf – wir bringen Licht ins Dunkle

Hallo zusammen,

danke, dass Ihr Euch die Mühe gemacht habt und den Weg auf diese Blogseite gesucht und gefunden habt.

Ich heiße Christian, laufe gern und wohne seit 2019 in Ascheberg. Während der Laufkilometer kamen und kommen mir immer wieder neue Dinge in den Kopf. Jetzt halt diese hier.

Folgende Idee:

Unter dem Titel “Neumondlauf – wir bringen Licht ins Dunkle” werde ich an den jeweiligen Neumond Kalendertagen abends um 20:30 Uhr vor der Volksbank in Ascheberg stehen und mit “wem auch immer” eine ruhige schöne ca. 6km Runde laufen. Das Tempo bestimmt ihr. Natürlich könnt Ihr auch noch eure Freunde:innen mitbringen. So soll es ja sein…

In den dunklen Monaten werde ich mit Stirnlampe laufen um den komplett asphaltierten Weg ein wenig ausleuchten. Ihr könnt uns also gern noch mit einer Taschen- oder Stirnlampe unterstützen und falls Ihr habt bringt eine gut reflektierende Jacke/ Scherpe oder einfach die Rettungsweste aus dem PKW mit.

Obwohl es vorrangig ein Lauf sein sollte, könnt Ihr auch gern mit eurem Fahrrad, Inlineskates, Skateboard oder was auch immer kommen und mich begleiten.

Warum? Einfach so! Um sich auszutauschen, zu schnacken, Euch durch die dunkle Jahreszeit zu bringen, den Schweinehund zu ärgern, sicher draußen zu sein oder auch einfach eine Stunde aus dem Alltag zu entfliehen. Sucht Euch was aus. Hauptsache wir bewegen uns.

Hier die nächsten Termine: Samstag 27. August, Sonntag 25. September, Dienstag 25. Oktober, Mittwoch 23. November, Freitag 23. Dezember 2022

Ich freu mich auf Euch

Christian

+++ UPDATE+++

Der erste Neumondlauf ist Geschichte – ein wirklich tolles Erlebnis! Bitte versucht Euch mit einer Rettungsweste aus eurem PKW und/ oder Blinklichtern auszurüsten. Je besser wir gesehen werden, um so sicherer sind wir.

Raketentreibstoff?

An den Tankstellen kennt man es: Ultimate 100, High Performance Diesel, Super Plus 100. Und man denkt sich: kein normaler Mensch tankt doch diesen überteuerten Mist, den das Auto besser und schneller macht. Sollte es aber keiner tanken, wären all diese Produkte schon lange wieder vom Markt. Entweder ist also eine Nachfrage da, oder die Marge ist für die Konzerne doch so gut, das sie diesen Sprit einfach immer anbieten. Einen Dummen wird es wohl geben, der das macht.

Ich bin jetzt, wie auch schon andere Menschen vor mir, auf Raketentreibstoff für den Menschen gestoßen. Quasi das Ultimate Body 100. Ob das wirklich so ist, werde ich hier — absolut subjektiv — die nächsten Tage und Wochen testen. Auch das scheint mir vollkommen überteuert, aber ich probiere gern aus. So bin ich also der Überschlaue, der sich über HighTech Benzin echauffiert aber selbst Mittelchen zu sich nimmt, die im normalen Alltagbetrieb nicht ausschlaggebend sein könnten.

Das Pülverchen heißt AG1, ehemals Athletic Greens und soll ein Superduper Pulver sein, um dem Körper allerhand gutes zu geben. Was genau steht hier.

Ob man / frau/ ich es wirklich benötige, ob für mich die Sonne zur ewigen Gesundheit aufgeht, will ich einfach ausprobieren. Es gibt Blogs und Prominente, die dafür werben, es gibt Blogs und Seiten im Internet, die diese Produkt ablehnen.

Bezogen (und selbst bezahlt) habe ich es über die liebe Claudia aka SwissClaudi, die dass Pulver “influenct” Da ich Claudia allerdings ein wenig (Claudi, wie gut kennen wir uns?) kenne und ihre Meinung sehr schätze, kann ich zumindest sagen, mir wurde AG1 nicht auf der Kirmes feilgeboten oder durch sonst eine eingespülte Insta Werbung anonym aufgedrängt. Nein, ich habe es aus freien Stücken getan.

Wie macht man also eine “Studie”, die keine sein soll. Welche Eckdaten muss dem Lesenden vermittelt werden, das ich ehrlich und glaubwürdig schreiben kann, was wichtig ist?

Hm, gar nicht so einfach…

Habe ich hier weder 101 Menschen einer Placebo Gruppe, noch ein Blut Analyse Labor im Keller. Ich kann einzig und allein meine Meinung sagen und über die nächste Zeit schreiben ob oder was mir auffällt.

Legen wir also los!

Zu mir: viele werde es wissen, ich laufe zur Zeit täglich. Das Procedere sieht so aus, das morgens wach werde, 1 Glas Wasser trinke, danach meistens einen Kaffee um mich dann in meine Laufsachen zu pellen und raus gehe zum laufen. Auf den Kaffee habe ich diese letzten Zeit verzichtet – einfach um zu schauen, ob es ohne geht. Geht ;-). Ich nehme zu dem Wasser entweder eine Tablette mit Zink (Zn) oder mit Magnesium (Mg) zu mir.

Der Tipp mit dem Zink kam von meinem Zahnarzt. Man würde sich nicht oder weniger erkälten. Scheint zu stimmen. Und so nehme ich regelmäßig Zink in den Monaten, die auf “R” enden.

Magnesium nehme ich wegen der sonst ekligen Situation, nachts Wadenkrämpfe zu haben. Danke Mama für dieses tolle Erbgut. Mit Mg passiert das zum Glück nicht.

Meine psychische Gesundheit ist durch den Job und allerhand privates nicht unentspannt. Auch da soll Mg ja gut für die Nerven sein.

Zum Test von AG1 werde ich Zn und Mg in dieser Tablettenform absetzen und mich voll und ganz auf die Inhaltsstoffe des grünen Pulvers verlassen. Ehrlich gesagt, habe ich mich damit nicht beschäftigt, ob diese Stoffe überhaupt in AG1 enthalten sind. Sollte ich nachts wieder kerzengrade im Bett liegen, ist wohl die Inhaltsmenge zu klein.

Somit habe ich also die Starterbox von AG1 bestellt, die nach einigen Tagen in einer wirklichen schönen Pappschachtel bei mir auftauchte. Ein Shaker, eine wertige Aufbewahrungsdose aus Metall und ein Messlöffel sind dabei. Zusätzlich noch ein Fläschchen mit Pipette und Vitamin D. Soll morgens eine Tropfen ins Müsli. Bitteschön, machen wir das auch…

Ich werde jetzt morgens also statt dem Wasser, dem Zink oder Magnesium und dem Kaffee zumindest den halben Shaker leer trinken und den Rest nach dem Lauf. That´s it. So ist der Plan. Und dann werde ich mal sehen, was passiert.

Erste Kritikpunkte: augenscheinlich kommt das Pulver aus Neuseeland (muss ich aber noch final checken). Steht zumindest so auf dem Beutel, der für einen Monat reichen soll. Dann schickt mir Athletic Greens den nächsten Monatsbeutel raus. Hallo Abo!!! Ich kann, nein ich soll das doch jederzeit pausieren oder kündigen sollen. Mein CO2 Footprint ist also mit dem Produkt deutlich ins Minus gerutscht. Ich weigere mich auch Äpfel oder Wein aus der Gegend zu kaufen. Das ärgert mich fast mehr als der Preis. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich vermutlich nicht bestellt.

Der Preis ist schon derbe. Gut, eine Schachtel Kippen am Tag sind deutlich teurer und und ungesünder. Nein – ich rauche nicht (mehr). Zumindest gebe ich mit AG1 am Tag ungefähr nur die Hälfte wie 20 Zigaretten aus um irgendwann doch zu sterben. Naja, vielleicht kommt der Sensenmann ein paar Jahre später oder ist gnädiger bei dem Weg meines Abgangs….

AG1 hat es also nicht leicht, mich zu überzeugen. Das ist doch schon einmal eine gute Basis.

Mögen also die grünen Spiele beginnen….

Tag 1 – ich stehe also morgens in der Küche und reiße den Beutel auf. Whooof, eine grüne kleine Staubwolke tritt mir entgegen. Das Pulver ist wirklich extrem fein vermahlen. In dem Beutel finde ich einen weiteren sehr einfachen Messlöffel. Ich versuche diesen aus dem weichen Gemisch zu fischen und habe gleich grüne Finger. Als Gerne Koch lecke ich meine Finger ab, wenn ich etwas daran habe. Hier mache ich es genau so – intuitiv. Der erste Geschmack ist komisch aber nicht befremdlich.

In keinem der Blogs steht etwas über den Geschmack. Ganz klarer Kritikpunkt an Athletic Green. Man kann kein Probierpäckchen bestellen. Wenn das Pulver jetzt nach Ko.. schmecken würde, hätte ich ein Problem. Ich hatte vermutet, es würde kohliger schmecken. Es ist eher süß, nicht salzig, nicht sauer, riecht nach wenig. Es hat vielleicht ein bisschen Geruch und Geschmack von Wriggley´s Spearmint.

Den Shaker mit Wasser gefüllt, einen gestrichenen Messlöffel in den Shaker, Deckel drauf, 20 Sekunden schütteln -fertig. That seems very easy.

Ich nippe. Nicht schlecht. Nicht gut, aber auch nicht schlecht. Ich kann ohne großen Aufhebens 2/3 des Shakers leer trinken, danach den Rest. Das wars.

Während des Laufens, habe ich nicht das Gefühl, das AG1 mich irgendwie nervt.

Warten wir also ab…

Tag 2 – AG1 setzt tatsächlich Energie frei. Die, meine Küche zu putzen, weil sich im Shaker Deckel unmerklich die Silikon Dichtung aus der Fuge gelöst hat, der Deckel undicht war und meine Küche morgens früh mit grünen Tropfen sprenkelte. Da kann sicher AG1 nicht für, viel besser ist es natürlich, das man den Silikonring zum reinigen heraus nehmen kann. ich muss halt nur darauf achten, das alles dicht ist. Ansonsten keine weiteren Vorkommnisse…

Tag 3 – Hatte ich eigentlich erwähnt, das ich im Starterpaket ein kleines Glasfläschchen mit Pipette erhalten habe? Darin sind bis zu 600 Servings Vitamin D und K. Vitamin D wird ja auch das Sonnenvitamin genannt, weil der Körper dieses wohl bei Licht produziert. Was ich noch nicht herausgefunden habe: Vergleichbare Präparate sprechen von iE also internationalen Einheiten, auf meinem Fläschchen in Mikrogramm.

Ich habe von “…braucht man nicht, draußen ist es selbst im grauen Winter hell genug, das der Körper Vitamin D selbst produzieren kann” bis “gescheiter Gemütsaufheller” alles gelesen. Auch da gehe ich entspannt heran. Morgens einen Tropfen ins Müsli – wird mich nicht umbringen und da es draußen gerade echt nur grau in grau ist, scheint meine Sonne aus meiner Müsli Schale.

Tag 4 – Heute könnten die Inhaltsstoffe erstmals wirklich gefordert werden. Ich bin ziemlich lang gelaufen und jetzt sollte es sich zeigen ob ich, wie sonst, Wadenkrämpfe bekomme oder ob es “friedlich” bleibt. Ich weiß natürlich nicht ob die lieben (triggernden) Worte von Freund Christoph dazu geführt haben, das ich heute vor dem Frühstück einen echt langen Lauf heraus gehauen habe oder Ag1 sich so Dynamik steigernd in meinem Körper ausgebreitet hat. Aber nach vier Tagen? Nein, es war Christoph… 😉

Tag 12 – ein wenig frustriert habe ich heute wieder mal meine Küche versaut. Das war das dritte Mal. Daraufhin habe ich den AG1 Online Chat Support kontaktiert und “Carola” schickt mir einfach einen neuen Shaker zu. Rotzig könnte ich sagen, bei der Marge habe ich nichts anderes erwartet, aber! ich sage: super unbürokratisch – kein warum oder wieso, sondern einfach machen.

Nebenbei trinke ich deutlich weniger Kaffee, warum auch immer. Und gefühlt esse ich weniger Schrott – und das kann ja nur gut sein.

Tag 17 – DingDong, die Post ist da. Athletic Greens hat mir ein Paket geschickt: einen neuen Shaker. Aber auch noch eine coole grüne Metalldose und einen schweren Metall Dosierer. Was will man mehr. Natürlich weiß ich nicht, ob andere Hersteller das auch so unkompliziert gehändelt hätten. Aber Live Chat, schnelle Lieferung etc. muss natürlich auch alles (re-) finanziert werden.

Tag 28 – DingDong die Post ist schon wieder da. Athletic Greens hatte sich vor einigen Tagen per mail gemeldet das ich über meinen Account Lieferadresse etc. deligieren könne.

Heute kommt also ein neuer frischer Beutel AG1 in einem ziemlich lieblos zerfledderten DHL Luftpolster Umschlag an. Das macht mir keine Freude, bei dem hohen Preis erwarte ich eine Pappschachtel (meinetwegen gefaltet) und nicht so etwas instabiles und nicht stichsicheres. Schade.

Nebenbei geht es mir nicht schlecht mit dem Pulver. Es macht sich Routine breit, morgens einen Shaker zu mischen und zu trinken. Nur mit dem Preis komme ich nicht klar. Wenn ich das aufs Jahr hochrechne…? Gesundheit und Vitalität sind sicherlich nicht umsonst zu bekommen und ich werde sicher im Alter ordentlich draufzahlen müssen, falls ich mich nicht jetzt schon darum bemühe. 12 x 87,00 EUR = 1044 EUR im Jahr klingen schlimm. 2,86 EUR pro Tag schon wieder nicht. Dabei schlürfe ich meinen Soja Latte für 4,30 EUR….

Tag 65 – da ist mir ja was ganz blödes passiert: Augenscheinlich habe ich mein AG1 Kundenpasswort vergessen und mich irrtümlich ein zweites Mal zu einem Abo hinreißen lassen. Somit kamen jetzt hintereinander meine Monatsration und ein neues Welcome Paket an. MIST! Somit war ich auf der AG1 Homepage auf der Kontaktseite zum Chat und habe tatsächlich und sofort einen echten Menschen an der Strippe gehabt. Ich habe Latifa das Problem geschildert. Die normale Reaktion hätte ja sein können: Tja, Pech gehabt Blödmann, jetzt musst du zahlen. Aber der Service hat einfach einen Account gelöscht und setzt eine Lieferung aus, weil die ja doppelt gekommen ist. Großartig! Das hat keine 5 Minuten gedauert und somit ist (hoffentlich) dieses Problem aus der Welt.

Und sonst so? Die PR Abteilung von AG1 möchte ja gern, dass ihr Produkt zu einer Morgenroutine wird. Ich soll mich abhängig machen und zahlen. Haha – tue ich auch. Ich stehe jeden Morgen auf und der erste Gang ist in die Küche um einen Shake zu machen. Zeitweise mit dem Saft einer halben frisch gepressten Zitrone – dann ist es imho noch leckerer. Ich habe seit dem Beginn kein zusätzliches Magnesium oder Zink eingenommen. Auch der Kaffeekonsum ist reduziert. Spielt sich vermutlich alles in meinem Kopf ab. Nun gut, wenn es hilft….

Ich mache noch ein bisschen weiter 🙂

Tag 141 – ich habe mich entschlossen, meine AG1 Phase auslaufen zu lassen.

Diesen Entschluss möchte ich kurzerläutern: Es ist mir schlichtweg zu teuer. Ich bin nicht gewillt monatlich 87 EUR für dieses Produkt zu zahlen. Bei dem Gedanken daran, welche Summen ich über 5 oder 10 Jahre ausgeben würde, wird mir schwindelig. Natürlich habe ich jetzt nicht einen Euro mehr in der Tasche oder stopfe 87 EUR in eine Spardose. (Eigentlich eine gute Idee…) Somit habe ich meine Lieferung unterbrochen. Athletic Greens geht vermutlich davon aus, das ich noch mal wieder komme. Ich erst mal nicht.

Doch wie geht es nun weiter? AG wirbt mit seinen 75 Inhaltsstoffen. Da kann kein konkurierendes Produkt mithalten. Vielleicht reichen aber auch 40. 40 tolle Stoffe gemixt in Deutschland klingt doch auch verlockend. Nur der Name ist selten dämlich. Erinnert er mich doch an eine mehr als schwachsinnige Boulevardzeitung. Aber gut…

Ich habe mich für den Volksshake entschieden. Der Name ist doch wirklich dämlich. Aber mir gefällt das restliche Marketing. Wenig Hokus Pokus, keine teuren Spitzensportler, Zutaten tw aus Deutschland und nicht einmal um die Welt aus Neuseeland geflogen.

Und wie ist er nun der Volksshake? Es staubt beim umfüllen in die Metalldose genauso wie AG1, es bleiben nach Genuss ein paar mehr Schwebstoffe im Shaker. Da scheinen die Mühlen der AGler noch ein wenig feiner zu mahlen. Das Produkt selbst schmeckt wiesiger, ein bisschen mehr nach grünem Tee. Muss man mögen – kann man sich aber auch dran gewöhnen.

Woran ich mich gewöhnt habe ist allerdings die Routine mir morgens einen grünen Shake reinzuziehen um dann in den Tag zu starten….

Tag keine Ahnung – der Volksshake ist tot, es lebe die grüne Mutter. Ich habe den Volksshake jeden Morgen routinemäßig getrunken – auch im Urlaub. Wenn man sich an den wiesigen Geschmack gewöhnt hat, ist er wirklich gut trinkbar.

Also ist jetzt das nächste Produkt gelandet. Bleiben wir bei bescheuerten Namen: Grüne Mutter. Hä? Warum???? Wie kann man ein Produkt so nennen? Aber was weiß ich schon. (Schublade auf: ich habe weder Oberlippenbart noch weiße Tennissocken) Ich bin sehr gespannt, was mich erwartet.

Das Pulver ist grün, sehr fein vermahlen und der Geschmack ist deutlich süßer. Ein bisschen wie ein Wrigleys Juicy Fruit. Der gefühlt 38te Inhaltsstoff ist Stefia, wahrscheinlich liegt es daran. Und der erste Gedanke: ich will meinen Volksshake zurück.

Es bleibt also spannend….

Tag XY – Ich habe endlich die Dose Grüne Mutter leer – was soll ich sagen, ich lebe immer noch. Der Geschmack wurde nicht wirklich besser. Natürlich kann man sich an alles gewöhnen. Aber der Geschmack blieb künstlich. Was bleibt ist aber die Routine morgens direkt nach dem Aufstehen 350 – 400ml Wasser nachzuführen, was grundsätzlich nicht schaden kann…

Tag YZ – ein neues Paket liegt auf dem Tisch: Gaia Chi vertrieben von Mutter Erde. Woher haben diese freakigen Läden immer ihr Namen her….? Gaia Chi kommt in einem hippen matten gelb roten Beutel daher. Augenscheinlich haben irgendwelche Verbraucherschützer eingeklagt, das Gaia Chi nicht mehr das aller aller tollste Produkte von und auf Mutter Erde ist, denn ein Teil der tollen Sachen ist mit einem schwarzen Edding durchgestrichen. Schade…

Und ganz verrückt: es ist ein rotes Pulver. Die Inhaltstoffe sind nicht keine Wiesen, sondern allerhand Beeren. Dort zu lesen sind Goji, Acerola, Cranberry, Himbeere, Hanfprotein, Maca, Moringa uvm. Na dann Prost.

Wer einen farbenfrohen roten Shake erwartet bleibt enttäuscht. Es erinnert eher an ein dreckiges Rot oder Rost. Der Geschmack ist weniger künstlich, wie in der letzten Runde, bleiben lt Anbieter Füllstoffe und Süßungsmittel außen vor. Und ich fühle (noch) keine innere Wärme, die aus dem Bereich des Beckenbodens aufsteigt, wie eine Rezensentin schreibt. Mir ist bei dem Wetter jetzt im August auch so schon warm…

Ich bleib dran 🙂

Ich bin froh, dass das rote Pulver endlich leer ist, der Geschmack war eher semi. Na gut, neuer Tag neues Glück: es gibt jetzt dieses Wunderzeug. Erkenntnis: einmal probiert, die ganze Dose meinem Arbeitskollegen geschenkt. Es war ekelig. Super süß, quitschig, aufstoßend, Einfach bäh. Die Inhaltsstoffe nicht verständlich für mich als Nicht-Lebensmitteltechniker. +++ Update +++ Mein Arbeitskollege hat es zuhause probiert, fand es total widerlich und Zitat “mir war den halben Tag schlecht!”. Das sind natürlich nur zwei Meinungen und eventuell haben die restlichen 7.999.999.998 Milliarden Menschen nichts dagegen.

Also suche ich weiter. Bestellt habe ich jetzt dieses Pülverchen. Pure Greens ist der Name. Erstes Fazit: Wer lesen kann ist klar im Vorteil. Nach AG1 das teuerste Produkt meiner bisherigen Testreihe. Mit 166 EUR/kg ein verdammt stolzer Preis. Ich habe die 150gr Dose bestellt zu 24,90 EUR.

Ich hätte es nicht getan, hätte ich das gewusst. Dafür ist der Geschmack ´ne Wucht. Tief dunkel grün kommt es daher und schmeckt super nach Zitrone und einem Hauch Ingwer. Platz 1 auf jeden Fall. Und zum anfixen von grünen Pulvern gemacht. Danach will man eh nichts anderes mehr.

Weil ich aber so geizig bin, habe ich die 150gr Dose Pure Greens mit Lebepur Hanf Protein “gestreckt”. Der Geschmack ist fast noch besser, weil nicht so extrem zitronig. Darauf kann ich mich die nächsten Tage gut einlassen. Preislich ist meine Mischung (24,90 EUR + 4,99 EUR) bei 91,96 EUR/kg. Krass teuer, vielleicht muss ich da doch mal auf die Bremse drücken.

Ich bleibe dran…

(R)auszeit im Mai – Teil II

Was man am 1. Mai machen kann, wenn Corona das Land „lahm“ legt, haben Marina, Ole und ich 2020 schon gezeigt. Die beiden sind die sog. Hermannshöhen abgelaufen – einer von 14 „Qualitäts Fernwanderwegen“ in Deutschland – den sog. Top Trails of Germany und dabei hatte ich sie aus dem Wagen heraus supportet.

Jetzt ist wieder Mai. Sogar der 1. Mai. Welch Zufall 🙂

Samstag morgen 04:44 Uhr – Der Wecker geht. Ich pelle mich aus dem Bett und ich weiß jetzt schon: egal was kommt, es wird cool und aufregend. Erst mal Kaffee und Müsli, mein Equipment für die nächsten Stunden habe ich schon am Vorabend verladen. 

Um 05:30 Uhr sitze ich im Auto um fast pünktlich um 06:45 Uhr unterhalb des Kaiser Wilhelm Denkmals in Porta Westfalica am vereinbarten Treffpunkt zu sein. Treffen werde ich mich mit Marina.

Wir verladen ihre Sachen und Sie in mein Auto und genießen die zweistündige Fahrt zu unserem Startpunkt in Hannov. Münden. Dort, am sog. Weserstein, wo Werra und Fulda zusammen fließen und die Weser beginnt, beginnt auch unser neuestes Top Trails of Germany Abenteuer. Sie will mit meinem VP Support in den nächsten Stunden den Weserbergland Weg laufen: 225km mit +6200hm. Die 13 Teilstrecken haben wir vom gleichnamigen Tourismusverband übernommen.

In der Vorbereitung habe ich mir wieder alle Punkte mit Längen- und Breitengraden heraus gearbeitet mit dem Unterschied, das es eine handschriftliche Spalte gibt, in denen ich die aktuellen Corona Inzidenzen eintrage. Aber der Corona Gott scheint es gut zu meinen: in den Landkreisen, die wir des Nachts passieren, droht uns keine Ausgangssperre. Trotzdem sind wir vorsichtig und haben uns vorher getestet.

Punkt 09:00 Uhr setzt sich Marina am Weserstein in Bewegung. Ab jetzt heißt es: da sein! Am VP sein, geistig da sein, Kummer auf- und abfangen, zusammen lachen und falls es hilft schreien.

Da läuft sie hin…

Ich steuere den ersten VP an und warte auf sie. Per Tracker kann ich immer sehen, wo sie gerade steckt und mich so vorbereiten. Hatte ich erwähnt, das Deutschland immer noch Flecken hat, wo es keinen gescheiten Handy Empfang gibt? Vor 10 Jahren war ich Kenia, die waren da gefühlt schon weiter als wir jetzt. Also weiß ich nicht immer, wo sie gerade ist. Und da keiner so recht die Höhenmeter als Tempobremse einschätzen kann, heißt es für mich einfach warten.

Aber dieses mal bin ich gut vorbereitet: ein gutes Buch habe ich dabei, zwei Filme aufs Handy heruntergeladen und ich will nach jedem VP die Eindrücke kurz tagebuchartig notieren, dann fällt es mir später leichter die Gedanken zu sortieren. 

Das Buch habe ich ungelesen weiter verliehen, einen Film habe ich nach 5 Minuten wieder gelöscht, den anderen nicht gesehen weil meine Augen zu müde waren. Ja, und die Notitzen? Habe ich genau EINE.

Also schreibe ich all meine Gedanken und Erlebnisse so auf, wie sie mir in den Sinn kommen. Es wird eh kein Reiseführer sondern wieder ein Tagebuch der besonderen Sorte.

Fange ich also an:

Samstag morgen 04:44 Uhr – Der Wecker geht. Ich pelle mich aus dem Bett und ich weiß jetzt schon: egal was kommt, es wird cool und aufregend. Erst mal Kaffee…

Eines der wichtigen Dinge: Es ist das WeserBERGland. Ich hätte niemals gedacht, das diese Landschaft so grün, so hügelig und so einsam ist. Fantastische Wälder, urige Dörfer, Straßen die nicht mal Leitpfosten geschweige denn weiße Streifen rechts und links haben. Diese grauen Pisten verlangen dem deutschen Automobilisten alles ab. Kein Schild, das vor eine Kurve warnt, kein Schild, welches die Geschwindigkeit limitiert. Die Straße scheint zu drohen: fahr halt gescheit, dann passiert dir auch nichts.

Ich halte mich an diese Regel. Selten bin ich so gemütlich durch die Lande gerollt, überholt wurde ich immer wieder. Reisen kann so herrlich entschleunigen.

Die Laufetappen sind zwischen 13km und 20km lang, meine Fahrzeit häufig nicht mehr als als 15 Minuten. Ich kann mir also wirklich Zeit lassen. Komme ich später, komme ich halt später. Unterwegs gönne ich mir immer wieder kurze Stopps um zu schauen: Landschaft, abgebrannte Bauernhöfe, verfallene Kirchen. Ich sauge auf und bin im Fluss.

So warte ich also am ersten VP auf Marina die kurz ein Schluck trinkt und weiter läuft. Das war es.

Ich packe den Klapptisch wieder ein, verlade die Getränke und weiter geht es. Die nächsten Stopps (ver-)laufen ähnlich. Alles läuft wie schon so häufig durch erprobt.

Wer nicht mich sich allein sein kann, der ist hier falsch am Platz. Egal, wie kurz oder wie lang die gesamte Tour ist, wer nicht warten kann oder ungeduldig wird, der geht schon nach 6h ein. Nur ich bin mental so stark, das ich so etwas immer locker wegstecke.

…bis auf die Stunden morgens zwischen 1 Uhr und 5 Uhr. Die Kälte krabbelt ganz langsam ins Auto, noch kann ich sie mit der Heizung in Schuss halten, bei Fahrzeiten von 15 Minuten und Standzeiten von mehr als 60 Minuten zieht die Kälte erst durchs Auto und dann das Hosenbein hoch. Müdigkeit kommt noch dazu.

Oder die zwei Stunden vor dem Ende jeder Tour. Sie ziehen sich wie Kaugummi. Das Auto trotz aller Vorkehrungen vermüllt, verschwitzte Sportwäsche, die ausdünstet, der pelzige Geschmack im Mund trotz Zähne putzen. Und noch mehr Müdigkeit kommt dazu.

Ein feiner Multiplikator des ganzen ist Regen. Man kann nicht raus, das Auto beschlägt, nichts wird trocken…

Oder Blödheit: wenn mir z.B. der Topf mit dem fast kochenden Wasser vom Brenner rutscht und ich von neuem beginnen muss.

Ich könnte noch so vieles aufzählen, ich würde es doch gleich wieder tun. Ich liebe es einfach. Ich ziehe meine Energie aus der kurzen Dankbarkeit die ich am VP erhalte und eigentlich weiß ich: ohne mich geht’s irgendwie auch nicht. Auch wenn ich am Ende nicht der Star bin. Mir alles egal, ich werkel eh lieber im Hintergrund, das war schon immer mein Ding.

Zurück zum nächsten VP.

Gegen Mittag fahre ich den ersten größeren Ort an. Alles klar: die Pizzeria hat offen, der Eismann daneben auch. Ich funke kurz durch und Marina wünscht sich Fanta oder Eistee und Pizzabrötchen. Kein Problem.

Der Eismann bietet verrückte Sorten: Merlot, Chardonnay, Apfel Ingwer, Mango Chili. Ich wandle mein Hartgeld in feinste Sorbetsorten, sitze in der endlich durchbrechenden Sonne auf einer Parkbank mit Blick auf die Weser. Herrlich. Mehr (Eis) braucht kein Mensch.

Da ich nachts eigentlich die Radbegleitung bin, krame ich erstmals mein ausgeliehenes vollgefedertes Mountainbike aus dem Auto und fahre Marina entgegen. Wir treffen uns und sie fängt gleich an zu quasseln, Alleine laufen über so viel Stunden ist mental schon deswegen anstrengend, weil man positive wie negative Ereignisse nicht teilen kann. Ich lasse sie erzählen. Wir freuen uns, uns zu sehen.

Sie „ext“ vor meiner Nase quasi den ganzen Liter Fanta, und wundert sich lautstark darüber, wie viel Durst sie dieses mal hat. Wir überlegen, wie das in der nächsten Nacht gehen soll, geplant sind großzügige 60km meinerseits, so viel kann ich gar nicht transportieren.

Es geht weiter…

Am späten Nachmittag erreiche ich einen VP, der einem VP wirklich würdig ist: ein mobiler Pommeswagen steht auf einem Wanderparkplatz. Ich radele Marina ein wenig entgegen, die Strecke ist verwurzelt und rumpelig. Aber dank des Trackers brauche ich nicht all zu sehr lange um sie aufzugabeln. Ich erzähle Marina von der Pommesbude und ob sie sich was wünsche: Capri Sonne schallt es durch den Wald. OK! Ich fahre vor und tatsächlich: kalte Capri Sonne zum kleinen Preis. Ich ordere gleich vier Getränketüten.

Ein Wort zu Capri Sonne: Ja, es ist Zuckerwasser in einer für die Umwelt ganz miesen Verpackung. Aber hey: es ist CAPRI SONNE! Capri Sonne hat den diesen besonderen Spirit wie ihn Schaumküsse oder die Kekse von Omma auch haben. Du kannst dich als Kind noch so verletzt haben, bist gefühlt aus dem 120sten Stockwerk gefallen und hirntot. Schon das Geräusch des Schlüssels im Schloss des Schränkchens mit dem Süßkram war wie eine Reanimation. Nebenbei ist Capri Sonne Zuckerwasser (und Zuckerwasser ist Energie) in einer quasi unzerstörbaren nicht gluckernden Verpackung. Wer auf einsamen Touren von seiner im Rhythmus der Schritte gluckernden Trinkflasche malträtiert wird, weiß wo von ich rede.

Ich erlebe hier meine wirklich ersten Erlebnisse mit einem richtigen Moor. Der Weg geht auf schmalen Holzplanken durch den schwarzen Modder, ich begleite Marina noch ein wenig auf ihrer nächsten Etappe. Hammer! Neben und unter mir sind Stellen, wo ich lieber nicht reinfallen möchte. Konzentration ist also gefragt um mit dem breiten Lenker nicht am einseitigen Holzgeländer hängen zu bleiben und für immer zu verschwinden…

Am nächsten VP verfassen wir den Plan, das vielleicht einer unsere Freunde uns nachts supporten könnte. Einer der Christophs (Hardes) kann wirklich zu uns kommen und wir verabreden uns abends gegen 21 Uhr an einem VP. Unser Plan derweil: ich radel Marina entgegen, so das sie abends nicht allein unterwegs sein muss.

Schrieb ich radeln? Ich meinte schieben: WeserBERGland. +370Hm auf 4km feinster Single Trail im Dunkeln. Den Plan der Radbegleitung können wir wohl knicken. Ich schiebe Marina also wie versprochen entgegen und erbitte gleich Absolution. So bin ich mehr Last als Hilfe. Im Nachhinein stellt sich diese Entscheidung als vollkommen richtig heraus. Von Christoph und Marina höre ich später, das nur wenige Teilstücke entspannte Waldautobahn sind, es gibt Treppen und Äcker, Singletrails und Wiesen.

Christoph (Hardes) supportet somit Marina, Christoph (Wurm) ist mein Mann im back office, der spät abends und früh morgens einfach anruft und fragt, wie es so ist. Klasse und vielen Dank euch beiden!

Nun ist sie also da, die Nacht. Zwischen dem Chaos im Auto versuche ich auf der Isomatte ein wenig zu schlafen, doch jedes Bing des Handys lässt mich aufschrecken. Brauchen die beiden etwas? Nein – Fehlalarm.

Ich stehe in einem Kaff unter einer Straßenlaterne und mache morgens um 3 Uhr heißen Kakao. Was für ein Bild. Sollte das Ordnungsamt jetzt doch Streife fahren, hätte ich zumindest was zu erzählen. Aber: der erste Vogel piept und zwitschert dazu. Gänsehaut Momente pur. Die beiden laufen auf mich auf, wärmen sich kurz am Kakao und verordnen sich 6 Minuten Powernap.

Stille.

Ich laufe auf dem Gehweg auf und ab und warte die Minuten herunter. Nach fünf Minuten geht die Tür schon wieder auf und die beiden klettern heraus. Nun geht’s weiter.

Ich trinke den Rest Kakao, packe zusammen und fahre auch.

Am nächsten VP schaffe ich es wirklich einzuschlafen. Trotz kalter Füße. Als ich wieder wache werde, dämmert es. BAMM!! Es dämmert. Die Nacht ist geschafft. Für die beiden. Und für mich. Endlich, ich kann wieder durchstarten. Ein neuer Tag bringt gleich wieder neue Energie.

Ich versuche Marina und Christoph zu versorgen, doch all die feinen hochkalorischen Leckereien sind gerade nichts. That´s the game. Sie ziehen von dannen mit jeweils einem Schälchen heißem Grießbei. Die Löffel bekomme ich am nächsten VP in die Hand, wo die beiden nochmals kurz ausruhen.

Gegen Vormittag kommt Daniel auch noch zu uns. Daniel hat sich bereit erklärt die letzten Etappen mitzulaufen.

Er läuft den beiden entgegen und circa 30 Minuten kommen die drei in Corona konformen Abstand entgegen. Es ist toll wenn der neue Mann im Spiel neuen Schwung in die Manschaft bringt. Und genau das klappt. Gut gelaunt und laut lachend kommen die drei auf mich zu, aus dem Bluetooth Lautsprecher plärrt ein 1990er Klassiker. Party auf dem Wanderparkplatz. Das scheint vielen der Wanderer nicht geheuer zu sein..

Es ist immer wieder faszinierend zu sehen, welch Dynamik und positive Energie ein einzelner Mensch in eine Gruppe bringen kann.

Wir sollten uns alle dieses Beispiels erinnern und gut gelaunt an eine Gruppe treten, Und wenn es nur beim Bäcker ist oder ein kurzes fröhliches Gespräch an der Tankstelle. Viel zu oft haben wir (auch ich) unsere Scheuklappen auf.

So vergeht der weitere Vormittag relativ unspektakulär.

Auf dem Weg zum vorletzten VP komme ich an einer richtigen Tankstelle vorbei. So weit ich auch die letzten Stunden gefahren bin, eine richtige große Tankstelle war bisher nicht dabei. Ich setze den Blinker, halte an und rufe meine Leute an, ob sie einen Wunsch hätten. Die Antwort: Wassereis!!! Für mich einen schönen heißen Kaffee und vier mal Wassereis. Schlafsäcke sind übrigens ideal zum kalt halten von Speisen und so genießen wir eine dreiviertel Stunde später Eis.

Und dann kommt dieser feierliche Moment. Das letzte Teilstück wird in Angriff genommen. Allen ist bewusst das es klappen könnte und Marina den Weserbergland Weg stemmen kann. Wow!

Ich fahre mit Gänsehaut los. Bin aufgeregt, müde und nochmal aufgeregt. Am Zielort mag die Zeit nicht vergehen doch nach etwa 31,5h laufen die drei auf mich auf. Aus der Bluetooth Box plärrt „Giant“ von Rag´N´Bon Man. Diese Momente kann man nicht beschreiben. Marina wird ihren Triumph ganz anders empfinden, als ich ihren. Anders herum genau so. Ich habe meinen Job gemacht, sonst hätte sie es nicht geschafft. Einfach Wahnsinn.

Das war es? Nein sicher nicht. Es ist so schwer die passenden Worte zu finden. Ich könnte süßem Honig sprechen, von Morgentau an einem Blatte. Aber nichts beschreibt den Moment so, wie er es sich dargestellt hat. Mit allen Höhen und Tiefen, die man durchlebt hat. Dazu bin ich leider zu wenig Sprach Poet. Vielleicht hilft es zu erklären, das wir, die wir bei diesen „Projekten“ dabei waren ein oder zwei Tage später all unsere Alltagsbruchlandungen erleben, wir uns in den Stunden des gemeinsamen „Quälens“ in einer anderen Zeit befunden haben und jetzt erst wieder Fuß fassen müssen. So kaputt man auch ist, man kann nur sagen: GEIL WARS!!!!!

Und so stehen wir noch ein paar Minuten zusammen trinken müde und zufrieden noch ein alkoholfreies Finisher Bier und dann geht es schon heim. Dieses Gefühl etwas richtig cooles geleistet zu haben, wird erst in den nächsten Tagen kommen.

Ich verarbeite diese Gedanken gern in meinen Blog. So habe ich später tolle Erinnerungen von meinen Lauferlebnissen.

Ein kurzes Wort noch an und über die hier aufgeführten Personen:

der „große“ Unbekannte: Stefan, Du hast ohne mit der Wimper zu zucken dein teures Mountainbike verliehen. Und ich habe viele Leute gefragt und durch die Bank Absagen bekommen. Danke dir!

Danke Daniel fürs „Mental Rakete“ zünden. Du warst zur rechten Zeit am rechten Ort! Schön, das du da warst.

Danke Christoph fürs „den Supporter supporten“. Mit Dir zu telefonieren ist immer großer Spaß und du kennst genau die Supporter Schrauben, die gedreht werden müssen.

Danke Christoph fürs ewig weite(r) mitlaufen. Respekt! Du bist ein Beißer aber pass auf dich auf!

Und Danke Marina – du weißt schon warum….

Und by the way:

Heute ist der 4. Mai – also noch 361 Tage….

Und sonst so?

In den letzten Wochen und Monaten ist es hier etwas ruhiger geworden. Selbst meine liebe Ma fragte schon nach, wann sie denn endlich wieder einen der Berichte bekommt, die ich ihr ausdrucke und die sie dann fein säuberlich abheftet.

Gefühlt war viel los, Gedanken müssen aber manchmal erst abgehakt, katalogisiert und bewertet werden. So war ich z.B. mit Marina als Supporter bei einem Backyard im pfälzischen Rettert. Ein Backyard ist ein Stundenlauf, in der man versucht innerhalb einer Stunde die ca 6,7km zu bewältigen und pünktlich zur vollen Stunde wieder an der Startlinie zu stehen. Klingt einfach, wenn das Spektakel allerdings über Stunden, ja Tage dauert ohne das die Aspiranten*innen viel Schlaf bekommen, ist das (An-)spannung für Körper und Geist. Marina hat vorab mal zu mir gesagt, sie wolle schon versuchen weit nach vorne reinzulaufen, so dachte ich mir einfach, das ich sie supporten könnte.

Der Lauf begann und eine Horde Verrückter setzte sich unter vorher kontrollierten Corona Bedingen abends um 20:00 Uhr auf die erste Runde. Mit dabei war auch mein Freund Christoph, der dieses Format zum ersten Mal probierte.

Marina und Christoph liefen konstante Rundenzeiten und so konnte ich sie immer ca 10 – 15 Minuten vor der nächsten vollen Stunde empfangen und ihnen Ihre “Wünsche” erfüllen. Mal ein warmer Tee, mal eine deftige Speise. Support bei einem Backyard bedeutet ca. 40 Minuten langweilen um dann von XX:45 – XY:05 Uhr voll auf der Höhe zu sein. In der Zwischenzeit bummelte ich herum, lag mich in meinen Wagen, schlief ca. 20 Minuten und wartete. Man kann viel nachdenken über Gott und die Welt.

Das Feld lichtete sich zusehends… Immer wieder stieg der Eine oder die Andere aus, packte die Sachen zusammen und fuhr nach Hause.

Marina und Christoph drehten weiter ihre Runden und so vergingen die Stunden.

Nach gefühlt 22 Stunden fing an mir die Decke auf den Kopf zu fallen und ich wurde quengelig. Insgeheim hatte ich zu dem Zeitpunkt den Wunsch und die Hoffnung das Marina vielleicht nach 24 Stunden aussteigen würde. Sie wäre dann die letzte Frau im Feld.

Da dem Support der Support fehlte und ich so mit keinem anderen drüber sprechen konnte, wendete ich mich zur 23. Stunde an Marina und erzählte ihr. Damit hatte ich, wie ich später erfahren sollte auch ihr mentales Kartenhaus ganz schön ins Wanken gebracht. Sie erteilte mir die Absolution nach Hause zu fahren, triggerte mich aber gleichzeitig mit den Worten, das sie mich hier! brauchen müsse. – Mein Helferimpuls bekam urplötzlich neue Lebensgeister und ich wieder Biss. Jemanden hängen lassen war nun wirklich nicht mein Stil und so war ich energiegeladen genug, mit Marina in die zweite Nacht zu laufen.

Christoph stieg als zu letzt Dritter nach 28 Stunden aus. Nach eigenen Angaben hatte er keine Lust mehr. Es begann das Showdown Marina gegen den erfahrenen Ultraläufer Michael. Die nächste Stunde begann. Christoph schlief mittlerweile im Auto, Alex der Veranstalter, die Sportfotografin, Michael und sein Adjutant sowie Marina und ich ich waren die letzten verbliebenen Anwesenden.

Marina überzeugte am Start mit guter Laune und Fröhlichkeit, sang und tanzte, Michael pokerte mit Erfahrenheit und Trashtalk. Beide wollten jetzt zum Äußersten und “Last (Wo-)Man standing” sein. So ging es in die 30. Stunde und so ging es in die 31. Stunde.

Zum Start der 32. Stunde stellten sich beide wieder an die Startlinie und im letzten Moment sagte Michael zu Marina, er würde aufhören und sie solle die letzte Runde alleine laufen und sich den Sieg abholen. Wenn ich daran denke, bekomme ich immer noch eine Gänsehaut und vielleicht auch glasige Augen.

Aufgeregt zog Marina von dannen, ich ging zu Christoph und weckte ihn umgehend. Es war so absurde Situation: ich klopfte an seine Autoscheibe, er schaute mir aufgeschreckt und entsetzt in die viel zu helle Stirnlampe, ich schrie, das Marina auf der letzten Runde war. Marina schickte mir derweil eine Whatsapp, welches Lied sie denn hören wolle, wenn sie ins Ziel käme. So keck muss man erst mal sein…

Jubelnd empfingen wir Marina, die nach 32 Stunden den Backyard in Rettert gewonnen hatte und somit ein goldenes Ticket für die Backyard WM 2021 in Tennessee gelöst hatte. Alle Misstöne, jegliche Müdigkeit und Anspannung waren vergessen.

Wir feierten noch kurz und legten uns dann doch einige Stunden schlafen, bevor wir die Heimfahrt antraten.

Das musste erstmal alles verarbeitet werden….

Am nächsten Tag rief mich Marina etwas verunsichert und aufgeregt an, das sich Alex, der Veranstalter bei ihr gemeldet hatte, weil er vergessen hatte ihr mitzuteilen, das sie mit dem Gewinn auch einen Startplatz bei der diesjährigen ganz besonderen Backyard WM gelöst hätte. Die diesjährige Backyard WM sollte auf Grund der weltweiten Covid19 Pandemie nicht zentral in Tennessee stattfinden, stattdessen sollten sich weltweit “Nationalmanschaften” bilden, die als 15er Teams global in ihrem Heimatland an der Backyard WM 2020 teilnehmen. Und da wäre halt noch ein Platz für sie reserviert.

Nur zwei Wochen später startete sie somit im badenwürtembergischen Kandel mit Edelhelfer* Christoph, der vor Ort supportete. (*Nachtrag: ich telefonierte eben mit Christoph und er echauffierte sich in einem Nebensatz ein wenig über den Begriff “Edelhelfer”. Er: “Das hättest du auch getan.” Ich: “ja, aber du hast es 51 Stunden getan, ich nur 32!” Er: “Du hättest es auch 76 Stunden getan!” Ich: “Und Du 98….!” So ist das wohl zwischen uns beiden.)

Keiner wusste oder konnte ahnen, wie lange Marina laufen würde, selbst sie sagte, sie wäre sicherlich nach der kurzen Zeit in der Lage die Mannschaft bis aufs Letzte zu unterstützen.

Da ich um den Support des Supporters wusste, meldete ich mich immer wieder bei Christoph. wir telefonierten, tauschten uns aus und mit jeder Runde die Marina lief, wurde unser soziales Band dicker und fester. Manchmal erzählten wir uns einfach nur dummes Zeug, er übermüdet, ich mitfiebernd aus der Fremde.

Da schon so viel zu dieser verrückten vielleicht einmaligen Backyard Satelliten Situation geschrieben und gesagt wurde, erkläre ich den noch wenigen Unwissenden, das Marina das Ding mit 51h und 341km nach Hause gelaufen ist und diesen Backyard als deutsches Teammitglied gefinisht hat.

Ich bekomme immer noch kalte Hände, während ich das schreibe. Obwohl ich Null Kilometer gelaufen bin, waren es die aufregendsten und aufwühlendsten Laufgeschichten mindestens dieses Jahres für mich.

Aufregend und mit deutlich mehr Kilomtern ging es für mich weiter: Ich bin letztlich meinen 10.000ten Streak Kilomter gelaufen. Damit bedeutet es mindestens 10km an einem Tag im Durchschnitt zu laufen und versuche es so weiter. Warum? Keine Ahnung, es ist so gekommen und ich fühle mich sehr wohl dabei.

Das ist schon mehr als verrückt: angefangen aus einer Laune heraus, bin ich mittlerweile bei etwas über 900 Tagen, die täglich laufe. Mal laufe ich die Meile, mal deutlich mehr – so wie gerade kommt. Es tut mir gut, mich gerade in Covid Zeiten an etwas stabiles zu halten und den abgesagten Wettkämpfen nicht hinterher zu trauern.

Ich habe ja schon so manches zum Streaken hier in meinem Blog geschrieben, da möchte ich es auch dabei belassen. Ich bin einfach nur stolz und glücklich, das ich es geschafft habe, so weit und so viele Tage zu laufen ohne jegliche Verletzungen, Ausfälle oder gesundheitliche Einschränkungen. Bei Schnupfen läuft man die Meile, bei Husten auch. Bei allen anderen Wehwehchen muss man selbst entscheiden, wie weit man gehen will.

Wer hier mit gehobenem Finger sagt, ich hätte keinen Respekt vor meiner Gesundheit, dem möchte ich mitgeben, das der geneigte Streaker vermutlich mehr darauf achtet, das er auch morgen noch seine Runde drehen kann. Streak und Karantäne zum Beispiel kreisen zudem in meinem Kopf. Denn nur einen Tag pausieren, dreht das Rad wieder auf Null. Das wäre nicht schlimm, aber jammer schade. Und das wollen wir doch nicht…!

Allen Neu Streaker*innen, die jetzt in der zweiten Welle angefangen sind, wünsche ich viel Erfolg. Setzt euch nicht unter Druck, denkt immer nur an den nächsten Tag und nicht an irgendwelche Erfolgs Stories. Es ist nur laufen – und mit der Zeit werdet Ihr merken, das es gar nicht so recht ums laufen geht sondern um alles andere.

Das also ist der Status Quo. Es ist viel passiert, es passiert viel und es wird nicht langweilig. Ich versuche mich so gut wie es geht aus dem Schlamassel da draußen fern zu halten und bleibe fröhlich.

Passt auf euch auf 🙂

Ode an mein Land

Neulich schrieb ich bei Facebook diesen Eintrag:

Gude,

ganz kurz: ich bin stolz und glücklich in einem Land leben zu können und dürfen, wo ich sagen kann, das ich Frau Merkel meistens doof finde, ich keine Angst haben muss, wenn ich Herrn Höcke als Faschisten bezeichne, vor dem Regal mit den Marmeladen stehe und nicht weiß, welche Erdbeer ich nehmen sollte und dann ohne wieder gehe, in dem jeder “Hans und Franz” seinen Podcast mit sinnleerem Geschwätz machen kann.

Ich bin froh und stolz, das es noch so reale und geerdete Politiker wie Fred Toplak gibt, die sich für ihre Stadt einsetzen (auch wenn er nicht mein Kreuz bekommen hat, da anderer Wahlkreis), Menschen wie Lutz Balschuweit, die sich immens in der Integration von Flüchtlingen engagieren, Menschen die sich tagtäglich den Arsch aufreißen, sei es bei der Tafel, im Sozialdienst oder bei der Polizei. Und keiner dankt es ihnen!

Nebenbei: Ich bin vor geraumer Zeit von Twitter weg gegangen, weil mir dieses kleinbürgerliche Gutmensch Getue, im wahrsten Sinne an die Nieren ging. Ich habe mich anstecken lassen von den ständigen Niggeligkeiten die dann in aller Öffentlichkeit breit getreten werden.

Mir wurde jetzt von einem Shitstorm berichtet, weil Boris Becker die Schiedsrichterin beim Tennis attraktiv fand. Da kann ich nur sagen: Seid Ihr bescheuert? Vielleicht hat Boris daneben gegriffen, aber deswegen so eine Welle zu machen…Zum Glück habe ich es nur am Rande mitbekommen. Ja, es geht mir jetzt wieder gut.

Ich habe auch zeitweilig aufgehört meinen geliebten WDR 5 zu hören, weil ich die Sorgen der Welt mit in die Nacht nahm. Auch das habe ich reduziert. Trump hat einen an der Murmel, dafür benötige ich keine aktuelle Nachrichten.

Ich vermisse in diesem Land die gute Stimmung, die Dankbarkeit, dieses Gefühl in einem tollen Land zu leben. Ich war zuletzt im Südschwarzwald und am Niederrhein – was haben wir tolle Landschaften. Und ich will herausschreien: Leute das müsst Ihr erleben. Setzt euch mit Eurem Lieblingsgetränk an den Rhein und schaut Schiffe. Ihr benötigt keine 21 tägige mongolische Adventure Tour.

Das Leben findet einfach statt, gleich vor der Tür.

Feiert euch, feiert das Leben und dieses Land – es ist nicht alles doof hier. Dann haben wir halt noch ein Jahr eine Maske auf. Und? Wenn es uns und dem Land hilft? Wenn ich weiß, das ein Intensivkrankenplatz da ist, wenn es meine liebe alte Mama erwischen sollte mache ich das halt so weiter. Und wenn der Nachbar noch 100 Gartenzwerge aufstellt: so what…

Liebt euch, liebt den Nächsten, liebt dieses Land. Hier ist nicht alles schlecht. Und ich fände so toll, wenn das Tolle auch mal benannt wird!!!

Gute Zeit euch allen…

Ein Streak Tag…

Die Geschichte ist eigentlich kurz erzählt: ich wollte eine Peak Week machen und durch intensives Training auf irgend einen Lauf vorbereiten. Ich habe es also geschafft 7 Tage am Stück in Folge zu laufen. Vielleicht schaffe ich es ja auch noch eine zweite Woche… Und eine Dritte. Vielleicht sogar einen ganzen Monat…?! Vielleicht ja auch 173 Tage, die mein Laufbuddy Sven geschafft hat…?!

Alles war möglich, das merkte ich. Was ich nicht merkte, waren die kleinen Veränderungen, die sich sich langsam eingeschlichen haben. Ich gebe zu, als Streak Novize sucht man sich meist irgendwelche Helden aus, die man uU. sogar um Rat fragen kann. In meinen Fall war es Lutz. Lutz ist (m)eine Streak Ikone, macht er das doch schon über 8 Jahre, weiß also was er tut. Obwohl er mal schrieb: solange er nicht wüsste warum, würde er halt weiter laufen. Er hat für sich erkannt, das er immer zur gleichen Zeit aufsteht und immer die gleiche Strecke läuft. Ich kann das so nicht handhaben, will ich auch nicht. Fakt ist: die Meile muss gelaufen werden. Und so bimmelt mein Wecker für gewöhnlich um 05:39 Uhr. 39 weil 39 kein Unglück bringt. Niemals würde ich mich um 05:40 Uhr wecken lassen. Keiner macht das. Dann stehe ich auf, trinke zwei Gläser Wasser, checke das Wetter, schaue kurzdurch das Social Media Gedöns, mache mir einen Kaffee und ziehe mich passend an. Ich versuche um 06:00 Uhr aus der Tür zu treten. Mal schaffe ich es, mal nicht. Wenn ich es schaffe, freue ich mich über die Konstanz, wenn ich es nicht schaffe, ist es auch nicht schlimm. Die Uhr piept fröhlich, dass das GPS bereit ist und dann geht es los.

Eigentlich immer rechts herum, die Straße hoch. Ich könnte auch links herum laufen, aber rechts hat sich etabliert. Zu diesem Zeitpunkt weiß ich noch nicht, wie lange ich heute laufen soll. Der Motor in Kopf, Herz und Bauch muss erstmal warm und auch wach werden.

Ich komme immer an einem Haus vorbei, wo ein älterer Herr morgens seine Zeitung ließt. Irgendwann werde ich ihn grüßen, noch schaut er kurz auf, ich schiele zu ihm rüber.

Am Reiterhof biege ich links ab, ich könnte auch rechts abbiegen, aber ich biege halt links ab.

Es geht weiter, mal auf dem Gehweg, mal auf der Straße. Manchmal taucht der blonde Azubi auf, der ins einem Blaumann auf dem Fahrrad zur Arbeit fährt.

Dann biege ich rechts in einen Schotterweg ab und komme an einer Parkbank vorbei. Diese ist vor geraumer Zeit mit einem Standortschild zur Notrufbenachrichtigung ausgestattet worden. irgendeine Nummer, die ich jeden morgen lese, aber immer noch nicht kenne.

Der Kinderspielplatz hat nach Corona Tagen wieder auf, morgens liegt er verlassen auf der rechten Seite. Wenn ich “pünktlich” bin kommt mir ein freundlicher Mann auf einem Fahrrad entgegen und wir grüßen uns zu. Er ist wahrscheinlich auf dem Weg zur Arbeit.

Am Ende des Weges kann ich mich entscheiden: links herum geht es dann auf die Runde größer 10km, rechts auf die Strecke kleiner 10km, wenn ich mal müde (faul) bin. Also links ab, Richtung Ortsausgang. Mich erwartet dann das Piepen des zweiten Kilometers. Eigentlich ist es mir vollkommen egal, aber beim zweiten Piep achte ich genau drauf und es piept immer an einer anderen Stelle…

Dann überquere ich eine Hauptstraße und komme an einem Wildgehege vorbei. Dort treffe ich ich auch ab un zu die Frau mit dem nicht zu bändigen Mops, der sich an der Leine fast stranguliert.

Oben links in dem Haus flackert derweil schon das Frühstücksfernsehen.

Ich laufe das erste Mal über die Autobahn. Mal ist richtig viel Verkehr, zu Corona Zeiten fast gar nicht.

Kurz dahinter hat sonst immer eine Frau geparkt und ist mit ihren Hunden unterwegs gewesen. Einen Morgen war es so nebelig (sagte sie), das sie beim Rückwarts ausparken gleich wieder in den gegenüber liegenden Graben gefahren ist. Sie bat mich, mit meinem Handy ihren Mann anzurufen. Seitdem Vorfall habe ich sie nie weider dort gesehen. Ihr Mann hat sicher gemeckert.

Meistens biege ich dann rechts ab, es folgt eine etwa 500 m lange Gerade. Neuerdings parkt ungefähr auf der Hälfte häufiger ein mann, der in Sport Klamotten die Straße hoch und runter läuft. Ich bilde mir ein, das er nach einem Krankenhaus Aufenthalt wieder auf die Beine kommen will.

Kurz dahinter kommt eine Firma, die im Agrar Bereich tätig ist. Jeden morgen denke ich, das ich unbedingt zu Hause googlen sollte, was die überhaupt machen. Zumindest ist unten rechts im Gebäude ein Büro, mit Bildschirm zum Fenster. Der Windows Bildschirmschoner leuchtet mir immer die korrekte Uhr zu, da der Mitarbeiter noch nicht da ist.

Jetzt geht es über Autobahnbrücke Nr. 2. Hier wuchs mir bis zuletzt eine Riesendistel entgegen. Fast so groß wie ich. Dann wurden die Grasnarben gemäht. da war sie wieder verschwunden.

Kurz hinter der Brücke, stand in einer Feldeinfahrt lange Zeit einen Herren oder Frauenlose Matratze. Was die Menschen alles entsorgen…?

Ich wechsle die Straßenseite auf einen Radweg. Lange ist mir eine Frau mit einem Lastenrad entgegen gekommen. Sie hatte sogar Beleuchtung im Helm integriert. Wo die aber steckt weiß ich nicht.

Ich biege links ab und laufe bis zur nächsten Querstraße. Hier ist noch nie etwas passiert. Doch!!! Einmal bin schön pomadig auf der Mitte des Feldwegs gelaufen, hatte gute Musik im Ohr und wie lang schon das Auto hinter mir in meinem Tempo herfuhr, kann ich nicht sagen. Ich habe mich aber entschuldigt.

Dann biege ich rechts ab, die Hunde bellen von weitem, laufe ich an ihrem Zwinger vorbei, sind sie still. Hier steht auch der rote ältere Polo. Er wurde schon lange nicht mehr bewegt. Vielleicht gehört er der Dame, die ich auch schon lange nicht mehr gesehen habe. Sie ist sonst morgens mit ihrem Rollator unterwegs gewesen. Im Winter hatte sie einen uralten fetten mit mindestens 10 Mono Batterien betriebenen Handstrahler dabei gehabt, der die Straße auch nicht ausleuchtete. Jedes Werbe LED Licht ist heutzutage heller. Wahrscheinlich macht ihre Gesundheit nicht mehr möglich.

Es geht weiter an einer Lindenallee. Auf der einen Seite stehen ca 15 Jahre alte Bäume, ich wollte sie immer schon mal gezählt haben, aber man kommt ja zu nichts. Vielleicht morgen…

Ich biege links ab, mich erwartet die einzige kleine Steigung. Links steht ein kleines Häuschen, es sind immer alle Fenster weit offen, hier wohnen offensichtlich Frischluftfanatiker. Am Ende der Steigung, dann zwei Häuser, hier kann man direkt an der Straße aus einem kleinen Kühlschrank in Häuschenform frische Eier kaufen. Jetzt neu mit Schotterparkplatz!

Weiter geht es durch Klein Britannien. So nenne ich die Stelle, bis zu den Bahngleisen, weil mich der Weg an den Urlaub in Frankreich erinnert. Kleine Hecken und Bäume säumen den Weg, dafür nicht ein Straßenschild.

Kurz vor der Bahn biegt das Taxi immer ab, irgendeine Terminfahrt. Sicher ein guter Job, wenn man seinen Stammkunden abholen kann. Das Taxi kommt mir immer an einer anderen Stelle entgegen, aber hier biegt es ab.

Weiter geht es an einem Haus mit altem Doppelachspferdeanhänger. Der hintere Reifen verlor immer mehr Luft, da stand er dann und vergammelte.

Ich laufe auf ein zweistöckiges altes Klinkerhaus zu. Weiße Fensterrahmen, einfach verglast, runtergekommen. Aber: wenn ich im Lotte gewinne, dann hole ich dieses alte Schmuckstück aus dem Dornröschenschlaf und mache es mir zu meinem Traumhaus.

Dann biege ich rechts ab und eine lange Gerade geht mit leichtem Gefälle herunter. Die Steigung, die ich eben an anderer Stelle hoch gelaufen bin, geht es wieder herunter.

Am Ende biege ich rechts ab, unter einer Eisenbahnunterführung vorbei. Dort steht immer ein blauer Passat mit Essener Kennzeichen, im Winter mit Standheizung. Was auch immer der Mensch dort tut, gesehen habe ich noch keinen.

An einem weiteren Bauernhof leuchtet immer die rote Beleuchtung der Fahrzeugwaage, ich komme leider dort nicht hin, ich könnte dort ein bisschen Schabernack treiben.

Ich kreuze die Hauptstraße und auf dem Weg nach Hause, komme ich an einer kleinen Kapelle vorbei, mit einer dicken alten Eiche davor. Zu Corona Zeiten haben Kinder dort ein Schild dran gehängt mit dem Titel “Mut Mach Baum”. Das finde ich toll und so heißt der Baum für immer so. Spätestens kommen mir hier auch immer die gleichen Hundebesitzer entgegen. Als Beispiel der ältere Herr mit dem noch älteren Golden Retriever. Ich weiß nicht, wer von den beiden noch langsamer geht. Oder der Mann mit den drei Huskys. Zwei an der Leine, einer frei. Die unfreundliche alte Lady mit ihrer “Trethupe” oder die Frau mit der “Pink” Frisur und dem großen Schwarzen.

Links von mir dass Neubaugebiet, die Straßen sind immer noch nicht fertig. Dafür verbarrikadieren sich die Leute immer mehr hinter scheußlichen Zäunen und Gabionen.

Parallel zu meinem Weg läuft ein Sandpfad für die Pferde und Reiter vom Reiterhof. Man kann dort prima laufen und um die Pferdeäpfel tanzen.

Dann geht es wieder am Reiterhof vorbei, an dem älteren Herr der jetzt mit seiner Frau Zeitung ließt und ab nach Hause.

Man sieht also, das auf einer Runde, die man häufig läuft einerseits gar nichts passiert, andererseits aber so viele Kleinigkeiten, die man vermutlich sonst gar nicht wahrgenommen hätte. Es ist nicht so, das einem die Tour langweilig wird, oder sie einem widerstrebt.

Für mich ist streaken nicht nur eine Form des Laufens, sondern ganz viel mehr. Es hat etwas meditatives und nachdenkliches. Manchmal muss ich mich zwingen, nicht alles zu zerdenken und zu zergrübeln.

Einfach an mich denken, dankbar sein, laufen zu dürfen und jeden Tag aufs Neue zu genießen. Es ist toll, auf Kleinigkeiten zu achten, Veränderungen in der Natur und an sich wahrzunehmen und einfach glücklich zu sein.

Bald habe ich 800 Tage voll, aber erstmal morgen. #StreakOn

Ein Hermann – Zwei Blickwinkel

Zwei Blickwinkel – ist ein vielleicht spannendes neues Format, bei dem zwei oder mehr Akteure von der gleichen Sache berichten- und es doch ganz anders erlebt haben. In diesem Fall erlebt ihr die Geschichte eines Ultralaufs in der Reihenfolge aus der Sicht des Supporters (ich) und der Akteurin (Marina) und dem Akteur Ole. Holt Euch was zu knabbern, es dauert ein wenig.

Mein Laufleben wird (zum Glück) nicht langweilig. Nein ich war nicht laufen. Ausnahmsweise habe ich mich fast nicht bewegt. Und doch war es mit das spannendste Laufabenteuer, was ich bisher erleben durfte.
Wie diese verrückte Idee entstanden ist, kann ich gar nicht mehr genau sagen. Fakt ist, dass es die sogenannten Hermannshöhen gibt. Diese beschreiben einen 226 km langen Fernwanderweg über den Hermannsweg von Rheine bis zu den Externsteinen und von da aus auf dem Eggeweg nach Marsberg.
Einigen wird der Hermannslauf bekannt sein, der von Detmold am Hermannsdenkmal startet und ca. 32 km weiter in Bielefeld an der Sparrenburg endet.
Die Hermannshöhen nehmen diese Strecke mit auf, sind allerdings 157 km lang und somit ein quasi 100 Meiler, also ein Lauf über 160km – eine der klassischen Ultralauf Distanzen. Die weiteren 69 km verlaufen dann über den Eggeweg.
Marina und ich sponnen so herum. Sie wollte ursprünglich mit ihrem niederländischen Laufbuddy Elzo den Hermannsweg laufen, ich hatte mich bereit erklärt, die beiden am Ziel wieder zum Auto am Start zu shutteln.
Doch dann kam Corona. Und Elzo nicht. Denn der arme Kerl durfte nicht nach Deutschland.
Unter Freunden respektiert man sich und Marina fragte Elzo, ob sie diesen Lauf wirklich auch ohne ihn durchziehen könne. Und Elzo gab natürlich seinen Segen.
Nur allein schon wegen mangelnder Verpflegung unterwegs ist so ein Lauf allein schwer möglich. Und so heckten wir beide den Plan aus, das ich die Verpflegung mit dem Auto übernehme und ca. alle 10 km an der Strecke warte um sie zu versorgen.
Es musste ja so kommen, das Marina im Internet von den Hermannshöhen las und für die ganze Strecke brannte. Ich auch!
Ich machte mich an die Planung die 226 km in kleine Häppchen zu zerteilen, gut erreichbare Plätze zu finden und mich auf meinen ersten Ultra VP Service vorzubereiten.Genau das habe ich gerne gemacht: Karten studieren, Karten ausdrucken, Strecken zu checken, Wege zu ergründen und nach und nach hatte ich alle Informationen zusammen.
Marina derweil konnte in ihrer Lauf Community einen Mitstreiter gewinnen: Ole aus Göttingen wollte mit.

Es konnte losgehen!

Am Freitag den 1. Mai morgens um 07:45 Uhr erreichen wir den Startpunkt vor dem Bahnhof in Rheine, ich baue meine zwei rotweißen Pylone neben dem Taxistand auf und werde verwundert beäugt: was das denn geben würde, werde ich gefragt. Ich sage Ihnen, meine beiden Mitstreiter wollen nach Marsberg, hätten aber kein Geld für ein Taxi.
Zu Fuß? Ja – Stille. So still, wie es morgens an einem Feiertag sein kann. Wir drehen derweil die Musik im Auto auf und heizen uns ein. Punkt 8 soll es losgehen.
Der Countdown beginnt und um 08:00 Uhr setzen sich die beiden freudestrahlend in Bewegung.
Ich laufe einige Meter mit und übertrage das Szenario ins Internet.
Mein Job wird Verpfleger, Ansprechpartner und Moderator dieses Laufs sein. Warum auch nicht, es würden bestimmt noch Momente der Ruhe kommen, wo ich meinen Senf an deren beider Verfolger übertragen könne.

Ich lade meine Hütchen wieder ein und fahre zum Verpflegungspunkt 1

VP1 – Freitag 09:00 Uhr

Ich kann natürlich überhaupt nicht einschätzen, wie schnell oder langsam die beiden unterwegs sein würden, und so mache ich alles bereit, was man nach 10km so brauchen kann. Vielleicht doch noch eine Jacke mehr, ein Shirt weniger. Wasser und Riegel.
Und so stehe ich an einem Waldrand und warte. Ich merke schnell, dass die Zeit des Wartens viel länger wird, wenn man wartet.
Aber gegen 09:00 Uhr kommen die beiden laut tratschend an den Wagen, füllen nach und sind auch schon wieder verschwunden. So könnte es weitergehen. Wichtig ist den beiden nur die Information in wieviel Kilometern ich wieder warten werde. Ich lade meine Hütchen wieder ein und fahre zu

VP2 – Freitag 10:05 Uhr


Ich habe viele der Verpflegungspunkte an erreichbare Parkplätze oder Wanderhütten gelegt und so fahre ich meinen zweiten VP an. Der Parkplatz voll mit Autos – morgens um 09:30 Uhr. Mist, aber gut. Ich parke also ca 200m weiter mitten an der Strecke. Marina und Ole wissen ja nicht den genauen Punkt, nur die ungefähre Entfernung.
Und so baue ich mein Tischchen auf, stelle die Pylone, (ich merke später, das es viel wichtiger ausschaut wenn man den Klapptisch professionell absichert), das Wasser und die Riegel auf den Tisch und warte im Auto. Freizeitsportler aller Art kommen vorbei, schauen und staunen, was wohl passieren werden würde. Ein paar Tropfen Regen fallen auf die Scheibe des Autos, sonst passiert aber nichts.
Dann geht das Telefon: Marina fragt wo ich sei, sie wären schon mehr als die von mir angegebene Strecke gelaufen und ich wäre nicht da. Ich schildere den beiden meinen Standort und höre nur, da wären sie schon vorbei. Kann ja nicht sein, ich stehe nunmal auf dem Track und dementsprechend müssen sie gegen meinen Wagen laufen. Sind sie aber nicht.
Wir schicken uns per Handy die Standorte und ich gehe ihnen entgegen. Minuten später finden wir uns, alles ist gut.
Die Strecke verlässt die Felder und es beginnt der Pfad in den Wäldern des Teutoburger Waldes. Tisch und Hütchen lade ich wieder ein und fahre zu

VP3 – Freitag 11:40 Uhr


Der Teutoburger Wald hat wirklich malerische, schöne und einsame Ecken. So einsam, das mein Tracker, den ich an Ole befestigt und der per SIM Karte im Handynetz des magenta Riesen herum funkt nicht oder häufig kein Netz hat und ich nur ungefähr sagen kann, wann Ole und Marina bei mir auftauchen. Unterwegs erhalte ich eine Nachricht von Marina, das Kaffee total gut wäre.
Kurzerhand entferne ich mich von meinem Stützpunkt, fahre durchs schöne Brochterbeck und finde tatsächlich einen Bäcker, der am 1. Mai geöffnet hat. Ich besorge Ole und Marina zwei Milchkaffee, fahre zurück und warte wieder an der Strecke. Relativ spontan gesellt sich Sarah dazu, eine Freundin von Marina, die mit den beiden ein Teilstück laufen und ihnen einfach ein bisschen Ablenkung und Smalltalk bieten möchte. (Wieder einmal) eine tolle Geste dieser Lauf Community.
So rücken die beiden an, trinken kurz ihren Kaffee, wir machen ein paar Fotos, dann sind die drei wieder verschwunden. Tisch und Hütchen lade ich in mein etwas durcheinander geratenes Auto wieder ein und fahre zu

VP4 – Freitag – ????


Wieder einmal muss ich mir gratulieren: eine brandneue Sitzgelegenheit aus Bänken und Tisch und einladendem Häcksel herum gestreut wartet auf die beiden. Die Sonne kommt heraus, das satte Grün leuchtet und ich setze mich in die Sonne. So kann es weitergehen. Und ich warte und warte und warte. Vergebens. Marina und Ole kommen einfach nicht.
Wir verpassen uns.
Im Nachhinein sieht man auf dem Track zwei parallel führende Straßen und entweder stehe ich an der falschen, oder die beiden laufen auf der falschen Straße. Kein Problem, wir verabreden uns kurzerhand an VP5. Ich packe also Tisch und Hütchen wieder an und rausche zu

VP5 – Freitag ca 13:00 Uhr


und muss durch die Verzögerung an VP4 nur 20 Minuten auf Marina und Ole warten. Ich zitiere aus meinen Notizen: “Ein Wanderparkplatz mit vielen Autos, die beiden verpflegen sich kurz, wundern sich genauso darüber was passiert ist, aber ganz wichtig: keiner nimmt jemandem etwas übel.”
Tisch und Hütchen wieder eingepackt geht es weiter zu

VP6 – Freitag 15:00 Uhr


Mein Plan wieder einen Wanderparkplatz anzusteuern wird von einem Räucherforellen Mobil gekreuzt. Hier stehen die Leute mit Sicherheitsabstand Schlange über den ganzen Platz. Ich wende, fahre einige 100 m zurück auf einen Parkplatz eines dauerhaft geschlossenen Jugendtreffpunkts.
Marina und Ole traben heran, wechseln die Klamotten, stärken sich und sind wieder verschwunden. ich rausche zu

VP7 – Freitag 16:00 Uhr


Mittlerweile kann ich ungefähr einschätzen, wie lang die beiden unterwegs sind, bzw. wie lange ich mich beschäftigen muss. Ich mache erst einmal Haushalt. Der Wagen sieht ziemlich wild aus und räume ein wenig auf. Die durchgeschwitzten Shirts trockne ich mit einer Art Sturmwäscheklammern an der geöffneten Heckklappe und während ich mir meinen Platz für die Isomatte freimache um ein kleines Nickerchen zu machen, sprechen mich zwei Wanderer an. Ich erkläre ihnen unverblümt alles zu den Hermannshöhen und der eine berichtet stolz, das er auch schon mal einen Halbmarathon gemacht hat. Ja Halbmarathon 21km, nicht Hermannshöhen 226 km. Hört Ihr überhaupt zu???
Ich bin ein wenig genervt, vielleicht die Müdigkeit denke ich mir, bleibe aber ruhig.
Als die beiden endlich weg sind lege ich mich auf die Isomatte, mache die Augen zu und mache sie wieder auf. Ich kann hier jetzt nicht schlafen, was ist wenn sie jetzt kommen und mich brauchen…? Also bummel ich die Zeit tot, gehe meinem Reporter Job nach.
Und da kommen die beiden an, gut gelaunt und fröhlich. Vorbildlich.
Ich fahre weiter Richtung Luisenturm an

VP8 – Freitag 17:45 Uhr


Dunkle Wolken ziehen auf. Mittlerweile ist es später Nachmittag geworden, wir drei sind schon einige Stunden unterwegs.
Wieder positioniere ich mich mit dem Tisch und meinem Pylonen, die Sonne hat sich hinter dunklen Regenwolken verzogen, der Wind frischt auf ich hänge rum. Das erste Mal wird meine Geduld wirklich auf die Probe gestellt. Nicht zuletzt weil ich mit mir alleine sein wollte habe ich jetzt die Quittung. Alleine etwas schönes zu tun ist etwas anderes, als alleine nichts zu tun und zu warten. Auf lesen in einem mitgebrachten Buch habe ich keine Lust, Das Internet bietet nicht vernünftiges, so räume ich noch ein bisschen auf und installiere im Macgyver Stil eine Wäscheleine im Auto.
Ich höre Laufgeräusche und drehe mich instinktiv um: ein Läufer mit Weste schaut auf meinen Tisch. Ich frage ihn einfach, ob er etwas brauchen könne und dankbar fülle ich ihm Cola in seine Flaschen. So geht das bei uns!!! Er bedankt sich herzlich und zuckelt weiter.
Später kommen die beiden an. Wir sind alle gerade etwas angefressen. Ole und Marina dürfen das sein, ich versuche gut gelaunt zu bleiben. Was die beiden nicht brauchen können ist an ihrer VP Insel einen schlecht gelaunten Gastronom.
Auf meine Frage ob ich was machen könne sagt Marina: Pizza Margherita wäre cool. Somit ist die Aufgabenstellung am nächsten VP klar. Pizza muss her. Zum Glück ist

VP9 – Freitag 19:15 Uhr


in Halle Westfalen. Zivilisation, Menschen, Handyempfang, Dauerregen.
Zuerst schaue ich mir meinen nächsten Treffpunkt an und stehe unter einer Brücke der Bundesstraße. Hier ist es wenigstens trocken. Dafür stehe ich mitten an der Ausfahrtsstraße, vorbei fahrende Autos sind laut, durch Regen und Gischt noch lauter. Aber der Platz ist ok.
Ich fahre weiter in die Stadt rein und finde die Pizzeria Alfana, die ich hier bewusst namentlich erwähnen muss. Trotz der Tatsache, das ich nicht vorbestellt habe, wird meine Abhol Margherita vorgezogen und sie schmeckt später unglaublich lecker. Danke euch!!!
Die Schachtel wickel ich in die Isomatte ein um nicht zu viel Wärme zu verlieren. Leider ist sie bei Verzehr doch kalt.
Ich baue den Tisch auf, packe fröhlich meinen neuen kleinen Gaskocher aus und mache mir einen sonst bestimmt niemals so leckeren Instant Kaffee. Eigentlich ganz romantisch…
Dann kommen Marina und Ole und wir lassen uns die Pizza schmecken. Es wird geflucht und es wird gelacht. Teamplay at its best.
Die beiden ziehen weiter, jetzt mit Stirnlampe, denn die Dämmerung macht sich breit. Das Licht der Stadt lasse ich hinter mir und fahre weiter zu

VP10 – Freitag 20:35 Uhr


Ich stehe auf der einen Seite von Bielefeld, wieder an einem Parkplatz und warte. Warten ist eines der Dinge die ich heute schon geübt habe. Warten ist langweilig und so räume ich mal wieder meine Isomatte frei und versuche die Augen zu zumachen. – Geht nicht. Mein Kopf ist wach, voller Unruhe. Über den Tracker kann ich ungefähr sehen, wo die beiden sind und wandere ihnen entgegen.
Und da kommen sie schon: Ole hat was zu feiern: er ist das erste mal so weit gelaufen wie jetzt, die ersten 100 km sind geknackt. Ole ist glücklich und stolz. Wir freuen uns für Ihn.
Am VP werden Klamotten getauscht, Bäuche gefüllt, Getränke abgefüllt. Alles geht seinen Gang und dann sind die beiden schon wieder verschwunden.
Die anzusteuernden VP Punkte habe ich mir als Längen- und Breitengrade in meine Liste notiert und ich muss Zahlenreihen wie 51.992513 / 9.546277 eingeben. Der Unaufmerksamkeit oder schlechten Lichtverhältnisse mache ich bei der Eingabe fahre ich nicht zu VP 11 sondern

Irgendwohin.
Ich stutze – Zum Glück kenne ich mich hier um Bielefeld mit dem Track ein wenig aus und ich weiß, das ich hier falsch bin. Also gebe ich die Längen- und Breitengrade erneuert ein und fahre zu

VP11 – Freitag 22:25 Uhr


Mittlerweile ist es dunkel und ich suche mir einen Platz an einem großen beleuchteten Restaurant Schild. Ich baue mich und alles andere auf und möchte mir Wasser für ein Heißgetränk machen. Da es windig geworden ist suche ich mir ein windschattiges Plätzchen auf dem Boden und starte den Brenner. Alles geht seinen Gang und ich richte mich gemütlich ein. Als ich Minuten später nach dem Wasser schaue steht alles in Flammen und riecht scheußlich. Mir wird sofort klar was passiert ist: Um den kleinen Kochtopf ist eine Art durchsichtiger Kunststoffbehälter zur Zu- oder Nachbereitung von Speisen. Den habe ich übersehen abzunehmen und so läuft der flüssige Kunststoff über den Brenner. Blöd, aber nicht zu ändern. Den Brenner kühle ich herunter, knibbel das erstarrte Kunststoff ab und starte von neuem.
Ein dunkler Kombi fährt vor und ich denke gleich an eine Zivilstreife. Die beiden Jungs gehören allerdings zum benachbarten Restaurant und fragen erst distanziert und dann immer freundlicher was ich hier treibe. Sie sind total interessiert, ich zeige ihnen mein Roadbook und wir drei quatschen 15min über den Ultralauf Sport. Zuletzt verabschieden sie sich mit den Worten: wenn wir noch was brauchen würden, sollten wir einfach zum Restaurant kommen. Tolle Menschen vom Restaurant Habichtshöhe in Bielefeld.
Dann sehe ich auch endlich die tanzenden Stirnlampen in der Dunkelheit. Marina und Ole haben es zu mir geschafft. Die Pausen werden länger, man merkt ihnen die noch nur körperliche Erschöpfung an. Sie stärken sich, wir drei laufen gemeinsam ein Stück in die Nacht hinein und ich packe wieder alles zusammen. Auf geht es zu

VP12 – Freitag 00:00 Uhr


Oerlinghausen – meine Perle. Dachte ich. So schnuckelig das Örtchen ist, ich finde den Track nicht. Weder meine ausgedruckten Karten, die Längen- und Breitengrade noch irgendwas anderes hilft mir und so schreie ich kurzerhand mein Auto zusammen. Das hilft aber auch nicht. Stattdessen parke ich irgendwo und mache mich zu Fuß zum Ortskern. Normalerweise gehen diese Fernwanderwege immer an der Dorfkirche vorbei und so finde ich irgendwann auf einem Schild das weiße “H” auf schwarzem Grund. Ich merke mir die Stelle, gehe zum Wagen und fahre zurück.
Es ist 23:45 Uhr als ein schwarzer Twingo neben mir parkt. Ein Typ steigt aus und geht zu meinem Fenster. Oh nein denke ich, die Dorfjugend ist auf Krawall gebürstet. Doch stattdessen ist es Daniel, auch ein Freund der beiden, der sich kurzerhand entschlossen hat, mitten in der Nacht mit Marina und Ole eine Stück zu laufen. Alles so herzlich Bekloppte.
Das muss man sich vorstellen: da ist ein Typ, der im Laufe des Feiertages einen Marathon gelaufen ist und quält sich nun nachts vom Sofa zum supporten. Mega!
Sie kommen zu zweit und gehen zu dritt. Es ist Nacht geworden, ich bin müde, die Kälte kriecht in die Klamotten aber klagen möchte ich nicht. Lieber fahre ich weiter zu

VP13 – Samstag ??:??


Meine Originalaufzeichnungen: “Keine Erinnerungen – komisch”

Auch im Nachgang habe ich keine Erinnerungen an diesen VP. Selbst wenn ich mir die Stelle bei Google Maps in der Naturdarstellung ansehe, habe ich einen Filmriss. Geschuldet der Müdigkeit? Wer weiß…

VP14 – Samstag 03:00 Uhr


Es ist mittlerweile ca. 03:00 Uhr morgens, ich stehe an der Zufahrt zum Hermannsdenkmal auf dem Parkplatz. Hier peitscht der Wind. Es ist eklig draußen, ich suche lange nach einem Plätzchen der wenigstens ein wenig geschützt ist. Die beiden haben sich Nudeln gewünscht und so versuche ich Wasser zum kochen zu bringen. Der Brenner muss alles geben. Auf einem Tisch leuchtet eine Petroleumlampe in die Dunkelheit. Ich will den beiden ein Licht in die Dunkelheit senden. Jetzt wo es hart wird, die Müdigkeit, die Dunkelheit, der Frust und die Kälte in jede Ritze kriecht muss ich besonders für die beiden da sein. Umso mehr freue ich mich, als die beiden kommen. Die Stimmung ist rauh und wortkarg, gefühlt sage ich Marina fünf mal, sie soll auf das siedende Wasser aufpassen, doch der schnell gegriffene Schlafsack schmeißt den Topf um. Ich bin gereizt, sie ist gereizt, wir entschuldigen uns, ich stecke die beiden ins Auto für ein Power Nap und fange wieder von vorne an. Mir ist kalt. Und so fang ich morgens um Drei mit meinem täglichen Lauf an: gut zwei km lege ich auf dem Busparkplatz zurück, ehe das Wasser wieder kocht. Streak geschafft, Essen ist da, allen geht es besser.
Solche Situationen gehören einfach dazu, übermüdet sieht man ob ein Team funktioniert. Und wir drei funktionieren. Nachdem Ole und Marina sich gestärkt haben geht es weiter. Mit steifen Knochen eiern sie vom Platz und laufen langsam an. Kein schönes Bild, aber so ist es halt. Ich packe ein und fahre zum

VP15 – Samstag 05:00 Uhr


ich fahre nach Horn-Bad Meinberg. Dort endet der Hermannsweg an den Externsteinen. Das wäre also der erste Teil des Tripps.
Mein Plan, die beiden an den Externsteinen zu empfangen misslingt. Entweder führen die Straßen ins Nichts oder sind wegen einer Baustelle gesperrt. Darauf habe ich überhaupt keine Lust. Schon im Hellen macht das keinen Spaß, nachts schon mal gar nicht. Ich halte an einem Parkplatz und checke die Situation. Ich verschiebe letztlich meinen VP etwa 300m von der Strecke und teile Marina und Ole die Situation und Position mit.
Müde und genervt lege ich mich einen Moment hin.
Da klopft es auch schon wieder am Auto. Ich muss wohl doch eine knappe Stunde geschlafen haben, denn es hat angefangen zu dämmern. ENDLICH!!! Die Nacht ist vorbei. Ich behaupte: nur wer mal die Nacht durchgelaufen ist, weiß wie sehnlich man auf diesen Moment wartet, wie sehr es einem einen Schub versetzt, die Laune steigt, die Hoffnung wieder da ist und wie froh man ist. Auch mir geht es gerade so! Wir lachen wieder.
Und die beiden haben das erste Teilstück geschafft. Trotzdem frage ich ob unsere Reise hier endet oder auf dem Eggeweg weitergeht. Sie geht weiter. Ich packe meinen Kram zusammen und damit der der nächste Stop nur 6km entfernt. Ich muss mich also sputen zu

VP16 – Samstag 07:30 Uhr


Ich bin mir sicher, ich bin an der richtigen Stelle. Die beiden sind sich sicher, sie sind an der richtigen Stelle. Treffen werden wir uns nicht. Dieser VP ist an einem Ort, an dem es keinen Handyempfang gibt. Weder D1/D2 noch E Netz. Ich habe das im Nachhinein gecheckt, weil ich wissen wollte was da los war.
In meiner Not fahre ich wieder zurück nach Horn-Bad Meinberg und versuche die beiden zu erreichen. Ich drücke immer wieder auf die Wahlwiederholung – nichts.
Darauf sind wir nicht vorbereitet. Was passiert, wenn man sich bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht trifft…? Diese Frage wird mich noch länger beschäftigen.
Irgendwann erreiche ich Marina, verstehe sie aber nicht. Dann klingelt Ole durch, verstehen kann ich ihn aber auch nicht. Irgendwann habe ich so viele Wortfetzen zusammen, das ich weiß, das es Marina gerade nicht gut geht und so fahre ich ihnen mit dem Auto entgegen.
Ich komme am geplanten VP vorbei, steige aus und schrei ihre Namen in den Morgen. Nichts. Also fahre ich weiter und wieder einmal stehe ich vor einer Schranke, hinter dem der Weg weitergeht. Ich packe allerhand Sachen, die sinnvoll sein könnten in einen Rucksack und hole mein Faltrad raus. Das Teil wollte ich eigentlich nutzen, um einen Kamerafahrt neben den beiden zu machen, jetzt “rettet der Bock Leben”.
Eine Dose Cola und Traubenzucker später, geht es Marina wieder besser und als ob nichts gewesen wäre traben die beiden weiter Richtung nächsten planmäßigen VP
Ich bin froh, das die Übergabe funktioniert hat und fahre zum Auto. Jetzt erst merke ich, das es zu regnen angefangen hat. Ich packe alles ein und es geht zu

VP17 – Samstag 09:30 Uhr


So richtig kann ich nichts machen: es regnet und ich kann nichts aufbauen oder vorbereiten. Also warte ich brav auf die beiden, die irgendwann auch eintreffen. Mein Notizbuch liest sich so: “Marina hat sich derweil eine Blase gelaufen und “versorgt” sie auf ihre Art. Dann schreit sie auf und wenn Marina schreit, dann tut es wirklich weh.”
Aktuell ist es ein Kampf mit der Müdigkeit, mit der Kraft. Ole und Marina verlieren zunehmend ihre fröhliche Art, werden stiller. Das Ding muss jetzt mit dem Kopf gelaufen werden. Ich versuche ihnen so gut wie ich kann beizustehen. Ich weiß, machen kann ich nichts, aber ohne mich geht es auch nicht. Also geht es stillschweigend Richtung

VP18 – Samstag 11:00 Uhr


Was soll ich sagen: es regnet mittlerweile Bindfäden, die Temperatur ist auf +4 Grad gesunken, Graupel mischt sich unter. Ich sitze im trockenen Auto, weiß aber was die beiden gerade mitmachen müssen. Am Auto angelangt, tauschen sie nasse gegen feuchte Klamotten, motivieren sich mit Musik und Albernheiten. Spaß ist anders, gelacht wird wenig.
Es ist wie es ist und weiter gehts zum

VP19 – Samstag 12:20 Uhr


So langsam bin ich wirklich genervt. Es regnet, mir ist kalt, ich bin müde, das Warten macht meinen Hintern platt. Ich stehe mit dem Auto neben einem Monumental Funkturm aus den 1970er Jahren mit gefühlt 13000 Antennen dran, doch Handynetz habe ich wieder mal nicht. Auch das nervt. Ich weiß nicht wo die beiden sind, ich habe keine Unterhaltung ohne Netz und das heißt für mich warten, warten warten.
Doch dann kommt endlich mal die Sonne raus, ich geh aus dem Wagen, wechsle die Straßenseite und da ist Netz. Schnell lade ich irgendwelche Party Songs herunter und warte mit meinem mobilen Bluetooth Lautsprecher. Als ich die beiden erblicke, starte ich die lautstark die Wiedergabe. Marina tanzt, ich tanze. So geht das!! Music makes us alive.
Gleich steigt wieder die Laune! Manchmal sind es die kleinen Momente im Leben, die uns nach vorne bringen.
So traben die beiden von dannen. Ich mache das, was ich seit 30 Stunden tue, einpacken und weiter zu

VP20 – Samstag ca 13:50 Uhr


Es regnet und es hagelt. Ich stehe an einem Fernfahrer Parkplatz und die Autos ziehen eine Gischt hinter sich her. Zum Glück ruft Marinas Kumpel Elzo an und wir quatschen allerhand belangloses Zeug. Es tut gut, einfach mal ein bisschen zu reden, vielleicht auch zu jammern, wie blöd gerade alles ist. Danke Elzo!!
Irgendwann hört es auf zu regnen und ich gehe den beiden einfach entgegen, Was soll schon passieren? Abhängen werden sie mich nicht, die deutlich besseren Beine habe ich. Nach ca. 1 km kommen sie mir grölend entgegen: 200km schreien sie. Für Ole ein weiterer Meilenstein, für uns alle das Gefühl so langsam auf die Zielgeraden einzubiegen. 26km sollten doch noch irgendwie gehen. Apropos gehen: die beiden gehen jetzt immer häufiger, was die Wartezeit für mich natürlich noch verlängern wird. Marina erzählt, das sie während des Laufens wohl geschlafen hat. Das erzählen sich die Ultras immer wieder, persönlich habe ich es noch nicht erlebt. Laufen und schlafen. Ein skurriler Modus. Alles wie gehabt, allerdings wünschen sich Marina und Ole, dass der nächste Abschnitt von fast 14 km unterteilt wird. Ich mache mich an die Planung und füge einen VP ein. Es ist der

VP20a – Samstag ca 14:50 Uhr


Ich spanne einen Spanngurt zwischen Auto und Verkehrsschild, hänge nasse Sachen auf und versuche sie zu trocknen. Dann packe ich alles wieder ein und koche mir einen Instantkaffee. Dann gehe ich die Straße auf und ab. Mir ist langweilig, ich habe alles gemacht, was man machen kann. Das erste Mal will ich nach Hause. Mein Notizbuch vermeldet: die Müdigkeit klopft ans Auto, sonst keine Vorkommnisse. Ich muss konzentriert bleiben, schließlich fahre ich Auto, so döse ich noch ein paar Minuten vor mich hin, bevor es weitergeht zu

VP 21 – Samstag ca 15:50 Uhr


Ich stehe in einem Kaff, dessen Name ich hier nicht erwähnen möchte. Nur so viel: ich halte, mache die Heckklappe auf und krame in meinem Vehikel. Dabei bemerke ich, wie mehr und mehr Bürger des Ortes plötzlich auf der Terrasse rauchen, im Garten arbeiten oder einfach doof glotzen. Ich weiß schnell, die Leute wissen noch vor mir was in meinem Blog stehen wird. Naja, das Telefon geht, Marina ist leicht gereizt am Telefon und fragt, wo ich denn wäre. Wir tauschen unsere Koordinaten aus und ich sage ihr ca. 300m. Eigentlich hat sie mit den 1,5km wie sie sagt eher recht. Also fahre ich den beiden schnell entgegen, damit meine gut gemeinte Flunkerei nicht auffallen soll. Sorry Marina: Im Krieg und bei einem Ultra ist sowas erlaubt.

Das Ziel – Samstag 18:30 Uhr


Ich habe im Kopf, das unser Trip an der Nicolaikirche in Obermarsberg enden soll. Als ich auf Marsberg zu steuere, sehe ich auf einem 130 m hohen steilen Hügel aus der Ferne die Kirche. Das kann doch nicht sein denke ich mir, die beiden schreien mir das ganze Dorf zusammen, wenn ich ihnen sage, sie sollen da noch hoch. Fairerweise telefoniere ich mit Marina, was zu tun sei. Sie sagt, ich solle entscheiden.
So stehe ich mit müden Augen auf einem Kindergarten Parkplatz, recherchiere und checke Strecken. Es gibt Routen, die vor der oben liegenden Kirche enden, andere vor dem Bahnhof oder sogar dem Parkplatz eines Supermarkts. Wir entscheiden uns für die eleganteste Lösung: Die Kirche vor dem Marktplatz soll unser Ziel sein.
Ich baue also meine Hütchen mitten auf dem Marktplatz auf, schreibe mit Kreide “Ziel” aufs Pflaster und warte auf die beiden Akteure. Zusätzlich entfalte ich zwei mitgebrachte Camping Klappstühle. Getreu Marinas augenzwinkerndem Motto: “Gesessen wird erst ab 100 Meilen”, haben sie diese Sitzmöglichkeit mehr als verdient.

Ich hacke immer wieder auf meinem Handy herum, versuche den Tracker zu aktualisieren um zu wissen wo die beiden sind. Ich kann es einfach nicht mehr erwarten, gehe immer wieder die Straße herunter und schaue. Dann höre ich ihre Stimmen. Mega!! Nach fast 36 endet dieses Aben(d)teuer im Gran Finale. Ich filme die letzten Meter der beiden.
Gegen 18:30 Uhr kommen sie müde, stolz und glücklich auf den Platz, genießen abgekämpft ihren Triumph. Wir lachen über die Klappstühle, sie fallen hinein und freuen sich. Ein wenig sehen sie jetzt aus wie deutsche Touristen, die auf Grund der Corona Krise nicht in den Urlaub können und Marsberg mit Mallorca verwechseln. Herrlich! Wir flaxen rum, machen Fotos. Meine Jeans hat die letzten 36 Stunden nicht nur als Putz- und Trockentuch hergehalten und sieht dementsprechend aus. So ist es mir herzlich egal auf die Knie zu fallen um die beiden zu lobhudeln. Welch ein Moment. Nur wir drei in einem kurzes Vakuum. Der gemeine Marsberger schaut uns verwundert zu. Uns doch egal, wir haben das Ding gerockt. “Mission accomplished” wie es so schön heißt.
Dann ist der Spuk auch schon wieder vorbei, die beiden buxieren ihre geschundenen Körper Richtung Auto, ich packe alles zusammen. Ole bringen wir zum Bahnhof, der am selben Abend noch nach Göttingen kann. Marina und ich fahren heim.

Im Auto herrscht eine komische Stimmung, nicht real, schier absurd. Es ist was passiert in den letzten 36 Stunden, das spüren wir beide.

So etwas muss verarbeitet werden und so schaffe ich es auch erst über eine Woche später das Erlebte in Worte zu fassen. Für die werte Leserschaft wird es eine fast sachliche Dokumentation sein, für mich ist die Schreiberei eine emotionale Achterbahnfahrt. Mehrfach sitze ich einfach da, schaue in die Ferne und nicht nur einmal bekomme ich wässrige Augen. Daran werde ich wohl noch länger “Spaß” haben.

Ich war bei dem Lauf nicht dabei und doch bin ich ein wichtiger Teil des Teams gewesen, ohne das dieser Trip vermutlich nicht durchgeführt werden konnte. Und so nah ich dabei war, so weit war ich weg. Ich habe meinen eigenen Ultra erlebt! Es war toll und es war schön. Und ich würde es immer wieder tun. Und gedanklich sind wir drei noch lange nicht im Ziel.

Danke Euch allen, dass ich Teil dieses Trips sein durfte.

…und jetzt geht es weiter zu Marinas post:

„Project Hermann“

Es ist verrückt. Es ist verrückt wie schnell eine Woche vergehen kann.
Vor gut einer Woche befand ich mich auf einem circa 70km langen Wanderweg namens Eggeweg um die restlichen Kilometer der 226km langen Strecke der sogenannten Hermannsshöhen zu Ende zu bringen. Zeit und Raum sind wie weggeblasen. Wir befinden uns seit jeher in einem Vakuum, schwer zu sagen wo wir uns also genau vor einer Woche befanden.
Wir? Ja, wir bedeutet, Ole und ich, immer mit Christian alias Schluppe an unserer Seite. Schluppe versorgt uns mit dem allerfeinsten Kram, den ein Läufer so braucht auf dieser Reise, er schmeißt den mobilen Verpflegungspunkt.
Und just als ich diesen Satz niederschreibe, merke ich, dass ich viel zu viel auf einmal erzählen möchte. Wenn ich an das Wochenende zurückdenke, erlebe ich mich wie ein kleines Kind, dass von seinem Geburtstag schwärmt. Aber vielleicht fange ich einfach von oben an.
Vielleicht mit der Frage, was ich letztes Wochenende überhaupt gemacht habe und wie das ganze entstanden ist.

Letztes Wochenende bin ich, gemeinsam mit Ole, die Hermannsshöhen gelaufen. Die Hermannsshöhen sind ein 226km langer Wanderweg, der den Hermannsweg mit dem Eggeweg vereint. Der Hermann ist hierbei circa 100meilen lang, der Eggeweg bildet also den Rest. Zusammen gehören sie zu den Top Trails of Germany aka die 14 schönsten Wanderstrecken Deutschlands.
Nun zähle ich zu dem Typ Läufer, die immer irgendwo hin mitgenommen werden und einfach laufen, ohne wirklich zu wissen, an welchem schönen Fleckchen sie wohl gerade sind (ich weiß shame on me) . Es ist also klar, dass ich vor einem Jahr noch nie etwas vom Hermannsweg gehört hatte, geschweige denn die Hermannshöhen kannte. Dies hatte Elzo im letzten Mai allerdings geändert. Er besuchte mich aus Holland für ein Laufwochenende und brachte eine Karte mit.
„Ob ich Lust habe, auf ein Abenteuer“ hatte er damals gefragt. Ich verstand die Frage nicht.

Im Laufe des Sommers bequatschen wir das Ganze und Schluppe brachte zufälligerweise den Einwand ein, dass es doch den 100meiler bereits gäbe, organisiert von Jan Olaf. Elzo und ich brauchten also nicht lange, bis wir uns entschieden uns für den Lauf anzumelden.
Und dann? Was passierte dann? Ich denke, die Gründe, warum das Jahr 2020 von der Bildfläche verschwand, muss ich nicht weiter vorführen.
Der Lauf verschwand also in eine gedankliche Kiste. Für mich war es eh nicht so wichtig, es wäre auch eh „nur“ ein weiterer 100meiler geworden. Warum ich das so schnippig sage?
Zwei Läufe mit über 200km sind gerade abgesagt worden. Zwei Läufe, für die ich nicht nur hart trainiert hatte, sondern die auch mein vorläufiger Abschluss in der Ultraszene sein sollten.

Nun kam alles aber eben anders, als man denkt. Und wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich irgendwo eine andere. Es kam eins zum anderen und so beschlossen Schluppe und ich das ganze doch irgendwie in Angriff zu nehmen. Nur leider fehlte Elzo, da er in der aktuellen Situation nicht nach Deutschland einreisen durfte. Sein Segen holte ich mir aber und eins kann ich Vorweg nehmen, gedanklich war er die ganze Zeit mit dabei.

Bereits die Planung dieses Abenteuers war ein wahrliches Fest. Es brachte uns Licht in dieser dunklen Wettkampfzeit und noch mehr Ablenkung. Und so wurde mir schnell klar, dass ich das ganze Projekt mehr als ein Laufvorhaben sah. Ich wollte andere daran teilhaben lassen, andere Menschen in dieser Zeit motivieren einfach weiterzumachen und das zu tun, was wir alle so lieben.

Mehr kann ich fast schon nicht zur Planung erzählen und beitragen, da Schluppe hier die meiste Arbeit hatte-konkludent hatten wir uns dazu entschieden er macht die Planung und ich bin für das Laufen verantwortlich. Fast schon witzig, dass ich drei Tage vor Beginn des Laufes nicht Mals den genauen Ort des Ziels kannte, oder?
Nun gut, ich erzählte einige wenige Freunde und Bekannte vorab von meinem Laufvorhaben. Und so fand ich schnell jemanden, den ich motivieren konnte das ganze mit mir gemeinsam durchzustehen. Ole war schnell angefixt und entschied sich seine bisher längste Strecke mit mir zu erleben, wie in guten so in schlechten Zeiten sozusagen. Die Ultraläufer an dieser Stelle werden es kennen.

Wir planten den Start für Freitag, den 01. Mai um 8 Uhr in Rheine. Einen Tag zuvor holte ich Ole vom Bahnhof ab und wir quatschten genüsslich bei der obligatorischen Pastaparty über die bisherigen Laufabenteuer, die wir bis dato erlebten. Wir gingen früh ins Bett, sollte uns der Wecker am nächsten Morgen bereits um 4.45Uhr wachklingeln. Dass mit dem Wecker ging auch leider etwas in die Hose, da ich ihn versehentlich auf 5.45Uhr stellte. Erste Bewährungsprobe für Ole, der mich um 5Uhr, Gott sei Dank, geweckt hatte. Wir packten unser letztes Zeug zusammen, tranken Kaffee und stiefelten los zum vereinbarten Treffpunkt. Um circa 7.45Uhr kamen wir an einem Bahnhofsparkplatz in Rheine an. Hier sollte es also in weniger als 20min losgehen. Irgendwie unspektakulär und irgendwie auch doch.
Auf Queens legendärem „Don´t stop me now” ging es um 8 Uhr für uns auf den Weg. Die Blicke der müden Taxifahrer gegenüber von uns werden unvergesslich bleiben. Und dann war es soweit, wir liefen, einen Schritt nach dem anderen. Krass, dass ich das jetzt gerade wirklich tue, hatte ich mir gedacht, lange Zeit immer wieder davon geredet und nun ist es endlich soweit. Oft, nein eigentlich immer, male ich mir vorab Gedanken aus, wie die Strecke so aussehen könnte, was man alles so erleben wird und nun werden diese Bilder im Kopf zur Realität werden.

Die ersten Kilometer liefen ausgesprochen gut. Ole und ich hatten uns viel zu erzählen. Und auch Schluppe war beschäftigt, hatte er doch meinen Instagram-Account bekommen um unsere Freunde „up to date“ zu halten. Wir blödelten und scherzen viel rum. An einer Aussichtsplattform standen einige Radfahrer, die irgendwie merkten, dass mit uns etwas nicht stimmte. Sie fragten schnell, was wir hier machten. Nachdem ich es ihnen erzählt hatte, wollten sie es nicht so recht glauben, dass wir 226km zu Fuß machten. Ich erwiderte lediglich „Ist doch schließlich Tag der Arbeit heute“- Hach, scherzen kann ich.

Auch der vorab bis ins kleinste Detail geplante Verpflegungsplan vom Schluppe schien gut aufzugehen.
Na ja, bis zum dritten VP. Nach den eigentlich geplanten 8km war nirgends eine Spur von Schluppe zu sehen. Wir hatten Angst, wir hätten ihn verpasst, sodass ich ihm kurzer Hand eine Sprachnachricht schickte. Geplante Kilometer von Zuhause aus, sind halt nicht immer reale Kilometer, manchmal passt das geplante eben nicht, manchmal zeigt eine Uhr mehr Kilometer an, als es eigentlich sind. Von da an wusste ich, das wird öfter passieren. Da Schluppe weiß wie sehr ich es hasse, wenn nach den exakt geplanten Kilometern nichts ist (stellt euch bitte mal vor, man läuft Marathon und nach 42,2km ist man aber noch nicht am Ziel), hatte er die nächsten Kilometerangaben großzügig geplant.

Es dauerte nicht lange da stoß Sarah zu uns. Sie fragte mich einige Tage vorher, ob sie uns ein kleines Stück begleiten könnte. Darauf freute ich mich sehr. Da Ole und ich noch nie zusammen gelaufen sind, wusste ich vorab auch gar nicht, ob wir funktionierten. Ihr kennt das sicherlich, es gibt Menschen, mit denen kann man einfach nicht gut zusammen laufen, irgendwie läuft der jemand in einen solchen Takt, dass es einfach nicht funktioniert, oder aber sie oder er ist zu schnell, man will aber nichts sagen, sodass man sich viel zu schnell „kaputtläuft“. Bei Ole und mir schien es aber echt gut zu funktionieren. Und auch mit Sarah war es ein wirklich tolles Miteinander. Der erste Vormittag war quasi so toll, dass ich bis vor einigen Tagen wohl oder übel vergessen hatte, dass es da bereits am ersten Tag geregnet hatte (ich weiß es immer noch nicht so wirklich, aber Schluppe hat es erzählt).

Ole und ich waren durch Schluppes Vorarbeit gut auf das Projekt vorbereitet, denn Schluppe hatte einen gpx-Track für uns erstellt, den ich auf meinem Navi während der gesamten Zeit mit mir hertrug. Es gab aber auch offizielle Markierungen, ein „H“ kennzeichne den knapp 156km langen Hermannsweg, ein „X“ den anschließenden Eggeweg. Wie es immer so ist, passt an manchen Stellen der Track mit den offiziellen Markierungen nicht. Da wir aber den offiziellen Wanderweg liefen, blieben wir, wenn möglich, auch auf diesem und folgten im Zweifelsfall dem „H“. Dies führte letztlich dazu, dass wir Schluppe beim nächsten VP verpassten. Wir liefen wohl parallel zu ihm.
Kurzer Hand rief ich ihn an und wir sagten ihm, dass wir noch genügend Verpflegung haben und wir uns am nächsten geplanten Ort treffen sollen.
Im Nachgang ist es übrigens völlig unmöglich, dass wir Schluppe an dem VP verpasst haben, der Turm an dem er nämlich stand und wartete, ist auf keiner der Strecken zu übersehen. Das berichtete auch Sarah, die die Teilstrecke am nächsten Tag nochmal lief.

Bis auf diese kleinen Vorkommnissen war das erste Drittel des Laufes schnell und kurzatmig durchlebt.
Wir liefen entspannt und hatten eine recht gute Durchschnittsgeschwindigkeit. Am frühen Abend plagte mich dann das Gefühl, dass ich arg langsam sei. Ich hatte das starke Gefühl, wir seien noch nicht wirklich weit gekommen bis dato, wusste ich doch auch nie wie viel Kilometer wir bereits in der Tasche haben. Da das Unterteilen in kleine Strecken von VP zu VP besser für meinen Kopf ist, und da ich auch Orte der Strecke nie zuordnen konnte, war ich zu diesem Zeitpunkt etwas genervt. Als Ole auf die Frage „Haben wir es noch weit bis zur 100“ mit „ja“ antwortete, war für mich dann gefühlt alles gelaufen. Erste Ängste machten sich breit. Wie soll es bloß weitergehen, wenn ich mich jetzt schon so fühle bei nicht Mals der Hälfte der Strecke? Am nächsten VP schrie ich förmlich Schluppe an, mir wenigstens zu verraten, ob wir die 60km-Marke denn erreicht hätten. Beide hielten still. Ob ich das im Nachhinein gut fand, ist schwer zu sagen.
Nach einigen wenigen Kilometern nach dem VP schaute ich versehentlich auf meine andere Uhr. Ja, ich trug zwei Uhren, eine wie bereits erwähnt für den Kopf und die andere für die FKT Seite. Genau, da habe ich doch glatt unterschlagen, dass der Lauf ein FKT (fastest known time) Versuch war. Nun gut, diese Uhr zeigte mir dann doch bereits 96,5km an. Halleluja. Ich hatte wieder Energie. Wir hatten in etwas mehr als 12 Stunden beinahe 100km gerissen mit einigen Höhenmetern. Geile Sache.
Na ja vielleicht motivierte mich auch zusätzlich die von mir gewünschte Pizza und der warme Zitronentee am nächsten VP.
An diesem VP stärkten wir uns für den heranbrechenden Abend und für die Nacht. Wir schnallten uns die Lampen um und düsten hochmotiviert weiter. Ab hier, war Ole noch nie angekommen, noch nie hatte er mehr als 100km gelaufen. Das musste ein unbeschreibliches Gefühl gewesen sein.

Am Abend konnten wir uns ein wenig mit den von uns geposteten Stories auf einigen social media Kanälen ablenken. Auch habe ich persönlich viele motivierende Nachrichten erhalten. Das hat mich wirklich sehr gefreut. An dieser Stelle natürlich nochmals herzlichen Dank an alle.
Es wurde zunehmend kälter und gefühlt noch dunkler. Als ich zufällig auf mein Handy schaute, erblickte ich die Nachricht von Daniel, der sich anbot noch einige Kilometer mit uns zu laufen. Auch dieses Angebot habe ich mit Kusshand angenommen. Leider war es gar nicht so einfach auf Daniel zu stoßen. Am ersten schnell vereinbarten Ort waren Ole und ich zu schnell, sodass Daniel anmerkte, er komme uns entgegen. Bei diesem „Entgegenkommen“ haben wir aber Parallelwege nicht mitbedacht, sodass wir uns erneut verpassten.
Ein neuer Plan musste schnell her, sodass ich ihm vorschlug, zum VP zu Schluppe zu fahren und auf uns zu warten. Schließlich trafen wir uns und liefen einige Kilometer gemeinsam. Daniel, der in Bielefeld wohnt, war ein perfekter Guide für die Nacht, Ole und ich hätten uns sicherlich dort einige Male verlaufen, wäre Daniel nicht gewesen. Übrigens ist es schon erwähnenswert, dass Daniel bereits am Morgen diesen Tages einen Marathon gelaufen ist. Die Laufgemeinschaft ist einfach großartig.

Gegen drei Uhr erreichten wir wohl das Hermannsdenkmal. Nein eigentlich waren wir schon daran vorbeigelaufen, denn als wir Schluppes nächsten VP erreichten, hatten die beiden mir dies eben genauso gesagt. Meine geografischen Kenntnisse sind der Hammer. Egal.
Wir waren alle zu diesem Zeitpunkt wohl etwas müde und leise. Die bisher so freudige Stimmung wurde zu keiner richtigen Stimmung mehr. Ole und ich schnappten uns an den VP´s nun unsere Schlafsäcke um uns in der Nacht während der kurzen Pausen etwas wärmer zu halten. Drei Mal sagte mir Schluppe, dass ich mit meinem Schlafsack aufpassen solle, damit ich den Brenner nicht umkippte. Mein Hirn muss zu diesem Zeitpunkt nicht mehr richtig funktioniert haben, denn ich erwiderte zwar mit einem „Ja“, passte aber nicht richtig auf und der Brenner mit warm werdenden Wasser fiel selbstverständlich um.
Schluppe war angefressen und packte uns mit den Worten „Ihr schlaft jetzt erstmal 15minuten“ in den Wagen. Nach zwei Minuten Stille, merkten Ole und ich aber, dass wir beide überhaupt nicht müde sind und standen wieder auf. Nur blöd, dass wir nicht aus dem Auto kamen und Schluppe gerade seinen Streak absolvierte.

Das letzte Stück des Hermannsweges brach nun an und wir freuten uns, wenn es langsam wieder Tag werden würde. Es wurde still um uns, sodass uns in der Nacht ein gemeinsamer Freund anrief, der wissen wollte, ob wir denn noch laufen würden. Wir trotteten still und liefen mal nebeneinander, mal hintereinander hinterher. Als wir die Externsteine dann endlich erreichten, war es so, als würden wir nun endlich wieder wach werden. Vielleicht lag es aber auch daran, dass es nun langsam anfing zu dämmern.
Wieder ein weitere Ritterschlag für Ole, der nun seinen ersten 160km Lauf absolviert hatte und das Ganze in knapp 22 Stunden.
Als wir auf den Eggeweg zuliefen, passierte nicht ganz so viel, wir liefen eher still nebeneinander her.
Ich weiß, dass ich im nächsten Abschnitt beim Laufen schlief, denn ich fand es ganz witzig, dass Ole dies nicht mitbekam. Allerdings habe ich deshalb auch keine Erinnerung mehr an diese Passagen.
Der Eggeweg war nicht mehr ganz so schön wie der bisherige Hermannsweg. Er glich mehr einem breiten Feldweg, der nach jedem Kilometer, wenn es um die Ecke ging, wieder genau gleich aussah. Und es wurde zwar heller, allerdings wurde es auch kälter und es regnete stark. Ole und ich hörten zu diesem Zeitpunkt jeder mit seinen Kopfhörern Musik um uns von dem Wetter abzulenken. Die drei Lagen Klamotten, die ich trug, waren durchnässt. Noch schlimmer wurde es, wenn wir an der Verpflegung eine kurze Weile Pause machten und danach wieder anliefen. Alle meiner Körperstellen waren kalt, steif und müde. Auch die Teilstrecken zum nächsten VP wurden länger, weil wir natürlich langsamer wurden. Wir hatten keine Lust mehr. Wir waren fertig. Sozusagen „done“, wie ich immer so gerne sage.
Als wir erneut Schluppe aufgrund eines Wegefehlers (vermutlich durch Ole und mir verschuldet) verpassten, war meine Laune wie weggeblasen. Ich hatte Hunger, ich hatte Durst, mir war kalt und mein Körper war müde. Noch schlimmer war es, dass wir Schluppe nicht erreichen konnten, da wir uns an dieser Stelle in einem Funkloch befanden. Bevor Ole und ich uns dann weiter ankeiften, entschieden wir uns einfach still hintereinander herzulaufen. Auch das muss man können. Stille aushalten. Wie motiviert man sich an dieser Stelle? Schwer zu sagen, ich denke man läuft einfach, einen Schritt nach dem anderen, ohne viel darüber nachzudenken. Und natürlich mit dem Wissen, dass es nicht mehr weit ist zum Ziel.

Einen neuen Motivationsschub gab es erst, als wir die 200km Marke erreichten. Wir konnten wieder lachen und scherzten herum. Die letzten 26km. Sechsundzwanzigkilometer! Das ist nichts. Aber leider hatte ich einen kleinen Denkfehler mit den nächsten VP´s, sodass ich dachte, wir haben weniger Kilometer vor uns als es tatsächlich waren.
Ich erinnere mich an dieser Stelle an ein Gespräch mit Ole, bei dem er überrascht feststellte, dass die Phasen, an denen es einem schlecht geht, viel länger anhielten, als bei einem Marathon.
„Bei einem Marathon weiß man, dass es einem zum Ende hin kurz schlecht gehen würde, aber das geht auch schnell wieder vorbei. Hier halten sich die Phasen gerne mal über Stunden. STUNDEN!“
Genau, ich hing auch wieder in so einer „schlechten“ Phase. Und auch Ole, war so müde, dass das vorletzte Stück zu einer langen Wanderpassage wurde. Höhen und Tiefen gibt es bei einer solchen Länge nun immer mal wieder. Gott sei Dank wechselten sich Ole und ich uns hier ab, sodass wir uns super ergänzten.
Am letzten Stück war es nämlich so, dass Ole so motiviert war, dass er glatt in einem 6er Schnitt laufen konnte und ich überhaupt keine Lust mehr hatte, sodass ich von allen um mich herum genervt war.
Als Schluppe dann auch noch anrief um mich zu fragen, wo das Ziel sein sollte, wollte ich nicht mehr. So überhaupt gar nicht. Soll er doch entscheiden. Mir ist es egal. Hauptsache wir laufen nicht mehr Kilometer als wir planten. Wir entschieden uns für die Kirche in Marsberg.

An dieser Stelle würde ich gerne beschreiben, wie emotional unser Zieleinlauf war. Es war aber leider nicht so. Wir waren froh und dankbar, dass Ziel erreicht zu haben, klar wir waren happy. Wir freuten uns aber auch endlich heimfahren zu können um uns ins Bett zu legen.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich keine Ahnung wie lange wir unterwegs waren. Am nächsten Tag erfuhr ich es waren 34 Stunden und 55 Minuten.
Es dauerte einige Tage bis ich realisieren konnte, dass ich wirklich 226km gelaufen bin, meine zweitlängste Distanz bisher und das einfach so. Es fühlte sich an als würde für ein kurzen Moment die Zeit stehen bleiben und erst dann weiter gehen, wenn wir wieder Zuhause sind. Eine solche Distanz gleicht einem einwöchigen Wanderabenteuer, vielleicht auch aufgrund der emotionalen und körperlichen Achterbahnfahrt.
Ich erhielt so viele Motivationsnachrichten, dass ich mich mehr als freute. Mein Ziel, mit diesem Projekt mindestens einen Menschen zu motivieren, hatte ich erreicht. Es war der Wahnsinn. Es war ein unglaubliches Gefühl.
Wie ich bereits zu Beginn erwähnt habe, befinde ich mich wahrscheinlich immer noch in einem Vakuum, denn dass das ganze Abenteuer schon vorbei ist, habe ich vermutlich noch nicht ganz begriffen.
Es dauert einige Tage, bis man verarbeitet, was man da geleistet hat, was WIR geleistet haben.

Vielleicht planen wir bald schon das zweite Abenteuer. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht wurden durch dieses kleine Projekt andere motiviert, eigene Grenzen zu durchbrechen, vielleicht aber auch nicht.
Eines kann ich mit Sicherheit sagen, ich vermisse die Wettkämpfe, weil ich es vermisse, meine Freunde zu treffen und neue Menschen kennen zu lernen. Durch das Projekt habe ich genau das gehabt, das Gemeinschaftsgefühl, das Wiedererkennen meiner Gründe fürs Laufen. Für mich wird es für eine Zeit lang erstmal so weitergehen, eigene Projektvorhaben umzusetzen und mal erforschen wie weit ich komme, wen ich kennenlernen und wen mitnehmen darf. Ich freue mich auf diese Pause. Ich freue mich, dass ich Laufen kann, wo und wann ich will. Außerdem freue ich mich darauf neue Abenteuer zu erleben. Run free, run wild.

Und weiter geht es zu Oles Impressionen:

Projekt Hermannshöhen

Nun schreibe ich auch einmal meine Gedanken zu unserem Projekt Hermannshöhen nieder. Ich finde es immer sehr schwer meine Läufe, Wettkämpfe oder Abenteuer in Worte zu fassen.  Aber dieses Projekt ist es wert niedergeschrieben zu werden.

Ich möchte einmal damit anfangen warum ich überhaupt Ultras laufe. 

Ich habe früher nie an Wettkämpfe gedacht, war in der Schule nie der Wettkampftyp, sondern bin einfach nur gerne und lange in die Natur gegangen. So ist es heute noch. Dies ist vielleicht der Grund warum die Corona Zeit mir wenig ausgemacht hat und ich gemerkt hab, dass ich sportlich nochmal einen richtigen Sprung gemacht habe. 

Aber irgendetwas fehlte dann doch. Ich konnte mich selbst nicht zu einem „richtigen Projekt“ motivieren oder bewegen.

Ich merkte, dass doch etwas fehlt. Die Erinnerungen an meinen letzten sehr erfolgreichen Wettkampf im Februar kamen immer öfters hoch. Dort lernte ich Marina kennen. Was heißt kennen lernen, es waren eher fünf Minuten Smalltalk. 

Am Ende Mai hatten wir eine Konversation über Instagram in der Marina erzählte Sie wolle den Hermannsweg laufen. Großartig dachte ich mir, aber nichts für mich. 100 Meilen ist nicht meine Distanz. Da warte ich lieber noch etwas. Aber viele werden es kennen, wenn sich ein Gedanke erst einmal im Kopf herumschwirrt usw.

Die Zeit verging ich hatte durch Corona viel Zeit für Sport. Zehn Tage vor dem Projekt läutete Marina ihr Vorhaben mit einem Instagram Post ein. Doch ein Hashtag verriet, das es 226KM werden sollten. Damit war ich endgültig raus. 226 Km unmöglich für mich. Hermannsweg und Eggeweg kombiniert auf keinen Fall.

Zum Glück hat Marina nicht locker gelassen. Drei Tage später war ich dank der Überzeugungsarbeit von zwei Menschen, überredet mitzukommen. So richtig überzeugt war ich allerdings noch nicht. Das war eine Woche vor dem Lauf. Manchmal macht man sich Wochen vor einem Lauf verrückt, stellt sein Training um oder beginnt mit dem Tapern und ich soll jetzt einfach so laufen?

1 Mai. 2020

 Ich stehe mit zwei mir fast unbekannten Personen am Bahnhof in Rheine. Kein Problem wir sind alles Ultraläufer, wir wissen, wir haben die gleiche Basis. Das funktioniert in den meisten Fällen blind. 

Aber kann das auch über anderthalb Tage gutgehen? Ich versuche alle Gedanken, die mir durch den Kopf schwirren zurückzustellen. Ich weiß ich darf nicht viel bei diesem Lauf denken. Ich muss ein Vakuum in mir schaffen. Wir laufen los. Ich bin unsicher, soll ich viel reden oder weniger. So trotten wir los. Die ersten Km laufen flach, ja schon eher langweilig, gut um schon einmal in einen Trott zu kommen. Die Navigation pendelt sich ein. Marina, die den Hauptteil der Navigation Arbeit übernommen hat macht einen guten Job. Und wenn wir mal einen Abzweig verpassen, meldet sich die Uhr und wir korrigieren. Am ersten VP wartet Schluppe wir haben Spaß und machen unsere Scherze. Ich fühle mich wohl. So geht es immer weiter. Die Strecke wird schöner hat immer mehr kleine Anstiege und Downhills. 

Marina läuft immer von VP zu VP und weiß nicht die gesamten Kilometer. Ich nehme mir vor auch nicht mehr auf die Uhr zu schauen. Eigentlich gar nicht meine Art. Ich liebe es zu wissen wie weit es noch ist und wie viele Höhenmeter noch kommen. Aber ich versuche es, stelle auf der Uhr die Uhrzeit ein. Lustig meine Uhr zeigt nur die Uhrzeit an denke ich zwischendurch. 

Die Landschaft fliegt weiter an mir vorbei. Wir haben beste Laune. Kurz bevor Sarah uns auf der Strecke trifft, erreicht uns ein kurzer Regenschauer. Aber zum Glück ist es kurz danach wieder sonnig. Die Kilometer mit Sarah machen wirklich Spaß. Allerdings sind da zwischendurch immer wieder dies kleinen fiesen Anstiege. Ich merke das wird hart werden. Die bringen keine Höhenmeter machen aber trotzdem müde. Egal kühlen Kopf bewahren und langsam machen. 

Es klappt zwischen uns richtig gut. Die Phasen, in denen wir Blödsinn machen und in denen wir einfach nebeneinander herlaufen sind sehr ausgewogen. Zwischendurch freue ich mich immer wieder auf Schluppe, der mit seinen mobilen VP fast alle 10 km an der Strecke positioniert hat. Die orangen Warnhütchen haben mir immer ein lächeln ins Gesicht gezaubert. Irgendwann sagt Marina, dass Sie gerne Musik hören möchte. Ok denke ich und setze meine Kopfhörer auch auf und versuche mich auszubremsen. Musik macht mich schnell das kann ich hier nicht gebrauchen. Die Musik dröhnt ich habe das Gefühl dass wir beide beste Laune haben.

Dann schaue ich dann doch ausversehen auf meine Uhr. 70 km Uff… fühlt sich komisch an, ganz schön viel, aber doch so wenig. Bin aber doch froh zu wissen, wo wir sind und dass wir nicht zu langsam unterwegs sind. Ich versuche alle Gedanken zu verdrängen. Anscheinend denkt Marina genauso. Irgendwo bei Kilometer 73 fragt sie mich ob es bis zu den 100 km noch weit sein.

Was soll ich jetzt sagen? Ja bis 100 km ist es noch ganz schön weit oder lieber ne sind ganz nah dran…

Ich weiß nicht mehr was ich gesagt hab aber irgendeine Mischung war es wohl. Beim nächsten VP. bei Km 82 fragte Marina sichtlich genervt Schluppe ob wir den wenigsten schon 60km haben.  Man merkt, dass es ihr nicht gut geht.

In diesem Moment habe ich nur gedacht „Scheiße was hast du getan. Das wollte ich auch nicht. Wie komme ich aus der Situation wieder raus?“ Ich hatte mir ungefähr ausgerechnet, dass wir für die 100km 12h benötigen würden. Viel schneller, als das was ich erwartet habe. Wir waren voll im Soll.

Zum Glück fragte Schluppe uns, ob wir etwas am nächsten VP etwas wünschen.

Marina antwortet sofort; „Pizza“ Puh dachte ich nur. Der Gedanke an das Essen lässt sie hoffentlich die Kilometer vergessen. Also weiterlaufen. Weiter zur nächsten Verpflegung hangeln und die Laune hochhalten. Hat wunderbar geklappt. 

Zu diesem Zeitpunkt hat mich schon ein ganz schönes Vakuum umgeben, ich habe gemerkt, wie ich immer ruhiger wurde und in mich gekehrter. 

Der Gedanke was nach den 100km kommt setzte sich in meinem Kopf fest. Auf einmal holte Marina mich aus meiner Gedankenwelt. Sie hatte auf Ihre zweiten Uhren geschaut und die gesamten Km gesehen. Fast 100. Zack da war die Laune trotz strömenden Regen wieder da 😊 

Kurz vor den 100km wartete Schluppe mit Pizza und Tee unter einer Brücke auf uns. Wie romantisch.

Auf dem nächsten Teilstück erwartete uns ein schöner Sonnenuntergang und wirklich schöne Aussichten. Zum Glück gibt es heute Social-Media. Immer wieder wurden wir beide von ganz lieben oder sehr motivierenden Nachrichten abgelenkt. Das hat und beiden zu diesem Zeitpunkt wirklich sehr geholfen.

Nun kommt die Nacht. Bisher bin ich nur zwei Mal in die Nacht hineingelaufen. Ich war gespannt was uns erwartet. 

Marina verabredete ein Treffen mit Daniel.  Am vereinbarten Treffpunkt war er noch nicht. Er wollte uns entgegenkommen. OK kein Problem meine Laune war gut. Etwas Abwechslung und das auch noch nachts tut gut. 

Wir kommen an eine Weggabelung. Der GPS Track von Marina sagt Links. Ich habe einen Einwand, da die offiziellen Wegweiser nach rechts zeigen. Marina gibt nach.  Also laufen wir rechts. Aber sicher bin ich mir auch nicht, nach ein paar hundert Metern merken wir, dass wir vom Höhenkamm abkommen. Mit dem Gedanken das sich Daniel auf dem parallelen Weg oberhalb befindet, checkt Marina ihr GPX Gerät und Handy. Da passiert es. Ein Stock schiebt sich zwischen Marinas Zehen, da sie in Sandalen läuft, ist auch gleich die Haut an einem Zeh komplett weg. Ich fühle mich scheiße, nur weil ich mal wieder nicht den Mund halten konnte. Wie oft haben wir an diesem Tag schon erlebt, dass Wegweiser falsch aufgebaut waren.  Ich bin unglaublich wütend auf mich selbst. Zum Glück nimmt Marina, zumindest nach außen, alle sehr gelassen. Und so treffen wir Daniel am nächsten VP und er läuft ein gutes Stück der Hermannlaufes mit und unterhält uns sehr gut. Vielen Dank dafür.

Es wird sehr kalt in der Nacht. Am Hermannsdenkmal beginne ich das erst mal zu frieren. Es ist in der Nacht viel kälter als erwartet und der Kalorienverlust tut sein Rest. Das loslaufen nach den kurzen Pause und der guten Versorgung von Schluppe fällt zunehmend schwerer. Egal machen wir ja alles freiwillig und außerdem sind die Externsteine nicht mehr weit. Ich kannte im Voraus nicht viel von der Strecke oder Gegend. Aber die Externstein sind mir ein Begriff und ich wollt da immer mal hin. Ok wieder mal einen kleinen Happen Motivation gefunden.  Sehr gut ich merke das ich mich immer noch freuen kann. 

Angekommen an den Steinen beginnt die Morgendämmerung, geil ich schalte meine Lampe auf volle Stufe und beleuchte den ganzen See und die Steine. Genauso wie ich es schon auf unzähligen Bildern gesehen habe. Hier hat mein Onkel schon einmal Polarlichter gesehen und unglaubliche Fotos gemacht. Diese Bilder habe ich im Kopf.

Schluppe wartet 300 Meter entfernt auf uns. Beim Zähneputzen fragt er uns, ob wir weiterlaufen wollen. Zu diesem Zeitpunkt haben wir den Hermannsweg mit seinen 156 km geschafft. Da denke ich gerade nicht mehr dran. Aber es geht uns vergleichsweise gut, also warum sollten wir aufhören? 

Nun geht es auf den Eggeweg. Ich weiß das es nicht mehr weit ist bis zu den 100 Meilen.

Es wird zunehmend heller und ich begreife, dass das Wetter am zweiten Tag sehr schlecht werden wird. Ok hilft ja nichts. Wir laufen in ein kleines verlassenes Tal. Kein Netz schlechtes GPS Signal, unverständliche Beschilderung.  Ich habe keine Ahnung wie wir uns verpasst haben und wo wir anders hätten Laufen müssen. Wir hatten nur kurz telefonisch zu Schluppe Kontakt. Um zu ihm zu kommen, hätten wir ca. 500 meter zurücklaufen müssen. Marina war zu diesem Zeitpunkt sehr angefressen. Zurücklaufen war für sie keine Option, also weiter den Berg hoch.

 Ich hatte auf der Karte gesehen, dass nun endlich ein längerer Anstieg auf uns wartete. Sehr gut, den Berg hoch stapfen kann man immer. Zwischendurch mal die Uhr angeschaut.  Bäääm 160km voll. Innerlich Feuerwerk und Freude. Nach außen lieber nichts zeigen, ich weiß nicht wie Marina reagieren würde. 

Ab jetzt beginnt eine Phase, die ich schwer beschreiben kann, ja sogar ein ganzer Tag. Ich hatte erwartet, dass mich irgendwann die Schmerzen einholen. Bis jetzt tat irgendwann immer etwas weh. Aber irgendwie kam kein Schmerz. Natürlich der Körper wurden müde, aber es tat nichts richtig doll weh. Also keine Pain Cave für mich. Ich war eher wie in Trance, einfach immer weiterlaufen. So langsam begriff ich, was ich hier überhaupt mache. Ich habe allerding viele Stunden vom zweiten Tag ausgeblendet. Und sie sind auch im Nachhinein nicht mehr da.

Irgendwann kamen die 200 km dieses Mal habe ich mich gefreut, denn das Wetter wurde besser und Marina wusste die Distanz. Jetzt noch 26km das muss doch machbar sein. Naja gut, wir haben nur noch 6-7 km in der Stunde gemacht. Macht noch über 4h bloß nicht dran denken. Weiter Party machen, ob man es glaubt oder nicht wir waren zwischendurch immer noch lustig drauf.

Bei Km 203 wartet ein 3km langer Anstieg. Nicht richtig steil, aber auch nicht flach so 10% Steigung. Ich schlafe immer wieder beim Gehen ein und sehe Waldarbeiter im Wald, um kurz später festzustellen, dass dort niemand ist. Am höchsten Punkt bei Km 210 entscheidet sich meine Uhr den Lauf zu beenden und abzubrechen. Ich bin unglaublich wütend.

 Marina meint zu dem Zeitpunkt, dass es nur noch 7 km sind. Zum Glück liest sie nicht die Wegweiser, die mir verrieten, dass es noch 16 km sind. Egal einfach weitermachen. 

Bei Km 215 machte Marina eine kurze Pinkelpause. Ich weiß bis jetzt nicht was mich da übereilt hat. Jedenfalls fing ich zu rennen, den Anstieg hoch, die Uhr zeigte 5:30min/km an. Oben angekommen hatte ich ein schlechtes Gewissen, wir hatten uns 33h nicht aus den Augen gelassen, immer Sichtkontakt und jetzt laufe ich einfach so weg? Auf der anderen Seite merkte ich das meine Beine, die durch das Tempo entstandene Dehnung brauchten. Sie fühlten sich wieder etwas mobiler an. Auch hier verzeiht Mariana mir wieder einmal. Eine bessere Laufpartnerin kann man sich nicht wünsche, dachte ich mir.

Nun kamen noch Zwei Dörfer, 9 km. Harter Asphalt und Wellig. Ich fing an die Km anzusagen. Irgendwann überkam mich ein Gefühlt der Freude, aber nicht für mich, sondern für Marina. Ich dachte mir wow gleich hat sie ihren Lauf geschafft und ich darf sie auf den letzten Kilometern begleiten. Ich begriff nicht mehr das ich Teil dieses Projekts war. Es fühlte sich einfach wie einer dieser Trainingsläufe nach einer Partynacht an. Kotzübel und Müde aber man freut sich, dass man laufen darf. Dieses Gefühl hat bis ins Ziel angehalten.

Nach 226 km und 34 h, 55 min erreichten wir Marsberg. 

Das sind die Gedankenfetzen, die ich noch von diesem Lauf habe. 

Ich kann mich gar nicht oft genug bei Schluppe und Marina für dieses Wochenende bedanken. Es hat mich mit so viel Glück erfüllt wie schon lange nichts mehr. 

Und was bleibt? 

Wir werden wohl noch öfters zusammenlaufen. Das war das Chapter One von den TToG .

Danke Dir Marina, dass Du mir erlaubt hast, Deine Geschichte hier zu veröffentlichen. Und Danke dir Ole, du hast mir gezeigt, was man schafft wenn man die “Eier hat” über seinen Schatten zu springen. Und auch Du mir deine Gedanken zur Verfügung gestellt hast.

Im Märzen der Läufer…

Zu allererst einmal muss ich was loswerden:

ALLES WIRD GUT!

Ich finde es sehr beeindruckend, das sich das Volk doch so langsam an die Kontaktsperren hält und so hart es auch ist, durch diese etwas einsame Zeit wandelt.

Denjenigen, die es immer noch nicht kapiert haben muss ich sagen, das ihr u.U. dafür verantwortlich seid, das Menschen umkommen. Und vielleicht ist der nächste Mensch ja Deine Lieblingsoma.

UND MEIN ALLERGRÖSSTER RESPEKT GEHT AN DIE VIELEN VERKÄUFER*INNEN, DIE DEN LIEBEN LANGEN TAG DAS GEMECKERE DER KUNDEN ANHÖREN MÜSSEN. DANKE!!!!!

Was ist sonst noch passiert?

In den Staaten gibt es einen unter Läufern ziemlich bekannten Videoblogger: der Ginger Runner macht immer mal wieder mit Tests, Läufen und Experimenten auf sich aufmerksam. Eine Sache hat mich doch wirklich beeindruckt: Seine “100 Mile Training Week”, also 160km in einer Woche.

Ich habe mich schon des längeren mit dieser leicht verrückten Idee beschäftigt und letzte Woche war es dann soweit. Es öffnete sich genau ein Zeitfenster, bei der meine Frau morgens um 5 aufstehen musste und so konnte ich passend und früh meine Laufsachen schnappen.

160 km können bedeuten: 7x 23km oder 1x 30, 5x 20 1x 30k, oder oder oder…. Ich lief einfach los.

Montag schaffte ich in 2 Durchgängen insgesamt 34km, Dienstag 21km. Mittwoch quälten mich erste graue Gedanken Wolken bei fast 23km, Donnerstag waren das dann dramatische 5km. Kopf und Bauch fochten energisch mit- und gegeneinander, der Kopf wollte weiter, der Bauch (mein treuer Lebensberater) sprach ernst zu mir: Das was ich hier gerade veranstalte, ist Verrat an den gesunden Menschenverstand. In einer schwierigen Zeit, bei der das Immunsystem wichtiger denn je ist, laufe ich hier nicht in Maßen, sondern einem verrückten sinnleeren Ding hinterher.

Das beschäftigte mich wirklich den ganzen Tag und so beschloss ich folgendes: ich würde am Donnerstag Abend noch eine Runde drehen und wenn der Bauch weiter rebelliert, würde ich die Aktion einstampfen und vertagen. Nun ja: 14km sind es Abends noch geworden, ich war zurück im Spiel. Jubelnd kam ich zu Hause an, duschte und konnte nicht einschlafen. Na toll… In wenigen Stunden würde der Wecker gehen und mich zur nächsten Einheit herausklingeln.

Freitag kamen dann weitere 19km zusammen, Samstag dann fast 33km. Am Sonntag dann holte ich mir meinen Triumph ab und brachte voller Stolz das Ding nach Hause. Sehr cool eigentlich!!!!!

Heute am Montag habe ich mir die minimal erforderliche Streakrunde von 1,6km verordnet. Und vielleicht morgen und übermorgen auch. Gönnen wir dem Körper und Geist ein wenig Ruhe.

Hä, Geist? Ja genau! Auch für meinen Kopf war es eine unruhige Woche. Ich bin mittlerweile so dem Streak “verfallen” das mir solche Trainingsforderungen fast schon zu wider sind. Lieber laufe ich so wie ich will. In meiner Routine: aufstehen, zwei Glas Wasser, einen dünnen Kaffee und los!

Und jetzt bitte ich Euch noch um zwei Kleinigkeiten: lauft wirklich nur in euren Limits, wenn Covid-19 den nächsten Stern attackiert, ist genug Zeit für Blödsinn. Und bedankt euch mal mit ein paar Blumen oder einer Schachtel Merci bei den vielen Menschen da draußen, die für uns den Ars… hinhalten, damit du in Ruhe schei… kannst.

Glück auf. Hände waschen nicht vergessen!

It´s me – an Einsiedler

Ich bin müde, ich kann und will es nicht mehr hören. Man könnte natürlich sagen, ich wäre desinteressiert. Mag sein…

Seit einigen Tagen habe ich die Twitter App von meinem Handy gelöscht. Und ja, ich leide. Ich vermisse diese lustige Dumm- und Dümmerquatscherei, das Necken und die Diskussionen über Equipment Gadgets. Aber viel mehr hat mich das ständige Gemeckere genervt. Es nervt einfach. Es ist mittlerweile gefühlt alles falsch was im Kleinen wie auch im Großen passiert und jeder muss mit 280 Zeichen seinen Senf dazu geben. Das hat mich gestresst.

Jetzt ist es ruhiger, nicht immer besser, weil ich viele meiner virtuellen Kontakte wirklich mag und ich vermisse sie. Aber es wurde mir zu viel…

Instagram habe ich auch vom Handy gelöscht: übertriebene vielleicht sogar falsche gute Laune – auch damit komme ich nicht mehr klar.

Die letzten Tage war ich vermehrt auf Facebook unterwegs. Auch da fange ich an, die “Nerver*innen” aus meinem Followerkreis zu schmeißen. Es wird also einsamer.

Dann bleibt da noch das Sport Portal STRAVA – warum zwiften die Menschen jetzt quer durchs Land? Früher ging man raus….

Ich will und muss hier nochmals ganz klar darstellen: mir ist es nicht egal, wie es der Welt geht, wie es den Menschen geht, was in der Politik los ist und nach den Dramen in Thüringen bin mehr als froh, durch eine eher linke Pubertät gegangen zu sein und jetzt stolz sagen zu können: Die AFD und der ganz braune Mopp ist eine Gefahr für dieses Land und muss verboten werden.

Und doch wird es leiser um mich. Erleide ich gerade einen Social Media Kollaps? Ich weiß es nicht genau. Mir geht es gut und ich bin (prinzipiell) ausgeglichen, also nicht ein meckerner Mitvierzieger, der den Kids das Fußball spielen verdirbt und den Ball einsackt. Es wäre toll, wenn es mal wieder mehr Kids gäbe, die Dreck fressen, Regenwürmer untersuchen und bei Regen durch Pfützen springen. Diese Eltern, die mit ihren Hygiene- und Desinfektionstüchern ständig hinter ihrem Nachwuchs herputzen. Ein Grauen!

Zum Glück ist dieser Blog mein Blog und ich kann und darf sagen, was ich will, quasi als Therapieventil. Und wer mich kontaktieren will kann das gerne über die verlinkte Email Adresse des Blogs tun. Ich würde mich auch sehr über Kommentare und Ideen freuen. Und es wird der Tag kommen, an dem ich wieder da bin. Oder auch nicht… 😉

Ich bin ja nicht weg! Email, Whatsapp, Threema und co. sind bei mir.

Passt auf Euch auf!

+++ News +++

Ich sehe meinen Blog als eine Art Tagebuch, in dem ich meine gemachten Läufe (falls erwähnenswert) dokumentiere, ggf. ausdrucke und mich einfach gern an tolle Dinge erinnern kann. Doch manchmal fehlt Lust, Kreativität oder “die” Eingebung eine schöne Abhandlung zu schreiben.

Natürlich ist seid der belgischen Meile einiges passiert, von dem ich hier in Kurzform berichten möchte.

Wie schon im österreichischen Podcast “Laufendentdecken” , bei dem ich zur Gast war, erwähnt, bin ich einen Halbmarathon in der Tiefgarage unseres Mehrfamilienhauses gelaufen. Ein Runde sind etwa 55m, bedeuten also rund 380 mal eine kleine Runde zu laufen. Da ich von den Nachbarn nicht als Spinner abgetan werden wollte, bin ich zeitig (morgens um 03:15 Uhr) nach dem Ende der Ironman Übertragung auf Hawaii gestartet. Passiert ist nichts. Bis auf: gegen 04:30 Uhr kommt eine bekleidete und offensichtlich nüchterne Frau um die 40 Jahre jung in die Tiefgarage, geht zu einem Auto, öffnet die Heckklappe, kramt so lange, bis sie eine Flasche Cola findet, nimmt sie an sich, wünscht mir noch einen schönen Sonntag und verschwindet. – Da war ich doch baff. Sollte ich nicht der Verrückte hier sein…?

Anfang Januar gab es dann die 2019er Ausgabe des Hünenburg Vertical. Passiert ist wirklich nichts deswegen nur der Verweis auf den Blogeintrag von 2018.

Anfang Februar dann hat es Marina und mich nach Kaiserslautern gezogen: Ein 6h Benifizlauf indoor auf einer 142m langen Tartanbahn wurden ausgelobt. Da die Startgebühr und alle Umsätze einem guten Zweck des Vereins 42x42Benefizteam zu Gute kommt, waren wir gern dabei. Der Start war pünktlich morgens um 10.00 Uhr mit kleinem liebevollen Verpflegungspunkt und einem DJ der uns einheizte.

Marina bewog es auf Grund eines anstehenden Ultras nur 30km im Oval zu laufen, mir wurde wahrscheinlich wegen der etwas veratmeten Luft und zu wenigem Essen nach 5h 30min leicht schummerig vor den Augen, so das ich mir vernünftiger Weise überlegte einfach aufzuhören. Die Messung geschah über einen Chip in der Startnummer und so legte ich an dem Tag 370 Runden, ergo mindestens 53km zurück. Zufrieden war ich damit nicht wirklich, aber Vernunft siegt nun mal und im nachhinein freue ich mich, nicht mal ein bisschen Muskelkater zu haben. Auch nicht in den Füßen obwohl nur in Zehenschuhen unterwegs. Und was zählte war ein tolles Wochenende mit Marina und allerhand “Dummlaberei” 😉

Abschließend möchte ich noch einige Gedanken zum streaken loswerden. Ich laufe jetzt mehr als 640 Tage mindestens eine Meile, meistens mehr. Ich höre immer wieder, das es ungesund sei, das ich einen eisernen Willen hätte oder das ich einfach verrückt sei. Vielleicht trifft alles auf das tägliche Laufen zu. Was aber immer wieder vergessen wird, ist die Tatsache, dass das tägliche Laufen wie ein Weckruf meines Körpers und Geistes ist. Ich stehe auf, trinke 2 Gläser Wasser, mache mir einen (dünnen) Kaffee, zieh mich um und los geht es. So einfach… Natürlich gab es auch schon Tage wie folgt: ich stehe auf, trinke 2 Gläser Wasser, mache mir einen (dünnen) Kaffee, zieh mich um und merke das ich nicht in die Gänge komme. Dann habe ich mich auch mal wieder umgezogen, bin ins Bett zurück und habe weiter geschlafen. Entweder bin ich später weniger gelaufen oder habe meine Runde abends nachgeholt.

Es gibt kein Richtig und auch kein Falsch beim streaken. Es muss halt innerhalb eines Kalendertags die Meile gelaufen werden. Das ist es schon! Eine Zeit lang bin ich mit Musik gelaufen, dann wieder mit Hörbüchern. Jetzt aktuell ohne Kopfhörer, vielmehr genieße ich die länger werdenden Tage, die es mir ermöglichen immer häufiger und früher meine Kopflampe auszuschalten. Ein Morgenrot ist einfach unfassbar schön, wenn man den ganzen Winter durch die Dunkelheit gelaufen ist.

Ich habe keine Empfehlung für diejenigen, die sich näher mit dem streaken befassen wollen außer: einfach machen. Das tägliche Laufen hat nur bedingt mit laufen zu tun. Vielmehr ist es denken, genießen, staunen, Probleme lösen, grübeln, Ideen schmieden, meditieren, philosophieren, Hunde zählen, im Flow sein, Körper und Geist für den Tag vorbereiten und ganz nebenbei halt die tägliche Dosis Bewegung.

Streaken wurde bei mir erst im Laufe der Zeit ein Ding, wie ich es oben beschrieben habe. Zuerst standen die Kilomter, die Zeit, die Durchsetzung im Vordergrund. Aktuell ist es wie Zähneputzen: manchmal lästig und doch gehört es einfach dazu.

Vielleicht höre ich irgendwann einfach wieder auf. Vielleicht auch nicht. Erst mal morgen laufen, dann sehe ich weiter.

#StreakOn